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Bereits zum dritten Mal werden Stolpersteine in Schönebeck verlegt / Schulen zeigen Engagement Aktion erinnert an Zeit des Rassenwahns

Von Ulrich Meinhard 07.05.2013, 03:15

Unter Beteiligung von drei Schönebecker Schulen sind gestern in Schönebeck weitere 16 Stolpersteine verlegt worden. Sie erinnern an das Schicksal jüdischer Familien und den Rassenwahn der Nationalsozialisten.

Schönebeck l Zum dritten Mal sind gestern in Schönebeck Stolpersteine verlegt worden. Dazu war der aus Köln stammende Künstler Gunter Demnig angereist. Er nahm die Verlegung vor. Die Aktion begann 14 Uhr vor dem Haus Elbstraße 19. Hier lebte bis etwa 1939 die Familie Bary. Erinnert wird mit den drei in den Gehweg eingebrachten Steinen nun an den Kaufmann Simon Bary, seine Ehfrau Retel sowie die Söhne Hermann und Adolf Bary.

Die zweite Station der gestrigen Verlegung war der Markt 19, der heutige Neubau am Markt. Im Vorgängergebäude war einst die Familie Schlesinger zuhause. Der gebürtige Berliner Max Schlesinger kam als 21-Jähriger nach Schönebeck und ließ das Kaufhaus am Markt errichten, das er gleichzeitig mit dem Kaufhaus "Wohlwert" in der Salzer Straße leitete. Er war mit Lucie, geborene Gongala, verheiratet. Beide hatten die Kinder Kurt und Eva.

Mit der Machtübernahme der Nazis begann auch für diese Familie das Martyrium. Die SA setzte - übrigens erst im zweiten Anlauf - durch, dass das Kaufhaus geschlossen wird. Die Familie zog 1934 nach Berlin, dort trennten sich die Eheleute. Während Lucie Schlesinger im KZ Auschwitz ermordet worden ist, gelang Max Schlesinger und den beiden Kindern die Flucht nach Südafrika. Der Zeitzeuge Klaus Polczyk erinnerte sich an einen damals hier postierten Schaukasten. Darin ließ der "Stürmer", eine zu jener Zeit herausgegebene Wochenzeitung, allen Ernstes verlauten, dass sich Juden vom Blut der Christenkinder nähren. "Wir Schüler sind aufgefordert worden, der Zerstörung der Schönebecker Synagoge beizuwohnen", sagte Polczyk.

In der Bahnhofstraße 4 befand sich die letzte frei gewählte Wohnung der Familien Wilmersdörfer und Jeruchum. Der praktische Arzt Dr. Max Jeruchum übernahm 1935 eine bestehende Praxis. Er war mit Margarete, geborene Petzall, verheiratet. Das Ehepaar bekam die Kinder Hans-Günther und Ursula. Max Jeruchum durfte nur noch jüdische Patienten betreuen. Im Juli 1938 verlor er seine Zulassung. Aus den vorhandenen Chroniken geht hervor, dass die Familie den Holocaust überlebte, indem sie nach Indien emigrierte.

Auch Albrecht Anton Wilmersdörfer war Arzt. Geboren in Bayreuth, kam er als junger Mann nach Schönebeck. Nach dem früher Tod seiner ersten Frau Tina heiratete er 1930 Anna, geborene Stein. Im Jahr 1935 floh die Familie vor den Schikanen in ihrer Heimat nach Palästina.

Letzte Station gestern war die Bahnhofstraße 6. Hier verlegte Gunter Demnig zwei Steine. Sie erinnern an den Kaufmann Adolf Schloss und seine Ehefrau Elisabeth, geborene Lange. Beide hatten vier Kinder. Das Paar ist 1943 deportiert und 1944 im KZ Theresienstadt ermordet worden. Über das Schicksal der Kinder geben die Unterlagen keine Auskunft.

An den einzelnen Stationen verlasen Schüler des Gymnasiums sowie der Sekundarschulen "Maxim Gorki" und "Am Lerchenfeld" die Lebensdaten der einstigen jüdischen Mitbürger.