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Der 92-jährige Ortschronist Heinz Warnecke hält seine Forschungen in Fotobüchern fest / Erster Weltkrieg ist auch dabei Vaters Fotos aus dem französischen Schützengraben

Von Thomas Linßner 21.01.2014, 02:25

Bewahrte der Pömmelter Ortschronist Heinz Warnecke jahrzehntelang seine Forschungen in A-4-Ordnern auf, geht der 92-Jährige jetzt mit der Zeit: Er fasst Regionalgeschichte in selbst layouteten Fotobüchern zusammen. Eines davon beschäftigt sich mit dem Ersten Weltkrieg.

Pömmelte l Der ehemalige Lehrer Heinz Warnecke gehört zu jener Generation, deren Familien von den beiden Weltkriegen besonders hart betroffen waren: Heinz wurde zur Wehrmacht einberufen, sein Vater Otto - der auch Lehrer war - hielt seine Knochen im Ersten Weltkrieg "mit Gott für Kaiser und Vaterland" hin.

Am 6. August 1914, am Sonntag nach Kriegsausbruch, wandte sich Kaiser Wilhelm II. in einer Erklärung an das Volk: "Wir werden diesen Kampf bestehen gegen eine Welt von Feinden! Noch nie war Deutschland überwunden, wenn es einig war."

Schon im ersten Kriegsmonat wurde der Begriff "Weltkrieg" geprägt. Da wusste allerdings noch niemand, was das bedeuten würde. In den folgenden Monaten traten auf Seiten Österreichs und Deutschlands Bulgarien und die Türkei in den Krieg ein; auf Seiten der Entente Italien, Griechenland, Rumänien, Portugal, Japan. Hinzu kamen kanadische und australische Verbände sowie Kolonialtruppen aus Indien und Afrika. Und am Ende die USA.

Ein Foto zeigt Unteroffizier Otto Warnecke 1916 im Schützengraben an der Somme (Westfront, Frankreich). Sein Sohn Heinz fand im Nachlass auch Lichtbilder von nächtlichem Trommelfeuer, infernalischen Gasangriffswolken sowie Massen gefallener Franzosen. Nicht unbegingt Abbildungen, die man voller Stolz in das Familienalbum klebte. "Ich weiß nicht, wie mein Vater dazu gekommen ist. Einen Fotoapparat hatte man damals noch nicht an der Front", zuckt Heinz Warnecke mit den Schultern.

Außerdem habe sein Vater, den ein Foto 1919 in französischer Kriegsgefangenschaft zeigt, kaum etwas vom Krieg erzählt. Sohn Heinz vermutet, dass die traumatischen Ereignisse an der Front bei seinem Vater so was wie "einen inneren Pazifismus" aufbauten. Als Lehrer war er allerdings später dem Staat verpflichtet, konnte seine Meinung nicht laut sagen. Schon gar nicht, als sein Sohn Heinz begeistert in den Zweiten Weltkrieg zog.

Hier wiederholte sich die Geschichte: Heinz Warnecke hatte als Kradmelder an der Front stets den Fotoapparat dabei. Aus dieser Zeit sind zahlreiche Bilder in seinem Besitz, die heute geschichtlich sehr wertvoll sind. Eines zeigt ihn an einem heißen Sommertag zusammen mit fünf Kameraden. Von den sechs Soldaten überlebten zwei. Sie fielen im Osten und der Normandie.

Auch die Sache mit dem "inneren Pazifismus" wiederholte sich. Heinz Warnecke arbeitete als Lehrer in der DDR-Zeit. Da war klar geregelt, wer die Guten und die Bösen waren. Folgende Sicht musste er nach außen vertreten. "Die Wehrmacht war das wichtigste Instrument der deutschen Monopolbourgeoisie zur Sicherung der Herrschaft über das eigene Volk, insbesondere zur Niederhaltung der Arbeiterbewegung, und zur Durchsetzung der Weltmachtpläne der Großbourgeoisie, vor allem der reaktionären Klassenziele gegenüber der Sowjetunion."

Nach der Wende machte sich Warnecke für die Sanierung des Pömmelter Kriegerdenkmals stark. Auf dem Friedhof zeichnete er die Schriften der wenigen Kriegsopfer-Grabsteine nach, die heute Denkmalcharakter haben.

In seinem Buch über den Ersten und Zweiten Weltkrieg wird die Haltung des 92-Jährigen klar ausgedrückt: "Woher nehmen Generäle und Politiker immer wieder die Unverfrorenheit, die Toten ... als Helden ... begraben zu lassen. Als man Gerhard Strobels Leiche in ein Loch warf, war nichts mehr Stolzes an ihm. Er war nichts als ein zerfetztes Opfer von politischem Wahnsinn und militärischer Geltungssucht." Gerhard Strobel, ein guter Kamerad Warneckes, fiel im Juni 1944 in der Normandie.