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M.I.A. - Fröhlich ist gar nichts

Ein Album noch und dann Schluss? Nach AIM will M.I.A. keine weitere Platte aufnehmen - sagt sie. Doch jetzt geht es jetzt erstmal an einen dicken Klotz: die Flüchtlingskrise.

Von Sebastian Fischer, dpa 09.09.2016, 05:00

Hamburg (dpa) - Dem Ende wohnt ein Anfang inne - auch bei M.I.A. Und so schlägt Großbritanniens Vorzeige-Rapperin auf ihrem neuen und nach eigenen Aussagen letzten Album den Bogen zurück zu ihrem musikalischen Ursprung.

Auf der fünften Platte AIM sampelt sie einfach mal das eigene Galang, ihren fulminanten Durchbruch von 2003. Genau das macht den Song Ola No Visa zum kleinen Geheim-Tipp auf der Platte. Und der Rest?

Zumindest inhaltlich fügt sich AIM in das Vermächtnis der vier Vorgänger: Es geht um Minderheiten, Ausgeschlossene, um die Ungerechtigkeiten der Welt. Die große Politik in Electro-Schnipseln, gut portioniert als Weltverbesserungshappen für zwischendurch. Das ist meine letzte Platte, hat die Musikerin und Stil-Ikone kürzlich im britischen Radio gesagt. Daher soll sie fröhlich sein. Musik will sie zwar weiterhin machen, ein bisschen klingt es aber schon nach: Wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören.

Dabei ist derzeit vieles schlimm in der Welt. Stichwort Migration. Tausende ertrinken im Mittelmeer auf ihrer Flucht vor Krieg und Gewalt. Bootsflüchtlinge, was ist da los?, fragt M.I.A. etwa in Borders - und steigert sich in eine bassgeladene Schimpftirade. Eure Werte, eure Überzeugungen, was ist damit los?

Mathangi Arulpragasam, wie M.I.A. bürgerlich heißt, trägt dieses Leben selbst unter der Haut: In den 80ern flüchteten sie und ihre Familie vor dem Bürgerkrieg in der Heimat Sri Lanka nach Großbritannien. Heute noch lebt die 41-Jährige in London.

Schon bei den vergangenen Alben wurde ihr zum Vorwurf gemacht, die Underdog-Pose allein wegen des Dagegenseins einzunehmen. Leider bleibt die Gesellschaftskritik auch auf AIM meist oberflächlich. Bestes Beispiel: Paris St. Germain bringt sie auf die Palme, als sie im Video zu Borders im Trikot des Fußball-Clubs posiert, auf dem das Logo des Sponsors Emirates verballhornt wird. Das fünfseitige Anwaltsschreiben der Pariser landet auch prompt auf M.I.A.s Instagram-Account. Hauptsache, das Bild stimmt.

Doch lässt man all ihre Ambivalenz, all ihre Darbietungen beiseite, erkennt man zumindest, dass M.I.A. den Finger in die Wunde legt. Etwa im eindringlichen, weil monoton äußerst strengen Foreign Friend. Über karg-gespenstische Percussions hinweg singt sie von Erfahrungen Geflüchteter: Wo wir herkommen kriegen wir ein Zelt. Dann klettern wir über den Zaun, wir wollen kein Ärgernis erregen. Dann kaufen wir einen Benz, Flachbildfernseher, wir zahlen Miete. Wir glauben, wir haben es geschafft. Und dann sind wir deine ausländischen Freunde. M.I.A. ist eine der wenigen, die das derzeit wichtigste Thema musikalisch aufgreifen. Das ist doch auch was.

Dabei zeigt AIM eine pessimistische Zukunft. Fröhlich ist auf diesem Album fast gar nichts. Vielleicht könnte das ein Grund sein, doch noch eine Platte herauszubringen. Und dann eine wirklich heitere.

Website M.I.A.

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