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Industriegeschichte am Kanal und darüber hinaus - Teil 2 Henkel wird Genthiner, weil Parey nicht will

Von Otto Schulze 15.08.2013, 01:08

Einen kurzen Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung der letzten rund hundert Jahre in Genthin widmet sich Ortschronist Otto Schulze.

Genthin l Paul Stolte, der 1886 seine Zementfabrik gegründet hatte, verkaufte das Gelände am Kanal. 1920 zogen die Metallwerke ein, nach deren Konkurs die Genthiner Farbwerke, die bis 1936 Bestand hatten. Das Fabrikgebäude kaufte die Bauhütten AG und richtete eine Hanfspinnerei ein. Auch entstand auf dem Gelände eine Kartonfabrik und eine chemische Fabrik. Am 28. November erfolgte beim Amtsgericht eine Eintragung unter der Bezeichnung "Aktiengesellschaft für Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte" Sitz Genthin.

Damit war die Zuckerfabrik in Genthin aus der Taufe gehoben. Diese Fabrik wurde von den deutschen Schokoladenfabrikanten gebaut, um unabhängig vom Syndikat Deutscher Zuckerraffinerien zu sein. Die Zuckerfabrik war die größte in Deutschland.

In der Rübenkampagne von Oktober bis Januar wurden zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Die Zeit war für viele Siedler und Kleinbauern günstig. Die Ernte war geborgen, die Frau machte die Wirtschaft und Vater ging Geld verdienen.

1920 gründete Wilhelm Feldheim eine Mühle, die von Elektromotoren getrieben wurde und baute in der Moltkestraße (heute August-Bebel-Straße) einen großen Speicher. Gleichfalls baute Herr Kajahn auch einen Speicher an der Bahnlinie zum Sägewerk Sporkenbach in der Gasanstaltstraße (heute Straße der Freundschaft). Einen dritten Speicher baute die Zentralgenossenschaft in der Ziegeleistraße. Zu dieser Zeit spielte die Speicherwirtschaft noch eine große Rolle.

1935 schlossen sich 26 Kolonialwaren-Lebensmittel- sowie Gemischtwarenhändler unter dem Namen Edeka Genossenschaft Genthin (Edeka Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler) zu einer Genossenschaft zusammen. Sie bauten ihr Handelshaus auf dem Stolteschen Gelände Hafenstraße (heute Geschwister-Scholl-Straße), Ecke Mühlenstraße, genau neben dem Büro- und Wohnhaus von ehemals Stolte, welches unter dem Namen "Zementvilla" bekannt ist. Heute ist die Wohnungsbaugenossenschaft "Frohe Zukunft" in der Villa untergebracht. In der wohnte auch mal der Landrat Paul Albrecht, im Amt von 1945 bis 1948.

Zwei große Betriebe hatte unsere Stadt. Einmal Henkel, der 1921 in unsere Stadt kam. Eigentlich hatte Henkel Parey im Visier. Die Pareyer lehnten ab, mit der Begründung: "Wir wollen keine Proleten in unserem Ort". Das gleiche geschah in der Stadt Jerichow. Genthins Bürgermeister Struß erfuhr davon und machte Henkel den Vorschlag, nach Genthin zu kommen. Genthin hatte einen günstigen Transportweg nach Berlin und Magdeburg zu bieten. Wir hatten die Wasserstraße, die Fernverkehrsstraße 1 und nicht zuletzt die Eisenbahn. Dazu kam, dass Genthin auch in seinem Umland genügend Arbeitskräfte bereit stellen konnte. Als Henkel sich hier in unserer Stadt niederließ, vergrößerte sich die Stadt. Es wurde gebaut. Der Akazienweg entstand sowie die Richard-Wagner-Straße und die Henkelstraße, die heute Rudolf-Breitscheid-Straße heißt.

Als zweiter großer Betrieb kam 1934 Silva und baute im Liesewald in Altenplathow ein großes Munitionswerk. Auch mit diesem Betrieb wuchs die Stadt. Es entstand nicht nur das Werk, es wurde auch die Silvasiedlung mit 37 Häusern gebaut. Alle Wohnungen hatten einen kleinen Garten. Auch gab es von der Siedlung einen schönen breiten Radweg, der bis zum Werkstor führte.

Beide Großbetriebe taten der Infrastruktur gut. Es wurde in Genthin Geld verdient, dass in der Stadt und dem Umland größtenteils verblieb. Es hatte ja kaum einer ein Auto, um schnell nach Magdeburg oder Brandenburg zu fahren. Wenn der Krieg mit seinen Auswirkungen bis heute nicht gewesen wäre, wäre Genthin noch heute eine blühende Stadt, in der es sich gut leben ließ.