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Ökologische Vorteile beim Einsatz von Pferden: geringe Bodenverdichtung, keine Abgase und kein Lärm Hanni und Nanni satteln auf Holzrücken um

Von Christina Bendigs 08.02.2011, 05:21

Hanni und Nanni dürften den Letzlingern bereits bekannt sein. Die beiden Westfälischen Füchse von Frank Grabau ziehen aber nicht nur Kremser. Im Winter setzt Frank Grabau die Pferde zum Holzrücken ein. Auch am Sonnabend waren Grabau und seine Tochter Diana mit Hanni und Nanni auf der Letzlinger Schweineweide unterwegs. Sie besei- tigten dort Schneebruchholz. Die Pferderückung bringt vor allem ökologische Vorteile, sagt Förster Ralf Pieper.

Letzlingen. Mit einem Ruck setzen sich Hanni und Nanni auf Kommando von Diana Grabau aus Letzlingen in Bewegung. Und dann ist nur noch das dumpfe Aufsetzen der Pferdehufe auf dem Waldboden und das Klimpern der Kette zu hören, an der zwei große Baumstämme befestigt sind. Hanni und Nanni sind zwei Westfälische Füchse, die ihre notwendige Bewegung im Winter durch das Holzrücken bekommen. Dann nämlich hat das Kremserfahren, wofür Frank Grabau die beiden Kaltblüter in den wärmeren Jahreszeiten einsetzt, Saison- pause.

Pferde ziehen bis zu 3000 Kilogramm

Hanni und Nanni sind seit 2004 in der Obhut von Frank Grabau. Nach zwei Jahren waren die Pferdedamen soweit, dass sie für verschiedenste Arbeiten eingesetzt werden konnten. Dazu gehört auch das Holzrücken. Jeden Winter rückt Frank Grabau mit seinen Pferden zirka zehn bis fünfzehn Festmeter Holz. Grabau kam durch seinen Großvater Hermann Steinig darauf, die Kaltblüter zur Holzrückung einzusetzen. Er selbst sei damals zwar nicht dabei gewesen, aber sein Vater kennt das Holzrücken noch aus Großvater Steinigs Zeiten. Frank Grabau hat sich dieser Form der Waldbewirtschaftung wieder angenommen und ist im Großraum Gardelegen einer der wenigen, der sich diesem Handwerk verschrieben hat. "Die Pferde kriegen so auch im Winter ihre Bewegung", erklärt Grabau einen positiven Nebeneffekt. Und Hanni und Nanni können sich wegen der Bewegung auch im Winter regelmäßig über eine Haferportion freuen.

Die notwendigen Fachkenntnisse hat sich Frank Grabau angelesen. Aus alten Büchern und aus dem Internet hat er sich die Informationen beschafft. Im Sauer- und im Siegerland finde das Holzrücken auch gegenwärtig noch Anwendung, erklärt Grabau, der von dieser Möglichkeit der Waldbewirtschaftung fasziniert scheint.

Bevor ein Baumstamm weggezogen werden kann, sind aber einige Arbeitsschritte notwendig. Als erstes wird der Baum mit einer Säge abgelängt. Das heißt, der gefällte oder entwurzelte Baum wird in etwa vier Meter lange Abschnitte zersägt. Das ist der einzige Arbeitsschritt, bei dem am Sonnabend Motorgeräusche erklingen. Ist der Baum zerteilt, können die einzelnen Stücke mit einem Schlepphaken und einer Kette am Geschirr der Pferde befestigt werden. Die Kette wird auf die richtige Länge eingestellt. "Der Abstand sollte nicht länger als 50 Zentimeter sein", damit sich die Stämme beim Schleppen anschließend nicht "in die Erde wühlen", erklärt Grabau.

Und wie schwer dürfen eigentlich die Stämme sein, die Hanni und Nanni ziehen können? Grabau zeigt auf einen Stamm, der zirka 600 Kilogramm wiegt. Seine beiden Pferdedamen wiegen zirka 750 und 800 Kilogramm. Sie dürfen maximal das doppelte ihres eigenen Körpergewichtes ziehen – zusammen also zirka 3000 Kilogramm. Das sei gesetzlich vorgeschrieben, berichtet der 47-jährige Letzlinger, der beim Holzrücken ebenfalls die notwendige körperliche Ertüchtigung bekommt. So einfach und gemütlich, wie mancher sich das Holzrücken mit Pferden vielleicht vorstellt, ist es nämlich nicht. Die beiden Pferdedamen legen trotz der Last ein zügiges Tempo vor.

