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Im Wohnwagen zu Hause, in Tangerhütte daheim: Bonbonhersteller legte Grundstein der Jacobs Schaustellertradition lebt weiter

Von Birgit Schulze 30.05.2014, 03:27

Zwischen Karussells, Schießbuden, Entenangeln und kandierten Äpfeln haben sich Michael Jacob und Ivonne Groß einst kennengelernt. Festplätze, auf denen andere Menschen für ein paar vergnügliche Stunden verweilen, sind der Lebensmittelpunkt des jungen Paares. Damit setzt dieses eine lange Familientradition fort, die auch in Tangerhütte fest verwurzelt ist.

Tangerhütte l Eine Hochzeit sollte die Krönung großer Gefühle und der Beginn eines gemeinsamen Lebenswegs sein, doch manchmal ist sie sogar noch etwas mehr. Im Fall von Michael Jacob (29) und Ivonne Groß (31) verbindet sie eingefleischte Schaustellerfamilien miteinander und führt eine alte Tradition fort.

Diese Tradition ließ die Familie jüngst sogar als Sinnbild mit einer Weltkugel auf der Grabstätte des 2012 verstorbenen Tangerhütter Ehrenbürgers und Großvaters von Michael Jacob, Werner Jacob (senior), anbringen: "Die Welt ist unser Feld", lautet das Lebensmotto der Schaustellerzunft und das hat auch das junge Brautpaar für sich verinnerlicht.

Seit sechs Jahren ist es gemeinsam mit einem eigenen Schaustellerbetrieb von Werder/Havel aus selbständig. "Jacob und Groß - Da ist immer was los", wirbt Michael Jacob mit dem Slogan seines Unternehmens, das mit Entenangeln und Ballwerfen lockt. Er selbst kann sich durchaus vorstellen, später einmal wieder in Tangerhütte sesshaft zu werden, wo schon Großeltern und Eltern lebten. Während die Heimat der Schaustellerfamilie Groß in Werder an der Havel liegt, sind Jacobs seit der Nachkriegszeit Tangerhütter.

Persönlicher Draht zum Kulturhaus, zum Parkfest und zu Tangerhütte

Ihr Zuhause sei der Wohnwagen - fast das ganze Jahr über und das sei für ihn schon von klein auf der einzig richtige Weg gewesen, erzählt Michael Jacob. So sieht es auch seine Frau. "Wir haben uns durch unsere Opas kennengelernt", erinnert sich der Bräutigam schmunzelnd.

Klar, dass da bei der Hochzeit in der Vorwoche der Großteil der Gäste aus Schaustellern bestand. Im großen Saal des Tangerhütter Kulturhauses, der mit Stoffbahnen, Kristall- und Silberleuchtern sowie liebevoll dekorierten Säulen, Tafeln und Stühlen festlich glänzte, wurde das Paar - aber auch seine Entscheidung, die Schaustellertradition weiterzuführen - gefeiert.

Und auch zum Tangerhütter Kulturhaus hat Michael Jacob eine ganz besondere Beziehung - auch hier war der Großvater, diesmal der mütterlicherseits - Schuld. Denn mit Horst Seebald, lange Jahre Leiter des Kulturhauses, kam er schon als kleines Kind oft in das große Haus. Die Eltern des Bräutigams, Angelika und Werner Jacob, betreiben seit einigen Jahren die Kulturhausgaststätte und unterstützen das junge Paar gern, so wie die jungen Leute auch bei großen Veranstaltungen der Eltern mit anpacken.

Und Söhnchen Jason (5), inzwischen die fünfte Generation der Jacob-Familie, ist bereits selbst mit auf den Rummelplätzen unterwegs. Wie es zu der Familientradition kam, erzählt der Vater des Bräutigams, Werner Jacob (junior), langjähriger Vorsitzender des Altmärkischen Schaustellervereines und Mitbegründer der Mobilen Schule für Kinder beruflich Reisender:

Sein eigener aus Schlesien stammende Großvater, Erich Jacob, hatte einst als Süßwarenhersteller den Grundstein für die Schaustellertradition gelegt.

Mit seinen Bonbons kam er seinerzeit auf die Volksfeste, kaufte irgendwann ein Kinderkarussell dazu und startete nach dem Krieg, damals schon unterstützt von seinem Sohn Werner Jacob (senior), und mit einer aus zerstörten Gerätschaften neu zusammengebauten Luftschaukel nochmal durch. Den ersten Weihnachtsmarkt nach dem Krieg, der in Berlin stattfand, bereicherte er schon mit seinen Angeboten.

Weil dort zwar Geld zu verdienen, aber das tägliche Leben viel zu teuer war und auf dem Stendaler Schützenplatz bald auch die Volksfeste begannen, kam die zuvor in Berlin ansässige Familie in die Altmark, wurde in Tangerhütte heimisch. Werner Jacob (senior), war später Mitbegründer des Tangerhütter Parkfestes.

Nach der Wende gehörte er 1990 zu den Gründungsmitgliedern des Altmärkischen Schaustellervereins, war viele Jahre lang Vorsitzender und gab diesen Posten später an seinen Sohn Werner Jacob (junior) ab. Als Ehrenvorsitzender blieb er lange Stütze der altmärkischen Schausteller und seiner Familie, wurde Ehrenbürger in der jüngsten Stadt der Altmark und mit 80 Jahren Träger der Ehrenspange des Landes für sein ehrenamtliches Engagement.

Dass schon sein Vater überzeugter Christdemokrat war, hat für den frisch gewählten neuen Stadtrat Werner Jacob (junior) auch eine lange Tradition: Die Volksfeste, auch Kirmes genannt, entstanden einst aus der Tradition der Kirchweihfeste.

Christliche Traditionen und den Spaß am Feiern wieder stärker zu verbinden, dafür setzt er sich schon seit Langem ein. Wer selbst einmal zu Gast sein will in der bunten Schaustellerwelt, der kann das ab heute Nachmittag im Rahmen des Tangerhütter Parkfestes tun - auf dem Zirkusplatz am Stadtpark aber auch am historischen Kunstgusspavillon werden auch wieder einige "Jacobs" zu finden sein. Denn Tradition verpflichtet.