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Gedenken an die friedliche Revolution in Salzwedel / Tafel an der Katharinenkirche enthüllt "Was wollen wir jetzt?" gilt weiter

Von Uta Elste 28.10.2014, 02:12

In der Katharinenkirche erinnerten sich die Menschen am Sonntag an die friedliche Revolution im Herbst 1989 in der Stadt. Joachim Hoffmann, vor 25 Jahren Pfarrer dieser Kirche, machte deutlich, dass die Fragen der damaligen Zeit heute auch beantwortet werden müssen.

Salzwedel l 2000 Menschen, so wie damals am Donnerstag, 26. Oktober 1989, kamen am Sonntag zwar nicht in die Katharinenkirche. Aber die Organisatoren vom Initiativkreis "25 Jahre friedliche Revolution in Salzwedel" hatten mit weniger als den 250 Besuchern gerechnet, die an der Gedenkveranstaltung teilnahmen, so dass schnell noch weitere Kerzen organisiert werden mussten. Die Kerzen wurden vor der Kirche aufgestellt.

An die Ereignisse des Herbstes 1989 erinnert jetzt eine Bronzetafel an der Katharinenkirche, die der Salzwedeler Künstler Hartmut Rompel geschaffen hatte. Die Tafel wurde gemeinsam von Hartmut Rompel, dem Gemeindekirchenratsvorsitzenden Frieder Oßwald und Salzwedels Oberbürgermeisterin Sabine Danicke, die vor 25 Jahren das Neue Forum in Salzwedel mitbegründeten, enthüllt.

Ohne friedliche Revolution kein Mauerfall

Doch etwaige Sorgen, dass die nun 25 Jahre alten Ereignisse in Vergessenheit geraten, müsse niemand haben, so Matthias Friske, Pfarrer der Katharinengemeinde. Schließlich sei der Mauerfall am 9. November nicht ohne die friedliche Revolution denkbar.

"Was wollen wir jetzt?" war der Forderungskatalog überschrieben, der damals am 26. Oktober 1989 im Mittelpunkt des Gesprächskreises stand. "Was wollen wir jetzt?" - Diese Frage habe sich 25 Jahre später keinesfalls erledigt, machte Joachim Hoffmann, 1989 Pfarrer der Katharinenkirche und seit Sonntag Ehrenbürger der Stadt Salzwedel, in seiner Ansprache deutlich. Es gehe nach wie vor um eine Gesellschaftsform, "in der der Mensch dem Menschen ein Helfer ist", zitierte Hoffmann Bertolt Brecht. Davon seien die Menschen jedoch angesichts der immer größeren Kluft zwischen Arm und Reich weit entfernt. Wolle man wirklich, wie von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert, eine marktkonforme Demokratie oder bräuchten die Menschen nicht vielmehr einen demokratiekonformen Markt, regte Hoffmann zum Nachdenken an.

Seitdem sich 1989 die innerdeutsche Grenze öffnete, seien in ganz Europa Mauern errichtet und das Asylrecht zunehmend ausgehöhlt worden. "Wir Ostdeutschen hätten als Wirtschaftsflüchtlinge kaum noch eine Chance", so Joachim Hoffmann.

Er erinnerte daran, dass die Bürgerrechtler im Herbst 1989 ausdrücklich auf Gewaltlosigkeit setzten. Gewalt sei kein Mittel, um Konflikte zu lösen, sondern bringe vielmehr neue Gewalt hervor. Hoffmann sprach sich dafür aus, bei einem verstärkten weltweiten Engagement Deutschlands den Schwerpunkt auf Konfliktprävention zu legen und Rüstungsexporte zu verbieten.

Religiöser Dienstleister statt Haus der Hoffnung

Die Frage "Was wollen wir jetzt?" gelte auch für die Kirche selbst. Als Pfarrer nehme er eine Tendenz zum privaten Religiösen wahr, nach dem Motto "Politik gehört nicht in die Kirche". Wenn die Kirche doch politisch agiere, versuche sie, es allen recht zu machen und werde im Grunde keinem gerecht. "Die Kirchen im Herbst waren Häuser der Hoffnung, offen einladend an der Seite derer, die sich nicht abfanden und aufstanden, kein religiöser Dienstleistungsbetrieb." Die Katharinenkirche und später die Lorenzkirche wurden so Orte des Gebetes, der Diskussion und des widerständigen Tuns. Auch heute mache es Sinn, aufzustehen, sich Verbündete und Mitstreiter zu suchen. Dass es heute Politiker gebe, die ihre Politik als alternativlos bezeichnen, sei ein Grund für die Politikverdrossenheit. Aber außer dem Tod sei nichts alternativlos. "Es macht Sinn, immer wieder auf die unerwarteten Möglichkeiten zu hoffen", so Hoffmann. Dass er den Menschen in seiner Katharinenkirche aus dem Herzen sprach, bewies der minutenlange Applaus.

Für die, die damals nicht mit in die Kirche kamen, sondern zu Hause oftmals ängstlich auf die Rückkehr ihrer Angehörigen warteten, wurde gemeinsam mit Mitgliedern der Bürgerinitiative Pro Baum ein Baum gepflanzt. Angesichts des Standortes wird der Baum, dessen Kosten die Sparkasse Altmark West übernahm, als Katharinenlinde bezeichnet.

An die Ereignisse im Herbst erinnerte auch eine Ausstellung im Westvorbau, die Uta Thiel und Sabine Spangenberg zusammengestellt hatten.