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Burger Frauenhaus hilft in Unglückslagen / Zu Gewalt muss es nicht erst kommen Vom Glück allein zu sein

07.08.2014, 03:12

Seelische und körperliche Gewalt erfährt weltweit jede vierte Frau. Susann Schuster, Leiterin des Burger Frauenhauses, weiß, dass viele Opfer allein nicht den Ausweg aus ihrer Notlage finden. Die Geschichte einer ehemaligen Bewohnerin soll anderen Frauen die Angst nehmen, sich zu befreien.

Burg l Claudia R.* ist mutig. Sie hat es geschafft, ihren Partner zu verlassen, eine eigene Wohnung zu finden und ihre Angst vor dem Alleinsein abzulegen. Der Weg dorthin dauerte drei Jahre und kostete die 51-Jährige eine Menge Kraft, die sie ohne das Frauenhaus in Burg nicht hätte sammeln können.

Susann Schuster, Leiterin der DRK-Einrichtung, erinnert sich: "Claudia R. kam schon innerlich aufgeräumt zu uns." Da hatte sie bereits zwei Wochen Aufenthalt in der Klinik für Psychiatrie in Jerichow hinter sich. Immer wieder sollte sie in der Therapie laut aussprechen: "Ich werde ihn verlassen."

Der Weg dorthin war steinig. "Aber als auch an unserem dritten Jahrestag keine Aufmerksamkeit kam, habe ich begonnen zu packen", erzählt Claudia R., die von ihrem Freund weder zu Weihnachten noch zu ihrem Geburtstag etwas geschenkt bekam. Sie räumte den Kleiderschrank leer. Ihre Tochter wollte wissen, was los wäre und hörte ihre Mutter endlich sagen: "Ich will hier weg." Die erwachsene Tochter, die aus der ersten Ehe stammt, riet ihr zum Klinikaufenthalt. Sie hatte Angst um ihre Mutter. Sätze wie "Mama, dieser Mann tut dir nicht gut" hatte Claudia R. bis dahin ignoriert. "Ich war suizidgefährdet", erklärt die 51-Jährige heute und blickt auf ihre Tasse Kaffee.

Er beachtet sie überhaupt nicht, schenkt keine Liebe

Beim gemeinsamen Frühstück mit dem Partner freute sie sich schon, überhaupt eine Tasse Kaffee zu bekommen. "Ansonsten hat er mich nicht beachtet", erzählt sie. Während sie zusammen aßen, rauchte er, starrte auf den Laptop. Claudia R. hielt die Wohnung sauber, er verbrachte den ganzen Tag im Internet. Ihre Tochter fand Mails an minderjährige Mädchen, Unterhaltungen im Netz mit anderen Frauen, denen er schrieb. "Ich liebe dich."

Solche Worte hörte Claudia R. von ihrem Partner nicht. "Ich habe nur um ihn herum geputzt. Ihr Freund wollte sie fern halten von ihrer Familie, von ihren Freundinnen. "Mein Enkelkind habe ich zum Schluss gar nicht mehr gesehen."

"Ich habe alles gemacht, damit er glücklich ist und wurde selbst immer unglücklicher", gesteht sie sich jetzt - fünf Monate nach der Trennung - ein.

Dabei war ihr der Mann beim ersten Kontakt sofort sympathisch. Übers Internet haben sich die beiden Burger kennengelernt. "Wir haben uns beim ersten Treffen so unterhalten, als würden wir uns schon Jahre kennen", erinnert sich Claudia R.

Doch das Gefühl der Vertrautheit wich bald einem Gefühl des Kontrolliertwerdens. "Nachts habe ich nur geweint", gesteht sie.

Frauenhaus gibt Sicherheit und Geborgenheit

Als sie eines der sechs Zimmer im Burger Frauenhaus bezog, waren es Kleinigkeiten, die sie "richtig glücklich" machten. "Ich konnte endlich im Fernsehen einschalten, was ich wollte. Keiner machte mir Vorschriften", sagt Claudia R., die vier Wochen im Burger Frauenhaus Unterschlupf fand. An einem Dienstag im April kam sie im Frauenhaus an. "Am Wochenende traute ich mich das erste Mal aus meinem Zimmer", berichtet die 51-Jährige.

Sie vertraute sich den anderen Frauen und den drei Mitarbeiterinnen der Einrichtung an. "Mein Partner hat mich emotional verhungern lassen." Zu dieser Erkenntnis kommt die sie nach der Trennung im Frauenhaus.

"Nicht nur körperliche Gewalt ist ein Zeichen von häuslicher Gewalt", stellt Susann Schuster vom Frauenhaus klar. Der Fall von Claudia R. zeige, wie sehr diese Generation darauf trainiert sei, Leid zu ertragen. Die meisten Frauen, die Hilfe suchten, seien wesentlich jünger. Die Älteren bräuchten im Schnitt viel länger, um sich aus der "häuslichen Gefangenschaft" zu befreien, weiß Schuster. "Psychischer Druck und keine Wertschätzung der eigenen Person sind ein klarer Grund, einen Partner zu verlassen", erklärt sie.

"Wie viele blaue Flecken muss ich haben? Bin ich wirklich ein Fall für das Frauenhaus?" Solche Fragen habe auch Claudia R. sich gestellt. Dank der Betreuung im Frauenhaus weiß sie jetzt, auch seelische Gewalt ist Misshandlung. Mit Hilfe des Frauenhauses und des Weißen Rings hat sie es geschafft, aus der Wohnung, die sie mit dem Partner teilte, auszuziehen und wieder von vorn anzufangen.

Sie möchte anderen Frauen Mut machen, eine Trennung zu wagen und die Angst vorm Alleinsein zu überwinden.

In ihrer neuen Wohnung ist sie nicht ganz allein. Zwei Katzen hat sie aufgenommen. Auch im Frauenhaus leben zwei Katzen. "Die tun den Bewohnerinnen gut", sagt Susann Schuster. Die beiden Stubentiger sorgen dafür, dass die Bewohner zur Ruhe kommen, schenken Zuneigung.

Claudia R. helfen die Katzen, ihren Tag zu meistern. "Ich kann nicht einfach liegen bleiben, wenn die beiden Hunger haben." Sie füttert sie gern. Die Schmuseeinheiten sind der Dank für ihre Aufmerksamkeit. Eine Partnerschaft mit einem Mann will sie vorerst nicht wieder eingehen.

* Den Namen und die Details der Lebensgeschichte hat die Redaktion bewusst zum Schutz der Frau verändert.