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Stadtrat befragte Experten vom LHW zum seit einem Jahr bestehenden Problem Grundwasser in Sandau könnte nach dem Hochwasser noch weiter ansteigen

Von Ingo Freihorst 29.01.2011, 05:31

Sandau. Im Februar des Vorjahres machte sich das Problem erstmals in Sandau bemerkbar: Im Garten von Dagmar Pabst im Wulkauer Weg war nach der Schneeschmelze ein kleiner See entstanden. Inzwischen ist halb Sandau von dem Grundwasser-Phänomen betroffen. Nasse Keller gibt es nun im gesamten Wulkauer Weg, in der Stein-, Schloss-, Schleusen- und Triftstraße sowie in der Havelberger und der Jederitzer Straße. Wolfgang Hellwig zählte bislang 58 betroffene Haushalte in der Elbestadt.

Auf seiner ersten Zusammenkunft im neuen Jahr befasste sich der Stadtrat am Donnerstag mit der Situation. Bürgermeister Henry Wagner erklärte vorab, dass dieses Problem im ganzen Bundesland auftritt. Zum Thema gab es schon einige Zusammenkünfte mit Fachleuten vor Ort. Eine Frage sei, ob das alte Grabensystem im Wulkauer Weg wieder reaktiviert werden sollte.

Der Bürgermeister schlug dem Stadtrat vor, ein Gutachten zu dieser Situation in Auftrag zu geben, es würde etwa 2500 Euro kosten. In der Region Sandau gibt es seit 1957 zwei Grundwasser-Messpunkte, am Rathaus und in Sancoussi, derzeit werden dort Rekordwerte registriert.

Über Einzelheiten informierte Flussbereichsleiter Reinhard Kürschner vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Die Messungen erfolgen einmal die Woche. In Sandau ist ein Flachspiegelbrunnen die amtliche Messstelle, er ist 29,75 Meter tief. Je kleiner die Werte ausfallen, um so höher ist der Grundwasserstand. Am 22. Januar wurde der Rekordwert von 2,15 Meter gemessen. Das bedeutet, das Grundwasser steht bei einer Höhe von 27,60 Metern über Normalnull. All jene Grundstücke, die auf dieser Höhe liegen, haben also Grundwasserprobleme. Eine Karte mit den Höhenprofilen liegt im Bauamt aus.

"Das ist der absolut höchste Grundwasserstand seit Beginn der Messungen", betonte der Fachmann. Vor allem seit September war der Pegel unwahrscheinlich in die Höhe gegangen, bedingt durch die enormen Niederschläge. Im September fielen 291 Prozent Niederschlag, im Oktober 341 Prozent und im November 229 Prozent des langjährigen Mittels. Entsprechend fielen die Messwerte aus: Die Spitze lag im September bei 3,53 Metern, im Oktober waren es 3,38 Meter und im November 3,24 Meter. Jetzt gesellten sich Schneeschmelze und Hochwasser hinzu.

"Der Anstieg ist also Folge der enormen Niederschläge und hat nichts mit dem fehlenden Grabensystem zu tun", erklärte Reinhard Kürschner. Es seien natürliche Ursachen, wo man wenig Chancen habe, etwas dagegen zu unternehmen.

"Es ist nicht möglich, den Grundwasserspiegel flächendeckend zu senken."

Unklar sei, wie weit das Grundwasser im Gefolge der Hochwasserwelle noch steigen werde. Die Welle im Grundwasser bewege sich in einem Korridor neben der Elbe um ein, zwei Wochen zeitversetzt dem Hochwasser langsam hinterher. In diesem Jahr sei die Ausgangssituation denkbar ungünstig, da bereits ein Rekordstand zu verzeichnen ist.

Den Grundwasserspiegel weiträumig abzusenken, sei nicht möglich. Er könne nur raten, in den Kellern nach dem Rechten zu schauen, auch jene, die bislang trocken blieben, könnten jetzt nass werden. Man könnte zwar die Gräben ertüchtigen, das Grundwasser werden sie aber nicht senken.

Den Zusammenhang mit dem Hochwasser beweisen auch Messwerte aus den vergangenen Jahren: So gab es in den Jahren 1965 mit 2,42 Metern, 1970 (2,48), 1982 (2,47), 1988 (2,43) und 2003 mit 2,49 Metern Grundwasserspitzen – also immer dann, wenn es auch markante Hochwasser gab.

Henry Wagner will trotz dieser Aussagen an seinem Vorschlag festhalten, ein Ingenieurbüro aus Stendal mit dem Gutachten zu beauftragen. "Wir müssen versuchen, hier eine Änderung herbeizuführen", so sein Anliegen.

Für das Gutachten sprach sich auch Silvio Wulfänger aus. Es müsste dann aber auch Vorschläge enthalten, wie die schlimme Situation geändert werden kann. Er bedauerte es mit Blick auf die Betroffenen, dass eine Lösung wohl nur langfristig möglich sei.

