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Ende eines US-amerikanischen Weltraumprogramms Ein Raumschiff auf Abschiedstournee

Von Uwe Seidenfaden 27.05.2010, 07:16

Gestern endete die letzte Reise der US-Raumfähre Atlantis. Als erste von drei noch funktionstüchtigen Space Shuttle schickt die NASA sie in den erzwungenen Ruhestand. Den beiden Schwesterschiffen, Discovery und Endeavour, wird es schon bald ähnlich gehen. Auch sie werden nach ihren Abschiedstouren in diesem Jahr stillgelegt. So hat es George W. Bush vor sechs Jahren entschieden und so will es auch der amtierende US-Präsident Barack Obama.

Damit geht für die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA eine Ära zu Ende. Sie begann am 12. April 1981 mit dem Start der ersten wiederverwendbaren Raumfähre Columbia – genau 20 Jahre nach dem Start des ersten Menschen ins All (Juri Gagarin). Die Entwickler des Space Shuttles hatten sich von dessen Wiederverwendbarkeit eine Reduzierung der Weltraum-Transportkosten von damals über 20000 US-Dollar auf unter 2000 US-Dollar pro Kilogramm erhofft. Tatsächlich war der technische Aufwand für Reparaturen jedoch so groß, dass dieses Ziel nie erreicht wurde. Statt der geplanten 400 Flüge absolvierte jede Raumfähre im Durchschnitt nur 27. Zwei Raumfähren (Challenger und Columbia) gingen bei Raumflügen im Jahr 1986 und 2003 verloren, wobei 14 Astronauten starben.

Verändert hat sich über die Jahre auch das Einsatzspektrum. Zunächst als Transporter großer kommerzieller und militärischer Satelliten gedacht, dienten die Space Shuttles ab Ende der 1990er Jahre vor allem als Transporter für Bauteile der Internationalen Raumstation.

Jährlich mehr als zwei Milliarden US-Dollar kostete der Unterhalt der US-Raumfähren in den vergangenen Jahren. Gemessen am gesamten NASA-Haushalt von rund 18 Milliarden US-Dollar ist das eine gewaltige Summe. Hinzu kamen technisch unlösbare Sicherheitsprobleme.

Zurück zu den Wurzeln hieß deshalb die Devise bei der NASA ab Januar 2004. Unterstützt vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush wurde das Ende der Shuttle-Flüge nach 2010 und die Rückkehr zum Mond mit herkömmlicher Raketentechnologie bis 2020 beschlossen. Doch mit dem Wechsel im amerikanischen Präsidentenamt vor einem Jahr, der mit der geplatzten Immobilienblase in den USA und der darauf folgenden Wirtschaftskrise zusammenfiel, sanken die Chancen auf baldige Mondsiedlungen. Obama und die Demokraten in Kongress und Senat waren nicht bereit, Entwicklungskosten von 50 Milliarden US-Dollar und Ausgaben von 1,5 Milliarden für jeden einzelnen Mondflug mitzutragen. "Selbst wenn uns der Weihnachsmann das neue Transportsystem schenken würde, aber das Budget für den Betrieb unverändert bliebe, könnten wir es uns nicht leisten", argumentierte Norman Augustine, Chef der Beraterkommission des Präsidenten.

Tausende Jobs gefährdet

In Florida sowie in den Raumfahrtzentren von Alabama, Louisiana und Texas kam die Absage an die Shuttle-Flüge nicht gut an. "Das Ende der Shuttle-Flüge ohne Ersatz könnte für mehr als 8000 Menschen bei der NASA den Jobverlust bedeuten", prognostizierte unlängst die Zeitung "New York Times". Hinzu kommen tausende Beschäftigte in der Zulieferindustrie. In einem offenen Brief wandten sich deshalb 20 aktive und ehemalige Astronauten sowie die einstigen Apollo-Mondflugdirektoren an den Präsidenten mit der Bitte, die Entscheidung zu überdenken. "Wir befürchten, dass unser bemanntes Raumflugprogramm, dass jungen Menschen Inspiration für Technologie, Wissenschaften und Mathematik ist, in die Mittelmäßigkeit abrutscht", warnten sie.

Obama gibt sich bislang unbeeindruckt. Mitte April verteidigte er im Kennedy-Raumfahrtzentrum seine Pläne. Immerhin sehen sie eine Aufstockung des NASA-Budgets um sechs Milliarden Dollar über die kommenden fünf Jahre vor. Davon erwartet der NASA-Chef Charles Bolden mehr unbemannte Satellitenmissionen u.a. zur Erdbeobachtung und zur Erkundung des Sonnensystems. Zugleich soll die Entwicklung neuer Raketen und der Bau privater Raumkapseln gefördert werden.

Wie schnell die US-Industrie in Alleinverantwortung ein neues bemannte Raumschiff entwickeln kann, steht derzeit in den Sternen. Deshalb hat der US-Kongress zunächst der Anmietung von Sitzplätzen in russischen Sojus-Kapseln zugestimmt. Damit sollen US-Astronauten vorübergehend zur Internationalen Raumstation gelangen.

Dessen ungeachtet hat die US-Luftwaffe am 22. April den Shuttle-Nachfolger X-37B gestartet. Das Fluggerät ist allerdings unbemannt. Über die Aufgaben des Mini-Shuttles schweigt das US-Militär. Mutmaßlich könnte X-37B als Expressfrachter für Bomben dienen. Die Manager im Herstellerunternehmen Boeing und im US-Pentagon erhoffen sich eine Kostenreduktion durch weniger technische Wartung als beim Space Shuttle.

Die Zukunft der Shuttle-Raumfähren nach ihrer Ausrangierung ist ungewiss. Ein Space Shuttle hat das Smithsonian Raumfahrt-Museum in Washington D.C. geordert. Die beiden anderen bietet die NASA im Internet für einen Stückpreis von rund 28 Millionen US-Dollar an. Hinzu kommen Zusatzkosten, u. a. für den Abtransport. Möglich ist, dass die US-Raumfähren in Einzelteile zerlegt an den Kunden gebracht werden.