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Norwegische Austauschschülerin verbringt Weihnachten in Stendal / Die Bräuche in beiden Länder sind unterschiedlich Von fleißigen Wichteln und Safranplätzchen

Von Anke Kohl 24.12.2010, 05:26

Das traditionellste Weihnachtsfest in Norwegen findet auf dem Lande statt, denn hier feiert man noch mit alten Brauchtümern und Traditionen. Weitab von allem Weihnachtsstress und allgemeiner Unruhe finden schon mehrere Wochen vorher in den großen Bauernküchen die fieberhaften Vorbereitungen auf das anstehende Weihnachtsfest statt. Dass Weihnachten in Norwegen anders ist als in Deutschland, stellte auch Norwegerin Lea Kristine Myklebust fest. Die Austauschschülerin feiert dieses Jahr Weihnachten in Stendal.

Stendal. Dass der Winter in Deutschland besonders kalt sei, kann Lea Kristine Myklebust nicht vorbehaltlos bestätigen. Die 17-Jährige ist von dieser Jahreszeit etwas andere Temperaturen gewohnt. Kälte fängt für sie erst bei ungefähr minus 10 Grad Celsius an, schätzt sie selbst lachend ein. Schließlich ist ihr Heimatland Norwegen. Seit Anfang September lebt Lea in Stendal bei Familie Rebel. Ein Jahr im Ausland zu verbringen, insbesondere in Deutschland, ist für die Gymnasiastin aus dem norwegischen Trondheim mit AFS möglich geworden.

Mittler zu sein beim Austausch zwischen den Kulturen, ist das Credo der Organisation. Was die deutsche von der norwegischen Kultur unterscheidet und was sie verbindet, erleben und erkunden Familie Rebel und Lea Kristine noch einige Zeit gemeinsam. Denn in den insgesamt zehn Monaten ihres Aufenthaltes gibt es viel zu sehen und zu lernen, freuen sich die junge Norwegerin und ihre Gastfamilie.

"Gerade zur Weihnachtszeit gibt es so schöne norwegische Bräuche, Geschichten und Eigenheiten, dass ich oft denke, es hört sich zwar sehr ähnlich an, ist aber ganz anders", sagt Annett Rebel. "Wir sollten noch vor dem 13. Dezember verschiedene Plätzchen backen. Und es müssen unbedingt sieben unterschiedliche Sorten sein". Darunter ist auch ein Gebäck mit Namen "Lussekatter". Durch Safran erhält der Teig die markante hellgelbe Farbe. "Dieses Gelb soll Licht in die Dunkelheit zur Winterzeit bringen", erklärt Lea.

Frühe Vorbereitungen

Überhaupt sollten nach alter norwegischer Tradition bis zum 12. Dezember alle Vorbereitungen für den Heiligen Abend erledigt sein. Geschenke sollten eingepackt, Karten geschrieben und die Wohnung sauber gemacht sein. "Am 13. Dezember kommt ,Lussi‘ dann nachschauen, ob auch wirklich alles erledigt ist. Wenn nicht kann sie sehr böse werden. Und das ist nicht gut", warnt die junge Norwegerin augenzwinkernd. Übrigens werden an diesem Tag auch böse oder freche Kinder von Lucifer persönlich bestraft. Das erinnert so ein bisschen an den deutschen Knecht Ruprecht mit der Rute. Außerdem gehen am Luciatag Kinder in Seniorenheime und Gymnasien und singen dort das Lucialied.

Vier Kerzen markieren auch in Norwegen die Adventszeit. Ihre Farbe ist allerdings immer lila. "Das ist die Kirchenfarbe. Unsere Staatsreligion ist evangelisch", erzählt Lea. Was in Deutschland die beliebten Schwibbögen sind, wird in Norwegen als Dreieck mit sieben Lichtern daran in die Fenster gestellt. Weihnachtsmärkte gibt es im Land der Fjorde und Schären hingegen nicht. "Wir dachten, dass es gerade dort besonders schöne Weihnachtsmärkte gäbe", bedauert Annett Rebel. Dafür genießt Lea die gemeinsamen Besuche auf den Weihnachtsmärkten in der Region oder auch in Berlin umso mehr. "Ich finde die Stimmung da richtig schön und es gibt so leckere Sachen zum Essen", schwärmt sie.

