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Wählerforum mit den Landtagskandidaten zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen / Konsens: Ausbildung sollte praxisnah sein

Von Corinne Plaga 04.03.2011, 04:26

Erhitzte Gemüter am Mittwochabend im Ratskeller: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Kreisverband Stendal, lud zum Wählerforum mit den Landtagskandidaten ein. Thema: das Kinderförderungsgesetz. Bei den Punkten Bildung und Ausbildung gingen die Meinungen auseinander. Neben den Politikern meldeten sich auch Erzieher und Leiter von Einrichtungen zu Wort.

Stendal. Schon in der Ankündigung zum Wählerforum im Ratskeller stellte der GEW-Kreisverband Stendal seinen 7-Punkte-Forderungskatalog vor, der mit den Kandidaten der Parteien am Mittwochabend etwa zwei Stunden diskutiert werden sollte.

Moderator Frank Wolters von der GEW ging nochmal explizit auf die einzelnen Punkte ein, die zur Novellierung des Kinderförderungsgesetzes, kurz: KiFöG, beitragen sollen. "2003 wurde das Gesetz eingeführt. Wir wollen heute diskutieren, ob das Gesetz gehalten hat, was damals versprochen wurde", sagte Wolters in die Runde. Zu den geforderten Punkten gehört unter anderem die "Wiedereinführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung aller Kinder unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern". Ein Thema, das bei den anwesenden Politikern verschiedene Meinungen hervorrief. So setzte sich Tilman Tögel (SPD) für frühkindliche Bildung und Förderung ein - ein Ganztagsanspruch sei notwendig. Er sehe zudem einen Bruch, wenn es um den Übergang von der Kita in die Grundschule geht.

CDU-Kandidat Hardy Peter Güssau hingegen sieht den Anspruch auf ganztägige (also zehn Stunden) Betreuung eher kritisch und meinte: "Eltern müssen sich auch um ihr Kind sorgen." Es könne nicht immer nur der "fürsorgliche Staat" die Verantwortung der Eltern übernehmen. Überhaupt sehe er die Probleme, wie von der GEW dargestellt, nicht als realistisch an. "Ich habe darüber aus ihrer Ecke noch nie vorher Beschwerden gehört. Sicherlich kann man aber an dem Gesetz etwas verbessern", gestand Güssau ein.

"Kinder sollten an erster Stelle stehen"

"Das Gesetz muss geändert werden, und das ist auch finanzierbar", lautet die Meinung Adolf Grögers (Bündnis 90/Grüne). Er verglich die deutschen Verhältnisse mit denen in skandinavischen Ländern: "Dort wird zuerst geschaut, was das Kind braucht, und dann nach dem Geld gefragt. Kinder sollten an erster Stelle stehen und Spaß am Lernen haben." Mario Blasche sprach sich ebenso für einen Ganztagsanspruch aus. "Die Wiedereinführung kostet etwa 37 Millionen Euro", äußerte der Linke-Kandidat. Er unterstützte zudem Punkt 6 der GEW-Forderung, dass alle Kindereinrichtungen auch behinderte und benachteiligte Kinder betreuen sollen.

"Im Vordergrund steht das Kind", sagte Astrid Bleißner, die stellvertretend für den Kandidaten Marcus Faber die FDP in der Runde vertrat. Sie sehe ein Vorschuljahr als notwendig an, da die Kinder bei Schulbeginn oftmals unterschiedlich weit in der Entwicklung seien, vor allem was die Sprache angeht. Ebenso plädierte sie dafür, mehr Männer für den Beruf des Erziehers zu begeistern.

"Ältere Kolleginnen fallen öfter wegen Krankheit aus"

Moderator Frank Wolters machte ein weiteres Themenfeld auf und zeigte anhand einer Grafik, wie hoch die Ausfallquote bei den Mitarbeitern in den Einrichtungen ist. Demnach würden von 125 Mitarbeitern täglich 25 ausfallen, schlicht im Alltag fehlen. "Das liegt zum Großteil daran, dass der Altersdurchschnitt der Erzieherinnen bei 50 liegt, und sie dementsprechend auch öfter krank sind", sagte Wolters. Gerade darum müssten jüngere Kollegen eingestellt werden. Doch die müssten dann auch die Anforderungen erfüllen, was wiederum an der Ausbildung - an einer Fachschule oder Fachhochschule - liege. "Das Problem mit den Krankheitsausfällen kann ich nur bekräftigen", meldete sich Ines Daniel, Leiterin einer Integrativen Kita zu Wort. Eine andere Zuhörerin konterte: "Warum sind wir denn krank? Weil wir seit Jahren auf kleinen Stühlen sitzen und uns ständig bücken müssen." Während Moderator Wolters Partei für die akademische Erzieherausbildung an Hochschulen ergriff, fragte Marika Mund, Färberhof-Leiterin und studierte Sozialpädagogin: "Warum sind Sie der Annahme, dass Akademiker in der Praxis besser wären?" Ihrer Meinung nach bekämen viele erstmal einen "Praxisschock".

Einig waren sich aber alle: Die Ausbildung muss praxisorientiert sein. Der Abschluss sei dabei egal, die soziale Kompetenz und die Eignung für den Erzieherberuf wichtig. Der Trend gehe aber klar dorthin, dass mehr Hochschulabsolventen in die Kinderbetreuung gehen würden, so Tögel.

Lobend erwähnt wurde im Zuge dessen das geplante Kompetenzzentrum für Frühkindliche Bildung am Hochschulstandort Stendal.