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Wohnen im Fährhaus Die "Arche Bernau" mit ihren ulkigen Vögeln und einem Geburtstagspfau

Wer an die Reinkarnation glaubt, sollte sich im Hause Bernau schon jetzt
ein Plätzchen reservieren lassen. Denn würde er dort als Gans, Hund,
Pfau oder sogar Hängebauchschwein wiedergeboren werden, hätte er das
große Los gezogen.

Von Thomas Linßner 26.06.2014, 03:19

Barby l "Hätte in meiner Jugend jemand zu mir gesagt, du wirst später mal einen ganzen Bauernhof haben, hätte ich geantwortet: Du hast doch nicht mehr alle Latten am Zaun", grinst Heinrich Bernau und blickt über die Elbe. Seine Familie wohnt seit hundert Jahren im Fährhaus, wo es schon immer generationsübergreifend zuging. Vater und Großvater waren Fährmänner. Heinrich, dessen Spitzname Heino ist, damit er nicht mit den gleichnamigen Vorfahren verwechselt wird, ist Maler. Oder besser, er war es, bis zur Pensionierung.

"Heute würden die Damen und Herren des Ordnungsamtes in Schnappatmung verfallen."

Es ist ja nicht das erste Mal, dass der 65-Jährige und seine glücklichen Tiere von der Volksstimme in die Öffentlichkeit gerückt werden. Was für Einheimische ganz normal ist, lässt die zahlreichen Radtouristen die Fotoapparate zücken. Da watscheln mehrere Enten- und Gänsebrigaden schnatternd am Strand entlang, schreien Pfaue markerschütternd aus den Tiefen der Bäume. Hier hießen die Ziegen vor 35 Jahren Popeye, die Hängebauchschweine Schwarte oder Kruste, oder es gab Bernhardiner groß wie ein Kalb. Wenn es Letzteren an der Fähre zu langweilig wurde, trotteten sie schon mal zur Marktschule, um in der Pause Herrchen Heino zu besuchen. "Heute würden in solchen Fällen die Damen und Herren des Ordnungsamtes in Schnappatmung verfallen", lacht Bernau.

Später waren die Hunde kleiner. Einer der pfiffigen Mischlinge hörte auf Bootsmann.

Denn irgendwie hat am Fährhaus alles ein bisschen mit Wasser, Kahn und Boot zu tun. Und mit viel Natur. Besonders im Juni 2013 offenbarte sich aber auch, dass der Bernau-Hof eine Arche ist, die bei Hochwasser zur Hallig wird.

"Haus-Vögel" sind demzufolge Kreaturen, die sich an, über und auf der Elbe wohlfühlen: Enten und Gänse. Ursprünglich hatten ausschließlich weiße und gescheckte Hausgänse das Sagen. Doch hin und wieder gesellen sich ein paar Pensionsgäste hinzu. Dazu zählte Gertrud, die wilde Graugans. Der kluge Vogel schloss sich im Sommer 2011 der Hausgänseherde an, nachdem er sich den Flügel gebrochen hatte. Seit jener Zeit verlor Gertrud die Scheu vor dem Menschen. Auch deswegen, weil sie von Heino gefüttert wurde. Eis und Schnee bekamen der Graugans wesentlich besser als ihren domestizierten Kollegen, deren Vorfahre sie quasi ist. Nur manchmal packte Graugans Gertrud die Sehnsucht: Wenn ihre Artgenossen im stolzen Formationsflug hoch über sie hinweg glitten und riefen. Da wollte sie hinterher, konnte aber nicht.

Ähnlich ist es aktuell mit einer Wildgans, die zwischen den prachtvollen Weißen und hübschen Höckergänsen aussieht wie ein Blesshuhn unter Schwänen. Aber auch sie wird sich irgendwann aus dem Staub machen, dessen ist sich Heino sicher.

Es hat sich in der Elbe-Fauna herumgesprochen, dass es im Hause Bernau immer was zu futtern gibt. So kommen wilde Gänse im Morgengrauen angeschwommen, um sich am Trog ein paar Happen zu schnappen. Die Fährhaustiere sehen das zwar etwas argwöhnisch, lassen sie aber gewähren.

Gegenwärtig haben die drei Pfauenhennen Nachwuchs. Sie brüten ihn im Dickicht am Elbufer aus. Heino spendiert ihnen fette Mehlwürmer.

Apropos, Pfau. Der Urvater war 1999 ein Geschenk zum 50. Geburtstag von Heino Bernau. Seitdem hat sich die Spezies prächtig entwickelt, auch wenn Meister Reineke das Gehöft immer mal wieder umschleicht. Der schlaue Fuchs weiß genau, wann die Hunde im Zwinger sind. Als ein heftiger Regenguss einen Pfauenhahn vom Baum schüttelte, war Reineke zur Stelle. Heino bleibt in solchen Situationen entspannt: "Der will ja auch leben."

Ulkigster Vogel war 2012 der Kolkrabe Alex. "Dem wurden seine Vorwitzigkeit und die Saale zum Verhängnis", erinnert sich Heino Bernau. Alex schlüpfte südlich des Flusses aus dem Ei, bei seinem Jungfernflug landete er am Nordufer. Weil er noch nicht richtig fliegen konnte, versperrte ihm der Fluss den Rückweg. Er hätte schwimmen müssen, aber ein stolzer Rabe ist schließlich keine doofe Ente. "Ich habe beobachtet, wie die Altvögel ihm noch ein paar Tage das Futter brachten. Von wegen Rabeneltern ...", hebt der 65-Jährige ein bisschen vorwurfsvoll die Augenbrauen. Der drollige Huckebein blieb einige Wochen, bis er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war.

Später erhielt Heino Bernau aus Quedlinburg Nachricht. In der Harzrand-Stadt war der ungewöhnlich zahme Alex aufgefallen. Sein Barbyer Pflegevater konnte ausfindig gemacht werden, weil er ihn mit einem Gänsering gekennzeichnet hatte. Was den Quedlinburger Ornithologen etwas missfiel. "Die sollen sich mal nicht so haben", poltert Heino. "Würde es Rabenringe geben, hätte ich einen Rabenring genommen."