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Radball/Radpolo Lostau macht aus der Not eine Tugend

Den Hallenradsport hat es in der Corona-Krise besonders hart getroffen. Beim RC „All Heil“ Lostau hat man nun genug vom Stillstand – und geht kreative Wege.

Von Björn Richter Aktualisiert: 29.05.2021, 06:00
Training überall dort, wo es sich außerhalb der angestammten Halle anbietet: In Lostau sind die Radpolo-Spielerinnen dieser Tage auch schon mal vor der Freiwilligen Feuerwehr anzutreffen.
Training überall dort, wo es sich außerhalb der angestammten Halle anbietet: In Lostau sind die Radpolo-Spielerinnen dieser Tage auch schon mal vor der Freiwilligen Feuerwehr anzutreffen. Foto: RC ?All Heil? Lostau

Lostau - Mitunter weiß Nicky Rogge gar nicht, dass ihm in den vergangenen Tagen und Wochen auch eine ziemlich vielversprechende Geschäftsidee in den Sinn gekommen ist. Der Bedarf unter Deutschlands Hallenradsportlern wäre ohne Frage vorhanden, die Kontakte für eine funktionierende Vertriebskette offensichtlich auch, und so darf man dem Einfall des Vorsitzenden vom Radfahrerclub „All Heil“ Lostau durchaus eine gewisse Marktreife bescheinigen. „Wir haben ein bisschen Geld in die Hand genommen und Reifen besorgt, die auch für den Außenbereich geeignet sind“, erklärt Rogge. Aspekte der Vermarktung und die Rolle als Vorreiter, der den bislang reinen Hallensport nach draußen bringt, dürften ihm jedoch weniger wichtig sein als die Chance, dem Nachwuchs endlich die Rückkehr aufs Rad und in den Trainingsalltag zu ermöglichen. Wobei der Begriff „Alltag“ natürlich aktuell noch sehr weit hergeholt ist.

Trainieren wo es nur geht

Bereits vor den Pfingstferien und seit dieser Woche nun auch wieder bitten die Übungsleiter ihre Radpolo- und Radball-Youngster zu regelmäßigen Einheiten – nur eben nicht an angestammter Stelle. „Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so versuchen wir, kontaktloses Training an der frischen Luft überall anzubieten, wo es nur geht“, führt der Vereinschef aus. Die Überreste vom betonierten Basketballfeld hinter der Halle zählten bereits ebenso zu den Schauplätzen wie die Freifläche vor der Feuerwehr. Positiver Nebeneffekt: Der RC „All Heil“ bleibt im Gespräch. Kaum einem Lostauer dürfte zuletzt entgangen sein, dass der Verein aus dem coronabedingten Dornröschenschlaf erwacht ist.

Natürlich stellt sich dabei auch die Frage, worauf sich der Nachwuchs eigentlich vorbereitet. Vor knapp zwei Wochen hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) mit einem dreiseitigen Beschluss die seit November unterbrochene Saison zu weiten Teilen beendet. Lostaus Aushängeschild, die U19-Fahrerinnen Alina Wittig und Lea Lubisch, ist nach der Annullierung auch weiterhin Bestandteil der 2. Radpolo-Bundesliga der Frauen. Da als wahrscheinlich gilt, dass auch der Landesverband dem BDR-Beschluss folgt, dürften beide Oberliga-Radball-Duos in dieser Spielzeit ohne Einsatz bleiben. Mit Blick auf den Nachwuchs besteht zwar die Aussicht, dass im Herbst die nationalen Meisterschaften ausgefahren werden, doch das Wann und Wie der Qualifikation ist mit heutigem Stand noch ungeklärt.

Freudiges Wiedersehen

Der RC „All Heil“ probt dieser Tage daher auch weniger den Ernstfall. „Es geht vor allem darum, sich nach einem halben Jahr überhaupt wieder zu begegnen. Speziell unsere Mädels haben sich begeistert gezeigt, als es hieß: Es geht wieder los“, so Rogge. Im verordnungskonformen Training werden dieser Tage zwar noch keine Spielformen geübt, sondern vor allem der körperliche und konditionelle Bereich geschult, doch für die meisten zählt ohnehin das schmerzlich vermisste Erlebnis in der Gemeinschaft.

In der Praxis begegnen den Trainern und ihren Schützlingen bei der Improvisation im Freien aber auch Hürden. Beispielsweise sind die eingangs beschriebenen Outdoor-Reifen aktuell nur in einer Größe von 28 Zoll erhältlich. „Selbst auf den großen Rädern der Radball-Männer sind wir aber eigentlich bis maximal 26 Zoll unterwegs. Wir können sie daher nur auf den Hinterrädern aufziehen und müssen dazu noch ordentlich Luft drauf geben“, berichtet der Vereinschef. Dazu gesellen sich außerhalb des Hallenbodens ein erhöhter Verschleiß und die Tatsache, dass die monatelange Zwangspause einer ausgewiesenen Randsportart nicht zuträglich war. Rogge: „Es sind in Deutschland schlichtweg nirgendwo Bälle aufzutreiben. Der bisherige Monopol-Hersteller hat die Produktion eingestellt.“ Spätestens an dieser Stelle sollten umtriebige Geschäftsleute also hellhörig werden. Zumal ein Nachfolge-Unternehmen auch Tausenden Kindern und Jugendlichen einen ehrbaren Dienst erweisen würde.