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Nach Konsultation mit Fachmann Georg Fiedler: Futterhilfe für jungen Weißstorch

Von Jörg Niemann 29.11.2010, 05:24

Vor einigen Wochen berichtete die Harzer Volksstimme über das Aufstellen eines künstlichen Storches auf dem Horst über der Tenne in Derenburg. Nun könnte der "Pappkamerad" schneller als gedacht wieder weichen. Der am nördwestlichen Stadtrand beobachtete Storch hat schon mehrfach Anlauf auf eine Nesteroberung genommen. Doch das unbewegliche Ebenbild ließ ihn stutzig werden.

Derenburg. Der Weißstoch, der sich seit Wochen am Stadtrand von Derenburg aufhält, will offenbar auf den Horst über der Tenne. Zumindest wurde er mehrfach auf dem Dach des benachbarten Gasthofes "Weißer Adler" gesehen. Und die sehnsuchtsvollen Blicke richteten sich auf das Nest am anderen Holtemme-Ufer.

Die Storchenattrappe wurde erst kürzlich von einigen Derenburgern mit Hilfe der Feuerwehr auf den Schornstein gebracht. Nachdem sich den ganzen Sommer über kein Storch für längere Zeit im Nest aufhielt, setzten die Derenburger eigentlich aus einem Anflug von Trotz die Attrappe dort drauf. Doch nun könnte sie von dort wieder entfernt werden, denn der "richtige" Weißstorch hat ein Auge darauf geworfen. Der Platz könnte ihm zumindest einen sicheren, wenn auch keinen warmen Platz zum Überwintern bieten. In luftiger Höhe ist er zumindest vor Füchsen und anderen Räubern geschützt. Die Existenz des Tieres und vor allem seine bisherige Standorttreue hat den ehrenamtlichen Weißstorchbetreuer des Harzkreises, den Rohrsheimer Georg Fiedler, auf den Plan gerufen. Der Fachmann gibt den Volksstimme-Lesern Tipps, wie das Tier über den Winter gebracht werden kann.

Der Experte hat festgestellt, dass es sich um ein Jungtier des Jahrgangs 2010 handelt. "Der Storch ist nicht im Harzkreis geschlüpft, denn von den insgesamt 20 aufgewachsenen Jungvögeln konnte ich 14 beringen, die übrigen sind nachweislich schon im August artgerecht abgezogen. Ich vermute, dass der Derenburger Storch erst sehr spät geschlüpft ist und deshalb den Zug der anderen Tiere verpasst hat", meint Fiedler.

Der Experte weiß auch, dass Störche mit Minusgraden über 25 Grad Kälte klar kommen. Viel schwieriger ist die Suche nach geeignetem Futter. Und hier haben sich die Derenburger Irmgard und Helmut Jacobi bereit erklärt, dem Vogel ein zusätzliches Nahrungsangebot zu unterbreiten. Allerdings sollten möglichst nur die Jacobis zufüttern, weil ein Storch gegenüber Menschen Zutrauen entwickeln kann, was bei einer überschaubaren Zahl von Helfern eher gelingt.

"Mit etwas Glück bleibt der Storch in Derenburg"

"Wichtig ist, dass nun nicht ganz Derenburg helfen kann. Blinder Eifer ist für den Storch genauso gefährlich wie Ignoranz. Ich habe mich mit den Jacobis abgestimmt und sie wissen, was genau zu tun ist", erklärt Georg Fiedler. Er warnt davor, sich dem Storch zu nähern. Dies könne ihm Angst einjagen und ihn für immer aus Derenburg vertreiben.

Der Storchenfachmann erklärte auch, warum das Tier oft in der Nähe von Graureihern zu beobachten ist. "Graureiher sind an die Winter hier gewöhnt und wissen, wo es trotz Schnee und Eis Futter gibt. Dieses Wissen macht sich der clevere Storch zunutze und schließt sich den Reihern an. Schließlich haben beide einen fast identischen Speiseplan", erklärt Fiedler.

Ob das Tier den Winter über in Derenburg bleibt, ist nicht vorauszusagen. Für den Vogel ist einzig wichtig, dass er genügend Nahrung findet und in Ruhe gelassen wird. Gelingt beides, könnte er bleiben; Garantien kann aber niemand geben. Fest steht nur, dass er nach Aussagen des Fachmanns keine Wachstumsstörungen hat und ganz gesund zu sein scheint. Mit etwas Glück bleibt er. Und wenn nicht, dann weiß er jetzt zumindest, wo er im Frühjahr ein Zuhause bekommen kann – auf dem Horst über der Tenne. Und sollte dies geschehen, so wäre er schon einmal mit dem Ort vertraut, an dem er eines Tages für Nachwuchs sorgen könnte, wenn mit zwei oder drei Jahren seine Geschlechtsreife einsetzt.