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Vor 200 Jahren kämpften unsere Vorfahren an der Seite Rußlands gegen Napoleon Mit Mist vor den Toren trat Neuhaldensleben den Franzosen entgegen

Von Herbert Riebau 10.02.2014, 01:29

Die Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Preußen 1813/14 und 1815 gingen als Befreiungskriege in die Geschichte ein. Am 1. Mai 1814 wurde in Hundisburg ein Friedensfest gefeiert. Vom 2. bis 4. Mai sollen Veranstaltungen in Hundisburg an dieses Ereignis erinnern. Heute ein Blick in die Geschichte.

Haldensleben l In Haldensleben war die Bedrohung während der Befreiungskriege am deutlichsten zu spüren. So war am 23. April 1813 überraschend eine Kosakeneinheit in Neuhaldensleben erschienen und hatte dort Verpflegung und Geld requirieren lassen. Nachdem weitere russische und preußische Truppen in Haldensleben Station machten, erschienen am 25. Mai Reiter des Lützower Freikorps. Nach dem Waffenstillstand wurde es friedlicher, obwohl Abgaben an die Festung Magdeburg zu entrichten waren. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig wurde Magdeburg von den Verbündeten belagert.

Wie es Neuhaldensleben bis zur Kapitulation der Festung erging, ist folgender Beschreibung zu entnehmen: "... Unterdes hatte sich auch ein russisches Korps ... zur Blockade der von den Franzosen besetzten Festung Magdeburg zu Frohse und Schönebeck aufgestellt. Dasselbe verlies aber unsere Gegend am 11. Dezember, um nach Hamburg zu gehen. An seine Stelle zogen zwei kleine preußische und russische Korps herein und besetzten Schönebeck und Wolmirstedt, wovon das eine jedoch nicht verhindern konnte, dass letzterer Ort noch ein paar Mal überfallen und genommen wurde."

"... Auf Veranlassung dieser Behörde wurden nun am 17. Dezember alle jungen Männer von 18 bis 41 Jahren aufgerufen, freiwillig an der Errettung des Vaterlandes teilzunehmen ... Demnächst fing man an, eine ordentliche Landwehr einzurichten und auch die Vorbereitungen zum Landsturm dadurch zu treffen, dass alle Orte Lärmstangen und Wachen dabei einrichten und alle Männer sich mit Piken versehen mussten. Da man immer noch Ausfällen der Franzosen aus Magdeburg ausgesetzt war und Neuhaldensleben sich jeden Tag erwären musste, so ließ man sechs Wochen lang alle Morgen noch in der Dunkelheit bei strenger Witterung das Vieh austreiben und auf jener Seite der Ohre in Sicherheit bringen. Die vom Tribunalsrichter Köhler befehligte Kavallerie der Bürgergarde unterzog sich dabei willig der steten gefährlichen Patrouillen bis vor Magdeburg hin. Das Drohen der nahen Gefahr stählte den Mut.

Der Beginn des Jahres 1814 schien für Neuhaldensleben verderblich zu werden. Am 4. Januar rückte ein starkes Korps Franzosen aus Magdeburg nach dieser Gegend hin. Alles eilte fort, die Frauen und Kinder mit den besten beweglichen Gütern auf hinter dem Holze gelegene Dörfer als Bülstringen, Satuelle und Süpplingen, sich in Sicherheit zu bringen. Wagen, Karren und Scharen von Fußgängern drängten sich auf jenen Wegen vorwärts. Die streitbaren Männer beschlossen, den Feind zu erwarten und ihr mutiger Anführer Köhler wagte es selbst, da die Feinde schon in Hundisburg plünderten, mit seiner Schar freiwilliger junger Bürger, einen Auszug bis jenseits des Holzes zu tun und dort unter Schwingen der Piken mehr Hinterhalt ahnen als sehen zu lassen. Es schien auch wirklich, als ob der Feind dadurch abgehalten wurde, unsere Stadt zu belästigen, denn er wandte sich gegen Abend nach Klein-Ammensleben hin, biwakierte dort und brachte am folgenden Tage seinen Raub in die Festung zurück. Kühne Männer des Bürgerkorps verfolgten ihn sogar auf dem Rückzuge und machten einige Gefangene.

Vom 5. Januar 1814 an erfreute sich die Gegend der Gegenwart des Landrats Grafen von der Schulenburg-Bodendorf. Die Verwaltungsbehörde der Stadt Neuhaldensleben erhielt eine provisorische Erneuerung, indem unter einstweiliger Beibehaltung der westfälischen Verfassung der Titel Magistrat wiederkehrte und Grubitz zum Bürgermeister ernannt wurde, der Municipalrat aber seinen Namen in Gemeinderat umwandelte.

