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Gemeindekirchenratsvorsitzende ist eine Sorge los / Tornitzer Sponsor repariert die Läuteanlage "Ich habe immer ein mulmiges Gefühl, wenn die beiden Stahlglocken läuten"

Von Thomas Linßner 26.04.2014, 03:15

Jahrelang hatte der Gemeindekirchenrat Werkleitz ein ungutes Gefühl, wenn die Glocken läuteten. Die tragende Läute-Konstruktion war marode. Jetzt wird sie dank eines Sponsors saniert.

Tornitz-Werkleitz l "Ich muss gestehen, dass da eine Last von meinen Schultern genommen wird", bekennt Kirchenratsvorsitzende Annette Dunkel. Denn in den vergangenen Jahren hatte sie immer ein "mulmiges Gefühl", wenn die beiden Stahlglocken der Werkleitzer Dorfkirche geläutet wurden. Der Grund: Die Anfang der 1920er Jahre aufgestellte Stahlkonstruktion ist verrostet und verschlissen. Denn wenn Glocken maximal in Schwingung sind, wirken riesige Kräfte.

"Es war für uns eine Ehre zu läuten."

"Die Winkeleisen waren teilweise so marode, dass man sie mit der Hand verbiegen konnte", winkt Eckhard Henschel ab, der im Nachbarortsteil eine Stahlbaufirma betreibt. So kam er auf dem "kurzen Dienstweg" mit der Kirchengemeinde überein, das Glockengestell zu reparieren. Und zwar gratis. "Unser Mitarbeiter Martin Müller ersetzt die verrosteten Eisen durch neue 50er Winkel", erklärt Henschel. Die sind bis zu 2,40 Meter lang. Eine Arbeit, die nicht an einem Tag erledigt ist. Die Glockenstube ist eng und dunkel.

Eckhard Henschel kennt den Turm der Werkleitzer Kirche aus seiner Kinderzeit: "Es war für uns eine Ehre, wenn der Pastor uns zum Glockenläuten rief." Das geschah über ein Tretgestell, wie es heute nur noch sehr selten in Kirchtürmen zu finden ist. Die Läuteseile wurden über eine Mechanik wie ein Flaschenzug geschert. "Man musste aufpassen, dass man nicht aus dem Tritt kam. Da konnte man sich verletzen", erinnert sich Henschel.

Die Werkleitzer Bronzeglocken wurden im Ersten Weltkrieg abgehängt, wo sie zu Granaten umgeschmolzen wurden. Während die größere der Beiden aus dem Jahre 1870 stammte, war das Alter der kleineren unbekannt. Das ursprüngliche Gussjahr der größeren Bronze geht offenbar auf 1379 zurück. Später wurden beide eingeschmolzen und 1909 umgegossen. Als Stifter traten die Werkleitzer Familien Zenker, Freidank, Stange, Haase und Käsebieter sowie die Gemeinde auf.

Lange Zeit fehlte ein Stück im Korpus der größeren Glocke. Vermutlich hatte ein Blitzeinschlag am 13. April 1772 daran einen Anteil. Wie die Chronik berichtet, ging der Blitz "auf der Morgenseite oben auf dem kleinen Schieferdach hinein". Er beschädigte Balken, das Glockengerüst und Wände, verursachte aber keinen Brand.

Die 1909 feierlich eingeweihten Glocken sollten ihr klangvolles Geläut aber nicht lange ausüben dürfen: Auf kaiserlichen Befehl wurden sie vermutlich 1917 demontiert. Im Ersten Weltkrieg sind etwa 65000 Glocken eingeschmolzen worden.

1922 ersetzte man sie durch zwei Stahlglocken, die heute noch hängen. Eine von ihnen ist den gefallenen Werkleitzern gewidmet. Ihre Inschrift "Gott zur Ehre der gefallenen Brüder zum Dank" erinnert daran.