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280 Zuhörer erleben letzten Vortrag in der Reihe GenerationenHochschule vor der Sommerpause Vom Leben und Sterben des "Retters von Wernigerode"

18.06.2013, 01:21

Wernigerode (im) l Anlässlich des 125. Geburtstages von Gustav Petri hat sich die jüngste Vorlesung der Reihe GenerationenHochschule dem Retter von Wernigerode gewidmet.

Knapp 280 Geschichtsinteressierte erschienen laut Pressesprecher Andreas Schneider auf dem Campus im Stadtteil Hasserode, um dem Theologen und Pädagogen Peter Lehmann zu lauschen. Unter dem Titel "geachtet - geleugnet - geehrt" referierte der einstige Pfarrer über den Lebensweg des Obersts und zeigte auf, wie dieser im nationalsozialistischen Reich zu einer Gewissensentscheidung und Befehlsverweigerung gelangte, die ihn das Leben kostete. Viele andere Menschen sowie die Stadt Wernigerode wurden durch ihn jedoch gerettet.

Lehmann beleuchtete Petris junge Jahre in Gießen und erklärte, wie dieser nach einer kaufmännischen Ausbildung den Familienbetrieb - ein Tabakgeschäft - führte und den Militärdienst absolvierte. Die Teilnahme am ersten Weltkrieg brachte ihm militärische Ehren ein. Sein "preußisches Denken" veranlasste ihn dazu, die Niederlage als persönlichen Verlust zu betrachten. Als Verfechter der Monarchie war der Versailler Vertrag in seinen Augen inakzeptabel.

Befehlsverweigerung kostet Oberst Gustav Petri das Leben

Obwohl kein Freund der Nationalsozialisten, trat er - durch und durch Soldat - 1936 in den Dienst der Wehrmacht. Im April 1945 wurde er über Göttingen bis in den Harz zurückgedrängt. Er lernte die "Amerikanische Vorgehensweise" kennen: Jede Stadt, die Widerstand leistete, wurde in Schutt und Asche gelegt und erst dann besetzt. Als der Befehl zur Verteidigung Wernigerodes eintraf, musste der Offizier mit dem Herzen entscheiden und verweigerte. In der Nacht da-rauf wurde er von der Waffen-SS abgeholt und nie wieder gesehen. Wo er standrechtlich hingerichtet und bestattet wurde, ist bis heute unbekannt.

Im zweiten Vortragsteil widmete sich Peter Lehmann den geschichtlichen Auswirkungen der Befehlsverweigerung. Er zeigte damit auf, wie politische, ideologische und zeitgeschichtliche Verflechtungen den Blick auf den Wehrmachtsoffizier beeinflusst haben. Über viele Jahre hinweg wurde die mutige Tat Petris geleugnet. Eine Pension für die Witwe wurde bis 1958 verwehrt. "Zu Recht erschossen", lautete eine Antwort auf den Wiedergutmachungsantrag. Eine Sichtweise, die sich bis heute gewandelt hat. Eine Plakette auf dem Marktplatz ehrt Petri als "Retter von Wernigerode". In Kooperation mit umliegenden Gemeinden wurden mehrere Gedenkstätten zu seinen Ehren errichtet.

Persönliche Tagebücher liegen lange unentdeckt beim Sohn

Bei seinen Ausführungen stützte sich Lehmann auch auf das Petri-Archiv im Stadtarchiv von Wernigerode, das rund 280 Briefe, Dokumente und Notizen enthält. Auch internationale Unterlagen sowie die Tagebücher Petris, die lange unentdeckt in der Wohnung seines Sohnes schlummerten, nutzte der gebürtige Thüringer und ließ Gustav Petri so im Kontext seiner Zeit als Mensch erlebbar werden.

Die GenerationenHochschule geht laut Schneider jetzt in die Sommerpause. Die nächste Vorlesung findet am Dienstag, dem 3. September, von 17 bis 19 Uhr statt. Dann spricht Dr. Hans-Thomas Kropp, Fachanwalt für Agrarrecht in Magdeburg, zum Thema "Ging es bei der Umgestaltung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nach 1990 gerecht zu?". Die Teilnahme ist kostenfrei. Es ist lediglich eine Registrierung zu jeder Vorlesung unter www.generationenhochschule.de nötig.