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Abstinenzlertreffen in Uchtspringe Vom Umgang mit der Sucht

15.11.2010, 04:21

Uchtspringe (dsc). Mehr als 70 Teilnehmer folgten am Sonnabend der Einladung zum 23. Abstinenzlertreffen im Fachklinikum Uchtspringe. Das Treffen nutzten diejenigen, die es geschafft haben. Die es geschafft haben, von der Sucht loszukommen. Das Treffen war ein Angebot zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch über den abstinenten Umgang mit der Alkohol- und Drogenabhängigkeit.

Zu den Treffen kommen ehemalige Patienten, die jedes Jahr wieder dabei sind. Begrüßt wurden aber auch Ehemalige, die zum erstenmal den Weg zum Abstinenzlertreffen in die Caféteria des Fachklinikums fanden. Während der Sitzungen in kleinen Gruppen konnten sich die Teilnehmer darüber austauschen, wie sie ihren Alltag ohne Suchtmittel meistern und welche Probleme dabei zu bewältigen sind. Auch in individuellen Gesprächen der ehemaligen Patienten bei der alljährlichen Wanderung durch die Heide oder in der Kaffeepause machte sich die Teilnehmer gegenseitig Mut, hörten einander zu und gaben Hilfestellungen.

Großes Interesse fand zu Beginn des Treffens der Vortrag zur Geschichte der Alkoholismusbehandlung in der Zeit des Nationalsozialismus. Es sprach Gastreferent Prof. Dr. Wolfgang Heckmann von der Fachhochschule Magdeburg-Stendal: In einer Zeitung aus den 1930er Jahren entdeckte Heckmann einen Hinweis über einen Vortrag eines Amtsarztes über die rassischen Merkmale der Sucht. Neugierig geworden, suchte er in Bibliotheken nach weiteren Hinweisen. Schließlich entdeckte er eine Aufzeichnung, die diese rassischen Merkmale aufzeigte. Und siehe da, anders als erwartet, wurden nicht die von den Nationalsozialisten als minderwertig bezeichneten Völker als suchtgefährdet benannt, sondern die Arier. "Arier sind in allem leistungsfähig und wollen dies auch in der Trinkkultur sein", reflektierte Heckmann aus den Aufzeichnungen. Er verwies auf Trinkspiele, die während der wilden und auch als goldenen 1920er bezeichneten Jahre aber auch während der 1930er Jahre praktiziert wurden.

Trotz dieser Erklärung wurden während des Dritten Reiches Alkoholkranke ebenso wie "Arbeitsscheue" als erbkrank bezeichnet. Das ging soweit, dass, wer als schwer therapierbar galt, ins Konzentra- tionslager interniert wurde, kastriert wurde, um seine "erbkranken" Gene nicht weitergeben zu können, und auch getötet wurde. Begründet wurde dies, indem gesagt wurde, dass man sich von jenen entlasten müsse, die ökonomisch nicht produktiv seien, schilderte Heckmann seine Recherchen.

Diese Methoden jener Zeit, mit der Problematik Sucht und Suchttherapie umzugehen, ermahnen Heckmann heute zur Wachsamkeit. Es dürfe nicht geschehen, dass bei der Therapie von Sucht Zwang ins Spiel käme, sagte Heckmann. Schnell tauchen dann Begriffe wie "therapieresistent" oder "nicht gruppenfähig" auf. Heckmann machte deutlich, das es eher umgekehrt der Fall ist. Nicht der Patient ist therapieresistent, sondern den Therapeuten ist es nicht gelungen, ihn zu erreichen. "Die Freiheit kritisch und auch kontrovers zu diskutieren, dürfen wir uns nicht nehmen lassen", sagte Heckmann.