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"Jubiläum": Seit August 2008 werden am Bahnübergang Gnadau zusätzlich Sicherheitsbänder gespannt Bahn-Provisorium ärgert Autofahrer seit fünf Jahren

Von Thomas Linßner 16.08.2013, 03:15

Gnadau l Seit August 2008 wird man am Bahnübergang Gnadau mit einem nervenden Kuriosum konfrontiert: Parallel zum Schließen der Schranke sperren Mitarbeiter der Deutschen Bahn den Übergang mit rot-weißen Kunststoffbändern ab.

"Ich stehe hier manchmal zehn Minuten und das schon seit fünf Jahren", winkt ein Berufskraftfahrer aus Krefeld ab, der regelmäßig mit seinem Tanklastzug ins Barbyer Industriegebiet fährt. Normalerweise bleibt seine Spezies gelassen, was Verkehrshindernisse betrifft. Doch in Gnadau, das sei ein starkes Stück, das man auf Deutschlands Straßen selten erlebe. "Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man der Bahn zum Jubiläum mit einem Kaktus gratulieren", witzelt der 48-Jährige mit angesäuertem Lächeln.

So wie ihm geht es vielen Fahrern, die regelmäßig dort entlang müssen. Seit August 2008 spannen Mitarbeiter des Bahndienstleisters DB-Service "Girlanden" über die Straße, bevor die automatische Halbschranke schließt. Am Anfang hielten sich die Posten zwischen den einzelnen Arbeitsgängen in einem Pkw auf, später dann in einem beheizten Container. Offenbar hatte sich die Bahn schon bei Einführung dieses Kuriosums auf einen längeren Zeitraum eingestellt.

Die Sicherheitsdienstleister versehen rund um die Uhr ihren Dienst. Und das seit rund 1800 Tagen. Rollt ein Zug an, egal ob aus Richtung Schönebeck oder Calbe, klingelt das Funktelefon. "Hier Posten 21, BÜ 211. Zug Nummer 3604 aus Richtung Calbe. Habe verstanden", wiederholen die Posten wie die Co-Pilot eines Linienflugzeugs.

"Zur Postensicherung werden in der Regel ausgebildete Schrankenposten herangezogen, die keine Fahrdienstleiter sind"

Sekunden später haben sie die Absperrbänder in der Hand, spannen sie über die Straße. Es dauert noch einige Zeit, bis ein Intervallton das Schließen der Schranke ankündigt, die sich kurz darauf senkt. Nachdem der Regional-Express vorbei gerauscht ist, bleibt der rot-weiße Schrankenbaum unten, weil jetzt aus Richtung Schönebeck ein Güterzug anrollt.

Und genau das ist der Punkt, warum die Frauen und Männer in ihren orangen Warnwesten gelassen stehen bleiben und ihre Absperrbänder nicht entfernen.

"Damit wegen der langen Schließzeiten die Verkehrsteilnehmer nicht auf die Idee kommen, die geschlossene Halbschranke zu umfahren", erklären die Absperrer immer wieder.

Die Pressestelle der Deutschen Bahn bestätigt das. Man handele nach einer Auflage des Eisenbahnbundesamtes. "Wir wollen verhindern, dass bei längeren Schließzeiten sich Verkehrsteilnehmer aufgefordert fühlen, sie zu umfahren", sagt eine Bahnsprecherin. Man mache das bei Übergängen, wo zuvor "ungeduldige Verkehrsteilnehmer" beobachtet wurden.

Aber wie lange soll diese personalintensive Sicherheitsoperation noch dauern, die schließlich der Bahn eine Stange Geld kostet? Bei einer Volksstimme-Anfrage lautete die Antwort bereits 2009 unverbindlich: "Wir sind dabei, an diesen Bahnübergängen technische Lösungen zu finden." Doch bisher gelang das offensichtlich noch nicht.

Auch die aktuelle Anfrage beantwortet die Pressestelle der Bahn detailreicher aber im Grunde genauso:

Die geplante Umrüstung der Schrankenanlagen zur "Vollabschrankung" sei ein Eingriff in die elektronische Stellwerkstechnik. Die entsprechenden Vorbereitungen müssten auf dem aktuellen Softwarestand im Stellwerk "aufsetzen", wofür entsprechende Vorlaufzeiten in der Planung erforderlich seien ... "Leider hatte sich die Inbetriebnahme des Stellwerks in Schönebeck-Salzelmen um ein Jahr verschoben und ist erst im August 2011 umgesetzt worden", teilt Pressesprecherin Erika Poschke-Frost mit. Dies habe auch die Planungen für die Umrüstung der Bahnübergänge in Gnadau und Schönebeck-Felgeleben verzögert.

Man gehe davon aus, bis Ende des Jahres Baurecht zu besitzen, um den Bahnübergang Gnadau im Laufe des Jahres 2014 zur Vollschranke umzurüsten und danach die Posten abzuziehen.

Der Vermutung, dass Gnadau eine "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" für ehemalige Fahrdienstleiter aus überflüssig gewordenen Stellwerken sei, erteilt Erika Poschke-Frost eine Absage: "Zur Postensicherung werden in der Regel ausgebildete Schrankenposten herangezogen, die keine Fahrdienstleiter sind."

Und die kommen von sonstwo, wie man an den Pkw-Kennzeichen erkennt.

Was dieser immense Personaleinsatz die Bahn bei rund 1800 Tagen in Doppelbesetzung (und damit letztendlich die Reisenden) kostet, wurde nicht beantwortet.