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Ein Tangermünder führt ein Leben im südamerikanischen Ecuador / Auswanderer Dietmar Knauer: "Meerschweinchen schmecken mir nicht"

09.11.2010, 04:16

Seit elf Jahren lebt der Tangermünder Dietmar Knauer im südamerikanischen Ecuador. Im Oktober besuchten Medizintechniker Horst Hildebrand und der Chefarzt der Urologie des Johanniter-Krankenhauses Genthin-Stendal, Dr. Michael Kühn mit seiner Frau Christa. Für die Volksstimme sprach Dr. Kühn mit dem Auswanderer, der sich im ecuadorianischen Hochgebirge um ein altes Hotel kümmert.

Volksstimme: Vor 13 Jahren sind Sie nach Ecuador ausgewandert. War es der Liebe wegen ?

Dietmar Knauer: Auf der Tourismusbörse in Berlin 1996 hat mich Ecuador fasziniert, ich kaufte mir ein Ticket, einen Rucksack und los gings. 1999 bin ich dann ausgewandert.

Volksstimme: Fühlen Sie sich in einem Entwicklungsland?

Knauer: Nein, mit Afrika ist das hier nicht vergleichbar, hier gibt es keine Bürgerkriege. – mir fehlt hier nichts. Ecuador ist eine Demokratie, nur ist die Demokratie hier nicht mit Deutschland vergleichbar.

Volksstimme: Sind Sie also ein Gewinner der Wiedervereinigung Deutschlands?

Knauer: Auf jeden Fall. 1940 in Schlesien geboren wurde meine Familie nach Coswig vertrieben. Ich habe Gorbi als Anstecker getragen und grüne Schleifen am Fenster gehabt. Ohne Gorbatschow wäre ich nicht hier.

Volksstimme: Ecuador ist der viertgrößte Schnittblumenexporteur der Welt. Reizt Sie als Gärtner nicht, in so einer Plantage mal zu arbeiten?

Knauer: Nein das habe ich hinter mir, hier gibt es sonst keine Arbeit – das sollen andere machen.

Volksstimme: Halten Sie aus ökologischen Gründen die Verschickung der Schnittblumen mit dem Flugzeug nach Deutschland für sinnvoll?

Knauer: Nein – aber aus ökonomischen Gründen. In Sotschi gibt es auch gute Schnittblumen, aber die Arbeit hier ist billiger.

Volksstimme: In Ecuador werden Meerschweinchen als Delikatesse verspeist. Stört Sie das?

Knauer: Das stört mich gar nicht, nur schmecken sie mir nicht wegen der harten Pelle.

Volksstimme: Stendal verliert noch immer weiter an Einwohnern. Empfehlen Sie den Stendalern, nach Ecuador auszuwandern?

Knauer: Nein – es gibt hier keine Arbeit. Aber den Rentnern schon eher, hier lässt sichs prima leben mit der Rente.

Volksstimme: Wenn Sie einmal krank werden sollten, werden Sie dann in das Stendaler Krankenhaus kommen ?

Knauer: Klar – das ist doch Ehrensache!

Volksstimme: Am 12. August gab es in Ecuador ein Erdbeben. Haben Sie Angst?

Knauer: Nein – doch das erste Mal hatte ich Angst, aber jetzt habe ich mich an die vielen Erdbeben gewöhnt.

Volksstimme: Die kulturelle Infrastruktur ist hier anders als in Stendal. Fehlt Ihnen die Stendaler Bücherei, das Theater oder das Kino?

Knauer: Ja, die Bücherei fehlt mir. Es ist hier schwierig an deutsche Bücher oder Zeitungen zu kommen.

Volksstimme: Jeder Deutsche muss in Deutschland krankenversichert sein. Wie machen Sie das in Ecuador?

Knasuer: Ich habe meine Versicherung bei einer deutschen Krankenversicherung gekündigt, da sie keine Kosten in Ecuador bezahlt. Hier ist das Gesundheitswesen für die Bevölkerung kostenlos – nur die Medikamente muss man selbst bezahlen.

Volksstimme: Wenn Sie Besuch aus Deutschland bekommen, was wünschen Sie sich als Mitbringsel?

Knauer: Oh ja, ich freue mich über eine gute Salami und eine Flache Schierker Feuerstein.

Volksstimme: Die Landeswährung ist der US-Dollar, freut Sie, dass der Euro gegen den Dollar wieder steigt ?

Knauer: Na logisch, das ist wie eine Gehaltserhöhung. Mir geht es gut. Ich kann jedes Jahr einmal nach Deutschland fliegen.