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Lischka neuer innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion "Kein Freibrief mehr für V-Leute"

24.09.2014, 01:06

Der Magdeburger Burkhard Lischka vertritt künftig die innenpolitischen Belange der SPD im Bundestag - eine Schlüsselfunktion. Volksstimme-Reporter Steffen Honig sprach mit dem Politiker.

Volksstimme: Wo werden Sie als frisch bestallter innenpolitischer Sprecher zuerst einsteigen?

Burkhard Lischka: Das gibt der Koalitionsvertrag vor. Einige Beispiele: Unsere Sicherheitsbehörden müssen so vernetzt und koordiniert werden, dass sich eine Mordserie wie die der NSU-Terrorgruppe nicht wiederholen kann. Das sind wir nicht zuletzt den Opfern und ihren Angehörigen schuldig. Wir werden auch den Einsatz von V-Leuten des Verfassungsschutzes neu regeln. Es kann nicht sein, dass eine solche Tätigkeit beispielsweise einem Freibrief zur Begehung von Straftaten gleichkommt. Wir werden zum ersten Mal in Deutschand ein IT-Sicherheitsgesetz erarbeiten und verabschieden, um Unternehmen, Infrastruktur und Bürger vor Cyberangriffen, Spionage und Überwachung zu schützen. Und wir wollen das Zuwanderungsrecht modernisieren. Deutschlands Bevölkerung wird von heute 81 Millionen Einwohnern auf rund 70 Millionen im Jahr 2050 sinken. Wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen, brauchen wir Zuwanderung von Fachkräften.

"Es ist nicht akzeptabel, Schengen auszusetzen."

Die gestiegenen Flüchtlingszahlen stellen Länder und Kommunen vor enorme Probleme. Wie viel Konfliktstoff mit Minister Thomas de Maizière sehen Sie?

Wenige Flugstunden von hier werden Menschen in furchtbaren Bürgerkriegen abgeschlachtet wie Vieh. Hier müssen wir helfen, alles andere wäre ein humanitäres Versagen. Es ist nicht akzeptabel, wenn beispielsweise die CSU auf diese Situation damit antworten möchte, das Schengen-Abkommen an der Grenze zu Österreich auszusetzen und so wieder Grenzkontrollen in Europa einführen will. Statt einer solchen Abschottungspolitik müssen wir - Bund, Länder und Kommunen - alle Kräfte bündeln, um Flüchtlingen eine Zuflucht zu geben.

Um welche Zahlen geht es dabei?

Im August wurden in Deutschland 15138 Asylanträge gestellt. Die größte Gruppe hierbei waren Flüchtlinge aus Syrien mit 3308 Anträgen. Zum Vergleich: 1,1 Millionen syrische Flüchtlinge leben zur Zeit im Libanon - bei einer Einwohnerzahl von 4,4 Millionen Menschen. Die steigenden Flüchtlingszahlen sind eine Herausforderung. Aber sie dürfen keine Begründung dafür sein, Männer, Frauen und Kinder im Stich zu lassen, die dem Tod entronnen sind.

Sie sind als SPD-Obmann im Parlamentarischen Kontrollgremium auch Geheimdienst-Kontrolleur. Das beinhaltet den Datenschutz. Wie kann dieser verbessert werden?

Die EU-Datenschutzverordnung muss zügig verabschiedet werden. Ich finde die Datensammelwut von großen Konzernen wie zum Beispiel Google oder Facebook genauso beängstigend, wie das, was die NSA offensichtlich über uns sammelt. Da brauchen wir strenge Regeln, an die sich alle Unternehmen, die ihre Dienste in Europa anbieten, zu halten haben. Ich halte es auch nicht für akzeptabel, wenn Firmen allein auf der Grundlage von US-Recht zur Herausgabe von Daten an die Sicherheitsbehörden der USA aufgefordert werden. Auch hier brauchen wir klare Regeln.

Das korrespondiert mit dem IT-Sicherheitsgesetz?