"Man entwarf einen Plan, wie Magdeburg vom 20. April an näher und näher einzuschließen sei"

Nun wurde zur Verstärkung der Blockade Magdeburgs ein Landsturm, wozu alle waffenfähige Jünglinge und Männer von 15 bis 60 Jahren verpflichtet waren, organisiert und das Kommando desselben dem Grafen von der Schulenburg-Altenhausen übertragen. ... Diese Bürgermiliz umfasste jetzt ein Eskadron von 45 bis 50 Mann Kavallerie unter dem Rittmeister Schulze und ein vom Kaufmann Bertog befehligtes Bataillon Infanterie, bestehend aus vier Kompanien, jede von mehr als 116 Mann, unter den Hauptleuten Martini, Dufour, Grams und Bäthge.

Ebenso trat der Landsturm auf den Dörfern in Tätigkeit. Beamte, Schullehrer und Gemeindevorsteher gaben ihm die Offiziere. Sonntags nach dem Gottesdienste sah man überall kriegerische Übungen, welche auch die Schuljugend nachzuahmen strebte.

Während die siegreich vorgerückten Truppen der Alliierten am 31. März 1814 Paris eingenommen hatten, wurde am 1. April in Schönebeck von dem General Graf von Tauentzin ... eine Konferenz gehalten, zu welcher auch unser Landrat mit zugezogen wurde. Man entwarf einen Plan, wie Magdeburg vom 20. April an näher und näher einzuschließen sei.

Zugleich wurde dem Landrate im höchsten Vertrauen eröffnet, es hab der Exkaiser Napoleon den Befehl gegeben, dass die Besatzungen von Magdeburg und Hamburg diese Plätze verlassen, sich an der Aller vereinigen und so nach Holland sollten. Also sei es nötig, Maßregeln zu treffen, die dies zu verhindern geeignet seien. Man beschloss, die Straße nach Helmstedt und die Passage bei Neuhaldensleben unbesetzt zu lassen und den Divisionär Landsturms zu beauftragen, auf der ersteren alle Brücken zu zerstören und mit seinem Landsturme, der eine Masse von 8000 Mann Infanterie und 2000 Mann Kavallerie, den Feind möglichst aufzuhalten, damit die Truppen unter Tauentzin sich sammeln und den Feind in offenem Felde vernichten könnten.

Das sollte auch geschehen, wenn der Feind auf Neuhaldensleben ginge. In dieser Absicht wurde dem Landrat die Verteidigung der Stadt mit dem darin formierten Bürgerbataillon, das 120 Schützen und 300 mit Piken Bewaffnete stellen konnte, übertragen. Der Landrat ließ nun auch ... die Tore mit Mist verbarrikadieren und tat sonst alles, um den Ort wenigstens sechs bis acht Stunden haltbar zu machen. Ebenso beorderte nun der Graf von der Schulenburg-Altenhausen den Landsturm der Dörfer, sich auf das erste gegebene Zeichen die Holz- und Kreuzwege der dortigen Gegend zu besetzen und den Feind aufzuhalten.

Allein kam der gefürchtete Versuch einer Vereinigung der Franzosen nicht zur Ausführung. Vielmehr flossen Neuhaldensleben aus der Blockade Magdeburgs immer größere Vorteile hinsichtlich Nahrung und Verkehrs zu ...

Am 30. April 1814 wurde der Friede mit Frankreich geschlossen. Napoleon musste nach der Insel Elba wandern und das französische Reich ... wurde seiner Königsfamilie zurückgegeben. Alle deutschen Fürsten erhielten ihre Länder wieder und die von den Franzosen noch besetzten Festungen mussten geräumt werden.

So wurde auch Magdeburg am 24. Mai dem preußischen General Grafen von Tauentzin ... von den Franzosen übergeben und ein glänzender Einzug von ihm daselbst gehalten, welchem vier Neuhaldensleber ausgezeichnete Landsturmmänner, Krone, Lange, Busse und Fickert, die auch mit der Kriegsdenkmünze von 1814 beehrt wurden, mit beiwohnen durften ..."

Ende 1813 erstreckte sich der direkte Einfluss der Festung Magdeburg nur noch auf die Dörfer Prester, Cracau, Rothensee, Buckau und Fermersleben. Die Übergabeverhandlungen begannen am 16. April und führten zu einem Waffenstillstand. Die französische Besatzung verpflichtete sich nach Abschluss der Verhandlungen, die neue Regierung in Frankreich anzuerkennen und die Festung zu räumen. Vom 16. bis zum 23. Mai 1814 marschierten die französischen Truppen nach Frankreich. Der feierliche Einzug der preußischen Truppen in Magdeburg erfolgte am 24. Mai 1814. Mit der Kapitulation war auch die Bedrohung der umliegenden Städte und Dörfer gegenstandslos. Die letzten Überbleibsel des westfälischen Königreiches verschwanden und die Altmark gehörte wieder offiziell zum Königreich Preußen.

Als Napoleon 1815 von Elba zurückkehrte und noch einmal Europa bedrohte, kämpften auch wieder Altmärker gegen seine Soldaten. In der Schlacht bei Waterloo wurde Napoleon geschlagen und musste endgültig auf seine Krone verzichten.