Glänzende Augen bekommt die 17-jährige Austauschschülerin, als sie vom medialen Adventskalender berichtet und die Begeisterung in ihrer Stimme verrät: Das ist eine schöne Tradition! Dabei gibt es täglich von verschiedenen Fernsehsendern eine Sendung, in der aus dem Leben einer Wichtelfamilie an dem jeweiligen Tag erzählt wird. Diese lustige "Daily-Wichtel-soap" gibt es für Kinder und Erwachsene. Gefragt, wie man sich das so vorstellen müsse, sucht Lea im Internet nach Bilder. Begeistert zeigt sie auf die menschlichen Darsteller im Fernseh-Adventskalender. Spitze, blaue Zipfelmützen, rotgefrorene Nasen und Wuschelhaare - die Nisse begleiten die Norweger jeden Tag mit lustigen Geschichten durch den Dezember.

Girlanden am Baum

Überhaupt sind Wichtel in Norwegen sehr, sehr wichtig, mahnt Lea Kristine. Auf jedem Hof existiert so ein Fjøsnisse, der das ganze Jahr fleißig arbeitet und im Geheimen hilft. Dafür muss man ihm am Heiligen Abend einen Teller Weihnachtsbrei mit viel Butter, Zucker und Zimt hinstellen. Bekommt er seinen Brei nicht, wird er richtig böse. Der Weihnachtsbrei in Norwegen heißt den Rest des Jahres übrigens Milchreis.

Der Weihnachtsbrei gehört traditionell zum Essen am Heiligen Abend. Im Brei versteckt ist immer eine Mandel. Wer diese in seiner Portion findet, der bekommt als Geschenk ein Marzipanschwein. "Irgendwie findet die Mandel sich fast immer auf dem Teller eines Kindes wieder", berichtet Lea augenzwinkernd. Beinahe scheint es, als ob da eine Spur Neid aus der den Kinderschuhen längst Entwachsenen spricht.

Bevor am lille Julaften – dem "kleinen Heiligabend" – am 23. Dezember, abends der Weihnachtsbaum mit viel selbst Gebasteltem und Girlanden geschmückt wird, hat Familie Myklebust viele Postkarten mit Weihnachtsgrüßen verschickt. "Ich schätze so 40 bis 50 Stück sind es immer", überlegt Lea und versetzt damit ihre Gastmutter Annett Rebel in Erstaunen. "Und ich dachte, ich wäre mit meinen sieben bis acht Karten schon gut", ist sie überrascht.

Die erwähnten Girlanden an den norwegischen Weihnachtsbäumen sind übrigens nicht nur bunt und hübsch. An fast jedem Baum findet sich auch eine mit kleinen norwegischen Nationalflaggen daran. "Und ganz unten am Baum werden gebastelte Papierkörbchen angehangen, in denen Süßigkeiten für die kleinen Kinder liegen", klärt Lea Kristine noch auf.

Weihnachten in Norwegen ist die Zeit der Familie, Freunde und Nachbarn. Man trifft sich, um in der "Weihnachtswerkstatt" gemeinsam Geschenke zu basteln und zu backen. Ein Pfefferkuchenhaus zum Beispiel. Kunterbunt und süß muss es verziert sein. Und in vielen Familien ist es Tradition dieses Haus am Silvesterabend in Stücke zu schlagen und zu essen.

Eine richtige kleine "Weihnachtsindustrie" läuft in dem Land im hohen Norden um diese Zeit an. Es gibt besonderes Weihnachtsbier, Weihnachtsbrause, Weihnachtsmarzipanschweine, den Weihachtsbrei, Weihnachtspastete und nicht zu vergessen, die Weihnachtswerkstatt. Und einen Weihnachtsmann, den gibt es auch. Die Geschenke aber bringen die Julnisser. "Weihnachten in Norwegen ist ein bisschen verrückt", gibt Lea Myklebust zu, "einmal im Jahr darf das sein."