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Der 83-jährige Fritz Lohse aus Windberge und sein Lanz Bulldog wurden gemeinsam alt 20 PS begleiten vier Generationen

Von Rudi-Michael Wienecke 25.08.2014, 03:31

In Windberge und Umgebung erklingt er noch, der typische Sound des Lanz-Bulldog. Ist das mehr der minder schnelle Wupp, Wupp, Wupp zu vernehmen, weiß man, Fritz Lohse geht mit seinem Trecker auf Tour.

Windberge l Auf moderne, schwere Ackertechnik kann der Landwirt Klaus Westphal aus Windberge nicht verzichten. Ein Traktor passt aber ganz und gar nicht in die Reihe dieser leistungsstarken Modelle. Es ist ein kleiner grau-blauer Lanz-Bulldog. Westphals Schwiegervater Fritz Lohse hütet diese Maschine wie seinen Augapfel. Schließlich kennt man sich ein Leben lang.

Auch ein Trecker ersetzte die Pferde nicht

Der 83-Jährige kann sich noch genau daran erinnern, als der Bulldog mit seinen gerade einmal 20 PS unter der Haube erstmals auf dem Hof stand. Der heutige Senior war ein siebenjähriger Junge. Sein Vater, Friedrich Lohse, kaufte den Schlepper, Baujahr 1938, von der Firma Schreiber aus Stendal, einem Landmaschinenhandel mit Werkstatt. Damit gehörte Friedrich Lohse zu den Vordenkern in der landwirtschaftlichen Praxis seiner Zeit. Denn üblicher Weise dienten damals noch Pferde oder Rinder vor Pflug oder Wagen. Nur ein Kollege aus Windberge war schneller als sein Vater, erinnert sich Fritz Lohse. Der Gutsbesitzer Hermann Curland bewirtschaftete seine 65 Hektar mit einem Lanz, Baujahr 1928.

Genutzt wurden die 20 PS auf dem Hof der Lohses überwiegend für schwere Ackerarbeiten wie das Pflügen oder Schälen. Mit seinem Schwungrad konnte der Lanz über Riemen aber auch stationäre Maschinen wie eine Dreschmaschine antreiben. Die Pferde ersetzte der Traktor auf dem Hof aber nicht. Für die Bewirtschaftung kleinerer Stücke beziehungsweise für Pflegearbeiten spannte Friedrich Lohse noch immer seine Rösser an. Überhaupt war sein Vater, Jahrgang 1889, eher ein Freund der Pferde als der selbstfahrenden Technik, macht Fritz Lohse klar. Während des Krieges blieb der Traktor sowieso öfter im Schuppen, denn Diesel war begrenzt.

Nach dem Krieg war es zunehmend Fritz Lohse, der dann hinter dem Lenkrad Platz nahm. Der Bulldog kam nicht nur in der eigenen Wirtschaft, sondern teilweise auch bei Neubauern zum Einsatz.

Der Tatsache, dass Lohses mit ihren etwa 40 Hektar recht lange dem LPG-Beitritt widerstehen konnten, ist wahrscheinlich noch die heutige Existenz des kleinen Treckers zu verdanken. Denn als sie Anfang der 60er Jahre zu Genossenschaftsbauern wurden, war die Landtechnik schon weiter entwickelt. "Von Seiten der LPG gab es kein Interesse an unserem Lanz", erinnert sich Fritz Lohse. Der Bulldog blieb im heimischen Schuppen.

Mit einer Lenkraddrehung wird gestartet

Zehn Jahre stand er ungenutzt, bis Lohse ihn in den 70ern wieder aktivierte. Mit den 20 PS wurde der Garten gepflügt oder es wurden Kohlen geholt. Immerhin bringt es der Schlepper auf der Straße auf 18 Kilometer pro Stunde.

Nach der Wende änderte sich der Zweck des Bulldogs. Aus dem Arbeitsgerät wurde ein Schauobjekt. Gepflegt und gewienert, ist der kleine Trecker der Hingucker auf so manchem Oldtimer-Treffen. Regelmäßig zu Gast sind Fritz Lohse und sein Lanz beispielsweise auf der großen Schau in Lüderitz. Auch den Steinfelder Bauernmarkt lassen sich beide nicht entgehen.

Die robusten Technik des Schleppers bereitet selbst im mittlerweile fast achten Jahrzehnt ihres Bestehens keine Schwierigkeiten. Mit einer Lötlampe heizt Fritz Lohse den Glühkopf vor, dann nimmt er das Lenkrad, steckt es in die Kurbelwelle an der Seite und nach kräftigen Drehungen erklingt das typische Wupp, Wupp, Wupp. Nur die Lampen des Lanz` sind nicht mehr original. Auch das Dach wurde nachträglich vom Schmied des Dorfes auf den Trecker draufgesetzt.

Darunter nahm in jüngerer Vergangenheit des Öfteren bereits Sören Westphal Platz. Er ließ sich von Großvater Lose in die Geheimnisse der einfachen und robusten Technik sowie ihrer Tücken einweihen. Der Lanz wird auf dem Hof bleiben. Welcher der modernen Kraftprotze neben ihm kann überdies schon von sich behaupten, vier Generationen einer Familie gute Dienste geleistet zu haben?