Auch Olaf Schmidt findet es gut, dass ein Gutachten erstellt wird, so würden die Betroffenen nicht allein gelassen.

Chris Schulenberg erinnerte daran, dass sich angesichts des landesweiten Problems auch die Landesregierung mit diesem Phänomen befassen will. Ebenso die regionalen Arbeitsgemeinschaften. "Wir sollten uns schon mal mit einem Lösungskonzept befassen, um dieses dann schneller umsetzen zu können", schlug er vor.

Dem stimmte auch Jörg Müller zu. Mit konkreten Vorschlägen – wie zum Beispiel dem Bau einer Pumpstation oder eines Grabensystems – könnte man eventuelle Fördergelder rascher bekommen. Doch gab Henry Wagner zu bedenken, dass solche Planungen nur von Fachleuten erstellt werden können und darum auch einer gewissen Vorplanung bedürfen. "Am Montag werde ich einen Brief an den Landwirtschaftsminister verfassen und ihm die Grundwassersituation in Sandau schildern", erklärte der Bürgermeister. Doch gab er zu bedenken, dass niemand in der Lage sei, "das Grundwasser so einfach in die Hose zu stecken und wegzutragen".

Damit auch die Sandauer Bürger zu Wort kommen können – etliche hatten sich im Rathaussaal eingefunden – unterbrach der Bürgermeister die Sitzung. Das verlangt das Gesetz, ansonsten hätte niemand von den Gästen zu diesem Thema sprechen dürfen.

Seit September steht Wasser auf dem Grundstück von Frank Hessenmüller. "Das Oberflächenwasser sammelt sich am tiefsten Punkt in Sandau – und der liegt im Wulkauer Weg", erklärte er. Auch das Wasser von der Straße fließt seit deren Befestigung mit auf die Grundstücke. Henry Wagner kennt aus seiner Kindheit noch die Gräben, die beiderseits des Weges verliefen. Man könnte diese reaktivieren, doch müssten die Anwohner dann damit leben und sie pflegen. Auf jeden Fall müsse das beim Projekt mit diskutiert werden.

Gerhard Huber, der in Sandau einen Garten hat, informierte, dass für Grundwasserströme die Bodenverhältnisse eine große Rolle spielen. In der Region sei der Untergrund kiesig, weshalb sich das Wasser hier lange halten würde – etwa zwei Monate, schätzte er. Durch die vielen Hochwasser im Vorjahr konnte der hohe Grundwasserspiegel bislang noch gar nicht sinken.

Für den Unterhaltungsverband "Trübengraben" aus Havelberg ergriff dessen ehrenamtlicher Geschäftsführer Helmut Schulz, einstiger Bürgermeister der Stadt, das Wort. Der Verband sei zwar für die Grabenpflege zuständig, darf laut Gesetz aber selbst keine neuen bauen, erklärte er. Sollte ein Graben im Wulkauer Weg gebaut werden, muss vorher klar sein, wer das bezahlt.

Jörg Löffler schlug vor, beim Gutachten auch andere Bereiche der Stadt einzubeziehen, die gleichfalls betroffen sind. So wurde die Steinstraße nun asphaltiert, vorher konnte das Wasser dort zwischen dem Pflaster versickern. Jetzt strömt alles in die Triftstraße, bei Starkregen schießt das Wasser nun sogar aus den Gullys raus. In der DDR wurden die Gräben zudem grundgeräumt, das sollte auch jetzt öfter geschehen. Die Landesregierung sollte um Unterstützung gebeten werden. Zudem hatte er im Radio gehört, dass Grundwassergeschädigte Anträge zwecks Entschädigung stellen könnten – was aber dem Bürgermeister als auch den Fachleuten vom LHW bislang nicht bekannt war.

"Am Ende werde ich durch das Grundwasser noch mein Haus verlieren."

Dagmar Pabst, die Hauptbetroffene im Ort, war auch unter den Gästen, hielt sich aber zurück. Auf Nachfrage informierte sie, dass sie es begrüßt, dass die Stadt den Betroffenen helfen will. Um die eventuelle Entschädigung zu erhalten, müssten die Hauptgeschädigten von der Stadt auf einer Liste erfasst werden, schlug sie vor. Diese Liste könnte dann an die Landesregierung weitergeleitet werden.

Das Wasser steht nun schon seit einem Jahr in ihrem Haus, die Kellerwände sind bereits anderthalb Meter hoch nass und schimmlig. Auch die Veranda ist schwarz, viele Tapeten lösen sich langsam von den Wänden, im überschwemmten Garten ist inzwischen alles tot.

"Es ist so schlimm, dass man einfach nichts dagegen machen kann, ich fühle mich in meiner Existenz bedroht und kann nachts kaum noch schlafen", klagte die Sandauerin. Am Ende werde sie durch das Grundwasser womöglich noch ihr Haus verlieren.