1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wer zu wenig Punkte sammelt, darf nicht mehr einwandern

Dänemark verschärft weiter seine Immigrationsregeln Wer zu wenig Punkte sammelt, darf nicht mehr einwandern

22.11.2010, 04:19

Von Thomas Borchert

Wer bringt mehr als zugewanderter Ehepartner für die dänische Gesellschaft: die Teilzeit-Krankenschwester aus Brasilien, Bauerntöchter aus Anatolien oder der US-Professor? Die für ihre scharfe Ausländerpolitik bekannte Mitterechtsregierung Dänemarks hat für sich eine klare Antwort gegeben und Regierungschef Lars Løkke Rasmussen will damit nächstes Jahr in den Wahlkampf ziehen.

Mit einem für Europa neuen Punktsystem verschärft Dänemark seine Zuwanderungsregeln weiter: Als Ehepartner aus dem Ausland darf nur noch kommen, wer genug Punkte auf einer Nutzwert-Liste sammelt.

Ihr neues Punktsystem für Familienzusammenführung soll akademischer Spitzen-Arbeitskraft den Weg zum Eheglück in Dänemark erleichtern und baut massive neue Hürden für Normalbürger auf. So gut wie dicht sind künftig die dänischen Grenzen für den Nachzug von Ehepartnern mit geringem Bildungsstand.

"Natürlich ist das eine Verschärfung", sagte Integrationsministerin Birthe Rønn Hornbech bei der Vorstellung des Punktsystems. Wer keinen Job habe, keine Ausbildung und keine Sprachkenntnisse, der komme als ausländischer Ehepartner eben nicht mehr nach Dänemark herein. Basta. Dass es hier vor allem um eine neue Barriere für den Familiennachzug aus Ländern wie der Türkei oder Pakistan ging, sagte die Ministerin aber doch nicht ausdrücklich.

Das übernahm die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DVP), seit fast zehn Jahren als Mehrheitsbeschafferin der Regierung die treibende Kraft hinter Dänemarks Ausländerpolitik. "Andere in Europa werden uns folgen, wie sie uns seit 2002 bei unseren Schritten gefolgt sind", sagte sichtlich zufrieden Vize-Parteichef Peter Skaarup.

Dabei schien nach fast zehn Jahren mit immer neuen Verschärfungen der dänischen Zuwanderungsregeln die Luft raus zu sein aus dem "Ausländerthema". Drei Wahlkämpfe in Folge hat das bürgerliche Lager damit gewonnen. Inzwischen aber machen sich die 5,5 Millionen Dänen wieder mehr Sorgen um wacklig gewordene Arbeitsplätze und Sparzwänge in ihren Krankenhäusern als um eine drohende Unterwanderung durch Muslime.

Vor allem wegen der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme, aber auch durch den unvermeidlichen Verschleiß nach neun Jahren Regierung ist Rasmussen in den Umfragen immer tiefer nach unten gesackt. Seit anderthalb Jahren im Amt, ist der Nachfolger und Namensvetter des jetzigen Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen blass und profillos geblieben.

Bei den Verhandlungen um die Stimmen der DVP für den Haushalt scheint dann mit der Einigung auf das Punktsystem die Entscheidung gefallen zu sein, mit welchem Thema das Regierungslager in den nächstes Jahr bevorstehenden Wahlkampf ziehen will. "Taktisches Wahlkampf-Kalkül" nennt "Information" das neue Punktsystem. Denn heftiger Streit ist vorprogrammiert.

Dass in Dänemark künftig Liebes-Entscheidungen von Staatsentscheidungen über den "praktischen Nutzen" eines Menschen abhängig gemacht werden sollen, empört die linke Einheitsliste. Sie spricht von "sozialer Apartheid". Der Regisseur und Schauspieler Morten Grunwald ("Benny" aus der "Olsen-Bande") meinte in "Politiken": "Wenn man Liebe und praktischen Nutzen für die Gesellschaft so zusammenwirft, erinnert das irgendwie an die Stasi und an faschistische Regime."

Eher praktische Einwände haben manche dänische Unternehmens-Chefs wie Niels Due vom Pumpenhersteller Grundfos: "Dieses Punktsystem ist geschmacklos und wird Dänemarks Ansehen schaden." Vor allem bei den hoch qualifizierten Arbeitskräften, die man doch so gerne anlocken möchte, fügte er sarkastisch im TV-Sender DR hinzu.(dpa)