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Tierisches Wahrzeichen des Höhlenortes an der Bode nicht in Gefahr, aber auf dem Prüfstand Einhorn, Eiszeit, Knochenfund – der König der Bären

Von Burkhard Falkner 29.11.2010, 05:25

Es war angekündigt und dennoch schmerzhaft für viele Rübeländer: Ihr Wahrzeichen, der berühmte Höhlenbär, wurde zur Sanierung abgebaut (wir berichteten). Nun läuft die Untersuchung, das Ergebnis ist offen. Grund genug, die Sache mit den Bären in Rübeland mal unter die Lupe zu nehmen. Eine Geschichte von Einhörnern, Denkmalen und einem Bären mit Spitzname "Heinz" kommt zum Vorschein.

Rübeland. Die Untersuchung des Rübeländer Bären läuft, allerdings ohne Tierarzt.

Denn Rübelands Bär ist aus Beton. Fachleute wie Steinmetzmeister Kurt Lichtblau aus Elbingerode und Experten der Bergsicherung Ilfeld zerbrechen sich deshalb nun den Kopf, wie dem Wahrzeichen wieder auf die Sprünge, die Herzklippe zu helfen ist.

Letzten Dienstagabend war das tonnenschwere Standbild wegen Baufälligkeit abgenommen worden. Die Klippe ist kahl und fällt dadurch auf. Denn das Standbild und vor allem echte Höhlenbären gehören schon seit grauer Vorzeit zu Rübeland.

Das zottige Tier war einst Zeitgenosse der Mammute und Säbelzahntiger in der Eiszeit. ("Ice Age" und ähnliche Filme lassen grüßen, wären auch im Harz denkbar.) Der brummige große Geselle gilt als eigenständige Tierart, und seine robusten Knochen wurden in vielen Höhlen Europas entdeckt.

<6>Seit etwa Mitte des 16. Jahrhunderts kamen sie Quellen zufolge auch in den Rübeländer Tropfsteinhöhlen zum Vorschein. Dort wird noch heute in der Hermanns- und in der Baumannshöhle je ein Skelett präsentiert. Es sind allerdings Nachbildungen, denn man weiß ja nie ... Derartige Knochen wurden früher oft gehandelt, gestohlen und sogar dem sagenhaften Einhorn zugeschrieben. Schön zermahlen und geschluckt, wurde ihnen Heilkraft nachgesagt und nach Risiken und Nebenwirkungen nicht gefragt.

Altes Standbild fällt plötzlich auf den Kiosk

Als Wappen- oder Standbild befindet sich der Rübeländer Bär in guter Gesellschaft. So etwa mit den Bären in Bern (Schweiz) oder mit dem im Namen des Askaniers "Albrecht der Bär" im 12. Jahrhundert, auch "Albrecht von Ballen-stedt" genannt. Nicht zu vergessen der deutsche Hauptstadtbär in Berlin.

Rübelands Wappentier hat also Brüder - und ist als Höhlenbär vermutlich doch noch etwas Besonderes. Das würde den Stolz der Rübeländer auf ihren Bären und die Sorge um Zustand und Verbleib des seit über 110 Jahren gewohnten Standbildes erklärbar machen.

1896 ist Chroniken zufolge erstmals in Rübeland wegen der vielen Knochenfunde ein Bär aufgestellt worden. "Dem letzten seines Stammes" wurde selbstbewusst in den Sockel der naturalistisch gestalteten Figur gemeißelt. Der Koloss, es ist quasi Rübelands Höhlenbär I., wurde bestaunt, unzählige Male fotografiert und gemalt. Er wurde auf Bildern, Postkarten und Fotos in Familienalben verewigt. Um so schmerzlicher der Verlust, als dieser Erstling am 29. März 1969, "am frühen Nachmittag", wie Bärenkenner Holger Stenzel aus Rübeland weiß, von der Klippe stürzte. Voll auf den Kiosk und die Hasselfelder Straße unter ihm. Das Fundament sei verschlissen gewesen, hieß es damals.

Aus den Bruchstücken war offenbar nichts mehr zu machen. Und es dauerte, bis ein Nachfolger sichtbar wurde. Ob Teile des alten Bären mit verarbeitet wurden, ist unklar. Jedenfalls hat die Gemeinde bald nach dem Absturz wieder ein Standbild – Rübelands Höhlenbär II. Der wird jedoch aus Gründen der Verkehrssicherheit – und zum Leidwesen vieler Rübeländer – nicht auf der Herzklippe, sondern unten am Bodeufer postiert. Weswegen es auch Streiche gibt, wobei dem Bären mitunter sogar Hörner aufgesetzt werden, wie manche Einwohner heute noch schmunzelnd berichten.

Doch in Rübeland können offenbar selbst Steinbären klettern. 1984 gelingt es treuen Bärenfreunden, unter ihnen der heutige Ortsbürgermeister Uwe Anderfuhr, Höhlenbär zwei auf den angestammten Platz oder Thron zu heben. Von dort oben grüßt er, wird auch wieder bestaunt und bekommt ab und zu eine Gitarre umgehängt, wenn sich Jugendliche zum Festival "Der Bär groovt" treffen. Es taucht ein Verwandter, allerdings auch ein Möchtegern-Bruder auf.

Ein etwas kleineres Standbild ist zum Beispiel im Rübeländer Ortspark gegenüber der Baumannshöhle zu sehen. Es hatte früher seinen Platz über dem Eingangshaus zur Baumannshöhle, musste dann aber abgenommen werden, weil das alte Höhlengebäude einzustürzen drohte. Das tat es später stellenweise auch ohne Bär, woraufhin ein wunderschönes saniertes Höhleneingangsgebäude entstand. Es gilt als fest und sicher, und so wird nun vorschlagen, diesen Bären wieder auf das Dach der Baumannshöhle zu stellen.

Dort stand übrigens vor Jahren auch mal ein moderner Bär. Allerdings nicht lange. Er kam bei den Bürgern gar nicht an, galt als Mischung aus "Baloo", dem Bären aus dem Dschungelbuch, "Pu" und einem Bonbonbär, wie heute noch gelästert wird. Auf Grund massiver Kritik der Bürger wurde dieser "falsche" Bruder bald abgenommen. Vielleicht findet "Baloo" oder "Heinz", wie er genannt wurde, wenigstens im Kindergarten Asyl, wie vorgeschlagen wird. Und der echte aller Bären, der heimliche König der Bären? Dessen Steinkörper liegt nun darnieder. Gut geschützt, und er wird genau begutachtet.

Falscher Bruder "Heinz" bald im Kindergarten?

Diskutiert wird, Rübelands Höhlenbär II. von oben bis unten zu durchbohren. Das klingt unschön, gibt aber die Möglichkeit, einen Stahlkern einzufügen und so zu verkleben, dass der Koloss nie wieder Festigkeitsprobleme hat und als Sinnbild bärenstarker Rübeländer bald zurückkehrt. Die Untersuchung läuft.