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Sechs Betriebe im Elbe-Havel-Land freuen sich über die Futterspende und die Solidarität der Berufskollegen Niedersächsische Bauern spenden 615 Ballen Heu

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 12.11.2013, 02:10

Futterspenden helfen den Landwirten im Elbe-Havel-Land, trotz des Totalverlustes der Ernte nach der Flut, über die Runden zu kommen. Eine extragroße Lieferung traf mit einem Traktorkonvoi am Wochenende in Fischbeck ein.

Fischbeck l Die orangen Rundumleuchten auf der Tangermünder Elbbrücke künden am Freitagabend von der Ankunft des Traktorkonvois. Der Tross aus 18 Fahrzeugen reiht sich auf der alten B107 bei Tedox auf. Die Fahrer steigen aus, vertreten sich die Füße, strecken die Glieder. Acht Stunden Fahrt liegen hinter ihnen. Am Morgen waren die Traktoren, vollbeladen mit Heu im Gesamtwert von 18500 Euro, im niedersächsischen Höperhöfen bei Rothenburg-Wümme losgetuckert. 550 Kilometer über Bundes- und Landstraßen waren zurückzulegen. Der Verkehrsfunk hatte die Autofahrer auf den schwer zu überholenden Konvoi aufmerksam gemacht. Nur eine kurze Pause in Winterfeld gönnen sich die Fahrer, dann geht es weiter. Denn in Fischbeck wartet Michael Briest von der Agrargenossenschaft auf die Ankunft. Und auch das Ehepaar Wendland aus Klietz. Dessen Schwiegersohn Cord Meyer hatte die Spendenaktion organisiert.

Bilder von Äckern gehen Cord Meyer nicht aus dem Kopf

"Als unsere Tochter Dorina und Cord im Juli zu Besuch hier waren, haben sie sich angesehen, was die Flut angerichtet hat", berichtet Gerd Wendland. Nicht nur die Bilder von den Schäden an Häusern und Straßen gingen den Besuchern nicht mehr aus dem Kopf, sondern dem Landwirt Cord Meyer auch die vernichteten Felder, auf denen die abgesoffene Ernte stand. Zurück zu Hause, berichtete er als Ortsbrandmeister der Feuerwehr in Höperhöfen von der Situation und von seiner Idee, Futter zu spenden.

Da wurde auch sein Namensvetter Cord Meyer aus dem benachbarten Stapel, ebenfalls Feuerwehrmann und Bauer, hellhörig und versprach Unterstützung. Die Zeitung berichtete über die geplante Aktion und so rollte die Spendenlawine an. "Immer mehr Bauern der Region meldeten sich, um im Elbe-Havel-Land zu helfen", berichtet Wendlands Schwiegersohn. Von Anfang an stand fest, dass den Empfängern trotz der langen Fahrt keine Kosten entstehen sollen. Also wurde auch um Spenden gebeten für Diesel. 4500 Euro kamen zusammen. Zu den Spendern gehörten neben Privatpersonen und Firmen auch Tierarzt Falk Mühe, der aus dem Elbe-Havel-Land stammt.

Als Michael Briest von der Fischbecker Agrargenossenschaft den Anruf aus Höperhöfen mit dem Angebot der Spende bekommen hatte, war er zunächst skeptisch. "Nach der Flut gab es viele Angebote aus der ganzen Republik. Aber wie sollten wir das Heu denn selbst abholen? Das war aus logistischen und auch finanziellen Gründen gar nicht möglich." Umso mehr freute er sich über das Angebot aus Höperhöfen. Lediglich um die Übernachtung für die 20 Fahrer kümmerte sich die Agrargenossenschaft - im Klietzer Schullandheim bezogen die Traktorfahrer Quartier.

Zuvor allerdings hieß es am Freitagabend, als es schon längst dunkel war, das Heu zu verteilen. Nicht nur in Fischbeck, sondern auch an den Kuhställen der Scharlibber Agrargenossenschaft in Klietz, außerdem bekamen die GbR Bauch/Briest, Ralf Northe und Martin Keijzer in Schönhausen sowie Friedrich-Wilhelm Kieselbach in Neuermark-Lübars etwas ab.

"Solidarität der Berufskollegen ist unschätzbare Hilfe!"

Als die Arbeit erledigt war, trafen sich die Lieferanten und die Empfänger in der "Alten Tanke". Hier schilderten die hiesigen Landwirte die Situation nach der Flut und wie wertvoll die Futterspenden sind, um über den Winter zu kommen. Fotos machten die Runde, auch im Buch "Land unter" wurde geblättert - immer wieder schüttelten die Niedersachsen den Kopf und konnten gar nicht glauben, was der Deichbruch angerichtet hat.

Samstagvormittag rollte der Tross wieder nach Hause. Vergessen werden die Spender das Elbe-Havel-Land nicht. Für den 17. Januar laden sie alle Heuspender und auch die, die Geld gegeben hatten, zu einem gemütlichen Abend ein. Sie wollen berichten und auch auf Fotos und Videos zeigen, was im Juni passiert ist und wie die Spenden hier angekommen sind. "Von den 4500 Euro Spenden ist nach Abzug des Diesels und der Verpflegungskosten noch Geld übrig. Und es sind auch noch ein paar Spenden eingegangen. Das Geld, das übrigbleibt, wollen wir nicht behalten, sondern wir schicken es nach Fischbeck, damit davon unsere Übernachtung bezahlt werden kann", berichtet Cord Meyer.

Für die Landwirte im Elbe-Havel-Land ist die Heulieferung mehr als nur eine Futterspende. "Eine tolle Geste und einhundertprozentige Hilfe! Es tut gut, zu wissen, dass unsere Berufskollegen an uns denken, so viel Solidarität zeigen und große Mühe auf sich nehmen. Das gibt uns allen Kraft, die schwierige Situation zu meistern", erklärt Michael Briest, der überaus dankbar ist.

Das gespendete Heu reicht der Fischbecker Agrargenossenschaft etwa einen Monat für das Jungvieh. Davon hat die "Schwarzbuntzucht" immerhin rund 700 Stück. Dazu kommen 650 Milchkühe. Deren Milchleistung liegt seit den Ereignissen im Juni immer noch bei minus 10 bis 15 Prozent. Das liegt zum einen am Stress, dem die Kühe ausgesetzt waren, und zum anderem am Futter, das qualitativ nicht mit dem aus den Vorjahren zu vergleichen ist. Ob die Menge bis zur nächsten Ernte reicht? "Ich hoffe es sehr. Wir haben neben dieser großen Spende aus Höperhöfen auch einige kleinere Ladungen erhalten. 70 Hektar Mais haben wir dazugekauft und selbst geerntet. Ein kleines Stück Mais im Bereich Mangelsdorf konnten wir selbst ernten und wir hatten auch noch einen Rest Maissilage von 2012. Grassilage konnten wir vom ersten Schnitt vor dem Deichbruch noch machen und einige Flächen an der Elbe waren im Spätsommer nachgewachsen - diese Erträge waren allerdings sehr bescheiden", zählt Michael Briest auf.

Eine Prognose für 2014 abzugeben, fällt schwer. Von den 300 Hektar neu gedrillte Wiesen stehen rund 100 Hektar schon wieder im Oberflächenwasser. Auch etliche Äcker konnten nicht bestellt werden, weil sie nicht befahrbar sind. Trotz der schwierigen Situation hat die Agrargenossenschaft ihr dringlichstes Anliegen nach der Flut, keinen der Mitarbeiter entlassen zu müssen, realisiert, "der Betrieb muss ja weitergehen!"