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Dr. Hanna Miska liest in Biederitz aus ihrem erschütternden Buch "So weit wie möglich weg von hier " / Premiere am 28. Mai mit Genscher Sinnbild für jede Art von Diskriminierung, egal wo auf der Welt

31.01.2015, 01:28

Der Biederitzer Regenbogenverein mit ihrer Vorsitzenden Roswitha Huber und die ehrenamtliche Bibliotheksleiterin Jutta Damm hatten zu einer außergewöhnlichen Buchlesung in das Foyer des Biederitzer Rathauses eingeladen. Dr. Hannah Miska las mit ihrer in Biederitz lebenden Schwester Christine Leithold aus ihrem Buch "So weit wie möglich weg von hier. Von Europa nach Melbourne, Holocaust-Überlebende erzählen."

Von Martin Anselm

Biederitz l Die Lesung begann mit der Einspielung der Musik-CD "Chronos" des David Orlowsky Trios und bezeichnet in der griechischen Mythologie den Gott der Zeit und symbolisiert den Ablauf der Zeit und auch die Lebenszeit. Und um diese Lebenszeit geht es auch in dem Buch von Hannah Miska.

Sie erzählt die Biografien jüdischer Frauen und Männer polnischer, litauischer, ungarischer, tschechischer, belgischer und deutscher Herkunft, die nach dem Ende des Krieges nach Australien gingen.

Hannah Miska promovierte in Psychologie und arbeitete im Human Resource Management (Personalmanagement) in Deutschland, Singapore und Hong Kong. Sie lebte von 2003 bis 2010 in Australien und ist Auslandskorrespondentin für die "Jüdische Allgemeine" Berlin. Außerdem arbeitet sie als ehrenamtliche Mitarbeiterin und Consultant beim Jewish Holocaust Centre Melbourne und lebt inzwischen wieder in Deutschland.

2003 zog sie nach Melbourne. Die Autorin lernte hier Pauline Rockman, die Präsidentin des "Jewish Holocaust Museum and Research Centre" in Melbourne kennen, deren Familie Magdeburger Wurzeln hat. Das Museum wurde 1984 von Überlebenden des Holocaust gegründet. Durch ihre Arbeit im Centre hatte Dr. Miska Gelegenheit, zahlreiche Überlebende des Holocaust kennenzulernen und Interviews mit ihnen zu führen.

In dem Museum lernte sie auch Wilhelm Lermer kennen, dessen Lebens- und Leidensgeschichte sie in der Regenbogenbibliothek vorliest.

Wilhelm wird 1923 als Sohn einer jüdisch-polnischen Familie geboren. Sein Vater betreibt dort gemeinsam mit seinem Bruder eine Likörbrennerei und das Geschäft ist erfolgreich. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 musste die Familie ihr Geschäft aufgeben und im selben Jahr wurde auch seine Schwester Dusia geboren.

Einige Jahre später eröffnete die Familie ein koscheres Restaurant. "Meine Mutter hat gekocht und mein Vater hat das Essen serviert, die beiden haben schwer gearbeitet", berichtete Wilhelm. Am 1. September 1939 greift die deutsche Wehrmacht Polen an und besetzte innerhalb einer Woche Krakau. Polen wird nun zwischen Hitler und Stalin aufgeteilt. "Das Leben wurde schlagartig sehr schwierig für uns. Jeden Tag haben die Deutschen neue antijüdische Gesetze verkündet".

Ab Mai 1940 beginnen die Deutschen, die Juden aus der Stadt zu jagen. Mehr als 40 000 Juden werden aus Krakau vertrieben. Die restlichen 11 000 Juden müssen in das umzäunte Judenviertel ziehen. Es war nicht größer als 400 mal 600 Meter.

"Im August 1940 wurde meinen Eltern das Restaurant weggenommen, ein Volksdeutscher übernahm das, natürlich ohne irgendeinen finanziellen Ausgleich", erzählt Wilhelm. Im jüdischen Viertel musste sich die Familie eine Wohnung mit drei anderen Familien teilen und erhielt später die Erlaubnis, in das etwa 35 Kilometer entfernte Haus der Großmutter nach Mys`lenice zu ziehen. Alle Juden mussten sich beim Judenrat registrieren lassen und bekamen eine Arbeit zugewiesen. Wilhelm wurde in ein Arbeitslager nach Paszów, einem Vorort von Krakau, verbracht.

Hier hörte er, dass alle Juden aus Myslenice in den Osten evakuiert werden sollten, um dort auf Bauernhöfen für die Versorgung der Wehrmacht zu arbeiten. Wilhelm erhielt einen Eintagespass, um seine Familie noch einmal zu sehen. Kurz vor der Stadt wird Wilhelm von zwei Polen gewarnt in die Stadt zu gehen, da die SS jeden Juden in den Zug verladen oder kurzerhand erschießen würde. Wilhelm kehrte um und erhielt wenig später eine Postkarte von den Eltern. "Sie schrieben, dass sie sich ihrem Ziel nähern würden und wohlauf seien und versprachen, ausführlich zu schreiben, sobald sie auf dem Bauernhof wären". Wilhelm hörte nie wieder von seiner Familie.

Wilhelm Lermer ist bis heute als Vertreter der Guides (Ratgeber) im Vorstand des Museums und sagt: "Ich möchte den Schülern beibringen, diese tödliche Krankheit zu vermeiden, die um die Welt geht: den Hass".

Hannha Miska beschreibt den unmenschlichen Leidenswegen der Juden und die Schicksale von Überlebenden der Shoa während und nach der Nazi-Zeit. "Da allein die Zahl von sechs Millionen toter Juden des systematischen Völkermordes außerhalb jeder denkbaren Vorstellung liegt, sind die authentischen und bewegenden dramatischen Einzelschicksale und persönliche Geschichten der Betroffenen sinnbildlich für jede Art von Diskriminierung bis heute. Egal ,wo auf der Welt, so Hannha Miska.

"Die vorliegenden Lebenserinnerungen machen deutlich, wie wichtig Mut und Zivilcourage, Toleranz und Dialog in einer zunehmend diversifizierten Gesellschaft sind. Das galt gestern so wie heute", schrieb Bundesminister a.D. Hans-Dietrich Genscher in seinem Geleitwort zu diesem Buch.

Die offizielle Buchpremiere findet am 28.Mai in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin statt, zu der auch Hans-Dietrich Genscher sprechen wird.

Das Buch von Hannah Miska "So weit wie möglich weg von hier" ist im Mitteldeutschen Verlag in Halle unter ISBN 978-3-95462-292-4 erschienen.