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  7. Jobcenter-Mitarbeiterin beschimpft und geschubst

Amtsgericht Gardelegen stellt Verfahren gegen mehrfach vorbestraften Mann unter Auflagen ein Jobcenter-Mitarbeiterin beschimpft und geschubst

Von Alexander Walter 17.04.2013, 03:17

Weil er eine Mitarbeiterin des Jobcenters Klötze beschimpft und geschubst hat, stand ein Angeklagter vor dem Amtsgericht Gardelegen. Trotz mehrerer Vorstrafen wurde das Verfahren eingestellt.

Gardelegen l Christian L. (Namen geändert) kommt mit gesenktem Kopf in den Gerichtssaal. Der junge Mann trägt eine Bomberjacke und kurz geschorene Haare. Wortlos hört er sich die Anklageschrift an.

Vorgeworfen wird dem gebürtigen Gifhorner, am Vormittag des 25. Juni 2006 Sabine T., Mitarbeiterin des Jobcenters Klötze, als "alte Tussi", "blöde Kuh" und "Schlampe" beschimpft zu haben. Doch nicht nur das. Nach dem Wortgefecht soll L. die Mitarbeiterin mit einer Akte ins Gesicht geschlagen und nach hinten geschubst haben.

"Stimmt das?", will Richter Axel Bormann wissen. "Ich gebe das alles zu", antwortet der Angeklagte. Nur die Akte habe er der Mitarbeiterin nicht ins Gesicht geschlagen, sondern damit geworfen.

Richter Bormann zeigt sich erstaunt. Der Polizei gegenüber hatte der Angeklagte die Tat so bislang nicht eingeräumt. Warum er denn überhaupt ins Jobcenter gegangen sei, hakt Bormann nach. "Ich wollte Hilfe", sagt der 26-Jährige. Es sei ihm nicht um Hartz-IV gegangen. Er habe eine Wohnung gebraucht, weil er in Klötze eine Freundin gehabt habe, zu diesem Zeitpunkt aber obdachlos war. Doch statt ihm zu helfen, habe Sabine T. einfach nur gesagt, er könne 15 Euro Tagessatz für Obdachlose haben. Dass man ihm nicht helfen wollte, damit sei er nicht einverstanden gewesen. Deshalb habe er Sabine T. beschimpft, mit der Akte beschmissen und schließlich geschubst.

Axel Bormann hat zum Tathergang erst einmal genug gehört. "Was sind Sie denn für einer?", fragt er den Angeklagten. Christian L. blickt wieder nach unten. Tatsächlich hat er nicht nur die Schule und seine Ausbildung zum Schlosser abgebrochen. Er besitzt auch ein langes Vorstrafenregister und war jahrelang in der rechten Szene aktiv. So stand der junge Mann bereits 2007 wegen Trunkenheit, Fahrens ohne Führerschein sowie Unfallflucht vor Gericht. 2010 folgte eine Verurteilung wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. 2012 wurde er wegen Betrugs, Diebstahls und Fahrens ohne Führerschein erneut verurteilt. Zuletzt stand L. 2013 abermals wegen Fahrens ohne Führerschein in Salzwedel vor Gericht.

"Ich hatte noch nie einen hier sitzen, der mit drei Bewährungsstrafen aufläuft", resümiert Axel Bormann. Er hätte das Verfahren auch so einstellen können, aber die Person hinter dem Fall habe er sich gern selbst ansehen wollen, so der Richter. "Passiert das öfter, dass Sie so böse werden?", fragt er den Angeklagten. Der junge Mann blickt wieder auf den Tisch, faltet die Hände zusammen und atmet tief durch. "Nein, so was wie jetzt ist mir noch gar nicht passiert", sagt er. Bormann lässt nicht locker. "Warum haben Sie sich denn noch nicht bei der Frau entschuldigt?", will er wissen. "Ich habe mich nicht entschuldigt, weil ich dachte, vielleicht möchte die Frau das nicht", antwortet Christian L..

Nun kommt seine Bewährungshelferin ins Spiel. Sie berichtet, L. habe sie im November aus eigenem Antrieb aufgesucht, um seine Bewährungsauflagen zu schaffen. Seitdem sei eine Verbesserung eingetreten. Derzeit leiste L. an seinem neuen Wohnort in Salzwedel freiwillige Arbeit, habe einen strukturierten Tagesablauf. Auch aus der rechten Szene habe er sich inzwischen gelöst. Für die jüngste Auflage eines Anti-Aggressionstrainings, das in Salzwedel nicht angeboten werde, werde sie mit L. ebenfalls eine Lösung finden, sagt die Frau.

Bormann genügen diese Eindrücke. "Wenn ich ehrlich bin, Sie kommen mir ganz schön verstrahlt vor", sagt er zu Christian L.. Im Zweifel, ob dieser sich tatsächlich aus der rechten Szene gelöst hat, empfiehlt er ihm: "Kaufen Sie sich normale Klamotten." Mit Blick auf die Vorverurteilung in Salzwedel stellt Bormann das Verfahren ein. "Das war\'s. Ich hoffe, wir sehen uns nicht wieder", sagt der Richter.