Diana Grabau findet Ausgleich im Wald

Frank Grabau beseitigt mit seinen Pferden derzeit Schneebruchschäden auf der Letzlinger Schweineweide, einem Waldstück hinter dem Ortsausgang in Richtung Born, das als Separationsfläche jetzt von der Stadt Gardelegen verwaltet wird und vor dem 1. Januar von der Gemeinde Letzlingen verwaltet wurde.

Wenn Grabau dort unterwegs ist, ist nicht nur Bordercollie-Hündin Finchen mit dabei, die ausgelassen neben den Pferden tollt, sondern auch seine Tochter Diana Grabau. Die 22-Jährige hat mit 18 Jahren angefangen, Holz zu rücken. Für sie ist es zum einen die Möglichkeit, gemeinsam etwas mit ihrem Vater zu unternehmen. Aber Diana Grabau ist auch gern in der Natur. "Ich sitze die ganze Woche in der Schule", erzählt die Auszubildende, die den Beruf der Altenpflegerin erlernt. "Andere gehen zum Ausgleich ins Fitnessstudio", sie selbst hingegen geht mit ihrem Vater zum Holzrücken. "Und ein bisschen Adrenalin ist auch dabei", sagt sie. Aber auch sicherheitstechnische Gründe spielen eine Rolle. "Wenn wirklich mal etwas passiert, ist jemand da, der Hilfe holen kann", sagt Diana Grabau.

Die Pferde hat die 22-Jährige gut im Griff. Mit den Kommandos Vor, Zurück, Links und Rechts steuert auch sie Hanni und Nanni sicher durch den Wald. Anhand ihrer Stimmlage kann sie auch das Tempo bestimmen, mit dem die Pferde die Gassen in dem Waldstück passieren. Das ist auch wichtig. Denn schon ein kleiner Fehler kann beim Holzrücken mit blauen Flecken bestraft werden.

Die Holzrückung mit Pferden fand bis zur politischen Wende auch in der Region rund um Letzlingen umfangreiche Anwendung, berichtet Revierförster Ralf Pieper. Grund sei damals allerdings die fehlende technische Ausrüstung gewesen. In Zeiten des Harvesters, einer Maschine, mit der Holz schnell gefällt und gerückt werden kann, ist die Pferderückung aus der Mode gekommen. Ralf Pieper sagt, die Holzrückung mit Pferden biete zwar viele Vorteile, aber auch Nachteile. "Unter ökologischen Aspekten ist die Pferderückung das Maß aller Dinge", sagt er. Denn bei der Pferderückung sei die Bodenverdichtung gering, es gelangen keine Abgase in die Luft, es bestehe keine Lärmbelästigung, und der Waldboden werde gedüngt, zählt Pieper die Vorteile auf.

Nachteil sei die Wirtschaftlichkeit. Mit Pferden sei lediglich eine überschaubare Menge Holz zu bewegen, sagt er. Nur mit Pferden zu rücken, sei deshalb nicht finanzierbar, zumal es ganz ohne Maschinen eben doch nicht geht. Mit Pferden kann das Holz zum Beispiel nicht aufgeschichtet werden. Vorstellbar sei allerdings aus Sicht von Ralf Pieper, vor allem nach der Novellierung des Landeswald- gesetzes im vergangenen Jahr, in dem mehr Nachhaltigkeit gefordert wird, eine Kombination aus maschinellen Rückeverfahren und Rücke- verfahren mit Pferden.

Einsatz von Pferden sei wünschenswert

Derzeit sind die Wälder der Region in ein 20-Meter-Gassensystem gegliedert. Das bedeutet, alle zwanzig Meter gibt es einen schmalen Weg, der vom Harvester befahren werden kann. Die Reichweite des Harvesters beträgt zirka zehn Meter. Bei einer Kombination aus Pferd und Maschine könnte der Gassenabstand auf 40 Meter erhöht werden. Der Bereich in der Mitte zweier Gassen könnte dann motormanuell zugefällt werden und das Holz mit Pferden in die Randbereiche gerückt werden, an die dann auch die Maschinen herankommen, erläutert Pieper. Allerdings müsste eine Lösung gefunden werden, mit der auch ökonomisch gearbeitet werden kann. Grabau habe Pieper schon oft darauf angesprochen. Der Auftrag auf der Letzlinger Schweineweide beinhaltet lediglich die Verkehrssicherung. Wege sollen beräumt und gefährliche Bäume beseitigt werden. Aus dem gerückten Holz will Frank Grabau sich dann Brennholz werben, das er zu marktüblichen Preisen erhält. Für Ralf Pieper wäre es wünschenswert, wenn die Pferderückung wieder verstärkt Anwendung finden würde.