Ja. Wenn vor einigen Wochen bekannt wurde, dass russische Hacker 1,2 Milliarden Passwörter und Kundendaten erbeutet haben, zeigt dies, dass wir unsere Unternehmen stärker verpflichten müssen, ihre Kundendaten besser zu schützen und verschlüsselt zu speichern. Tun sie das nicht, müssen wir sie stärker in Haftung nehmen. Letztlich geht es um den Schutz der Privatsphäre und der Kommunikation unserer Bürgerinnen und Bürger. Das sind elementare Freiheitsrechte, die schon verfassungsbedingt eine freiheitliche Gesellschaft von einem totalitären Staat unterscheiden.

Der IS-Feldzug betrifft Deutschland nicht nur als Waffenlieferanten...

Wir haben es mit einer ganz neuen Dimemsion zu tun. Der islamische Terror im Irak und in Syrien zieht offensichtlich fanatische Glaubensbrüder aus aller Welt an - auch aus Europa und Deutschland. Hier geht es nicht mehr nur um ein paar Versprengte, sondern allein aus Deutschland kommen 400 IS-Kämpfer. Klar ist: Von wem wir wissen, dass er unser Land verlassen will, um sich an Terrorfeldzügen zu beteiligen, muss an der Ausreise gehindert werden. Die rechtlichen Möglichkeiten haben wir. Sollte es hier noch gesetzliche Lücken geben, was derzeit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe untersucht, werden wir sie schließen.

"IS-Rückkehrer stehen unter Beobachtung."

Zurückkehrende Dschihadisten sind ein zusätzliches Problem. Wie ist diesem Ihrer Meinung nach beizukommen?

Rückkehrer, die sich strafbar gemacht haben, werden die volle Härte unseres Strafrechts zu spüren bekommen. Und jeder Rückkehrer muss wissen: Er steht unter Beobachtung unserer Dienste. Denn niemand kann ausschließen, dass diese Fanatiker auch bei uns Terroranschläge planen. Das Verbot des IS durch den Bundesinnenminister war richtig und macht deutlich: Auch wer bei uns für den IS wirbt oder gar neue Kämpfer rekrutieren will, bekommt unseren Rechtsstaat zu spüren. Und schließlich müssen wir dafür sorgen, dass sich Jugendliche erst gar nicht radikalisieren. Prävention tut not.

Die jüngsten Wahlergebnisse in Ostdeutschland zeigen: Wer mehr Sicherheit verspricht, hat beim Volk gute Karten. Wo setzen Sie hier an?

Zunächst einmal: Deutschland versinkt sicher nicht in Kriminalität. Aber in Zukunft müssen wir uns noch stärker der Alltagskriminalität widmen. Wenn im vergangenen Jahr deutschlandweit fast 150000 Wohnungseinbrüche verübt wurden, dann beeinträchtigt das die Lebensqualität vieler Menschen. Oft leiden sie noch lange unter Ohnmachtsgefühlen, Panikattacken oder Schlaflosigkeit. Häufig haben wir es hier mit gut ausgerüsteten, bestens vernetzten und grenzüberschreitenden Diebesbanden zu tun. Diesem neuen Typ Einbrecher müssen wir jetzt auch eine andere Polizeiarbeit entgegensetzen. Dafür brauchen wir neben Schwerpunktbehörden, die vor Ort ermitteln, auch eine bessere regionale und internationale Zusammenarbeit der Polizei, um insbesondere den Hintermännern auf die Spur zu kommen.

Sie sind nicht nur Bundestagsabgeordneter, sondern auch SPD-Stadtrat in Magdeburg. Wie lässt sich das mit der künftigen Aufgabe vereinbaren?

Die Arbeit im Stadtrat will ich nicht missen. Denn die Kommunalpolitik ist das Zentrum der Politik. Die meisten Menschen, die mich um Hilfe bitten, haben ein kommunalpolitisches Anliegen: Ein neuer Spielplatz, die Sanierung einer Kita oder die Beseitigung einer Dreckecke. Da zu helfen, statt weit weg in Berlin zu sitzen - das macht mir Freude.