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Volksstimme-Serie: Wohngebiet am Küchengarten entfacht Debatte im Bauausschuss Stadträte fordern mehr Luxus

Von Julia Bruns 19.12.2014, 02:11

Der Immobilienmarkt in Wernigerode ist wie leergefegt. Besonders Familien verzweifeln bei der Suche nach einer Bleibe. Die Volksstimme berichtet über die Wohnungssuche in Wernigerode in einer neuen Serie. Heute Teil 6: Wohnpark im Küchengarten sorgt für Debatte im Bauausschuss.

Wernigerode l Auf dem 1,7Hektar großen Küchengarten-Areal zwischen Lindenallee und Walther-Rathenau-Straße in Wernigerode soll ein Wohngebiet entstehen. Doch wie soll die Brache gestaltet werden? Um diese Frage ist im Bauausschuss eine hitzige Debatte entbrannt. Auf der einen Seite Stadträte wie Matthias Winkelmann (CDU) und Frank Diesener (Haus Grund), die mehr "Mut zu Neuem" fordern. Auf der anderen Seite die Macher des Bebauungsplanes, die einen Kompromiss zwischen der Gestaltung in der Rathenau-Straße und den wirtschaftlichen Erwartungen eines möglichen Investors schaffen wollen.

Der Wernigeröder Bauingenieur Axel Surowy und der Bernburger Landschaftsarchitekt Jens Kiebjieß zeichnen sich für den Bebauungsplan verantwortlich (siehe Grafik). Ihrer Vorstellung nach soll das Areal in drei Bereiche gegliedert werden: Im ersten Bereich entlang der Rathenau-Straße finden sechs Einzelgrundstücke mit Einfamilienhäusern Platz. Auf dem zweiten Abschnitt am Standort des einstigen Gebäudes der Maxim-Gorki-Schule sollen zwei Reihenhausblocks mit je vier Wohneinheiten entstehen. Der dritte und größte Bereich ist für sechs dreigeschössige Stadthäuser mit jeweils neun Wohnungen vorgesehen.

"Otto Normalverbraucher wird sich die Wohngegend nicht leisten können. Familien, die das Geld haben, besitzen zwei oder drei Autos."

Sabine Wetzel (Grüne)

Um den nicht unerheblichen Höhenunterschied zwischen Walther-Rathenau-Straße und Lindenallee auszugleichen, haben sich die Planer etwas einfallen lassen: Jeweils zwei der Stadthäuser sollen auf drei unterschiedlich hohen Terrassen angeordnet werden - wie auf einer Treppe. So liegen die beiden Gebäude hinter dem Planetarium 1,80Meter über dem Niveau der Rathenau-Straße. Die beiden mittigen Stadthäuser und die beiden Häuser an der Lindenallee sind jeweils 1,40Meter höher positioniert.

Damit die künftigen Bewohner des Küchengartens ihre Domizile mit dem Auto erreichen können, soll eine Stichstraße von der Lindenallee ausgehend in das Wohngebiet gebaut werden. Über diese Strecke gelangen die Stadthaus-Bewohner in eine Tiefgarage mit 65 Stellflächen. Das Dach der Garage soll begrünt und an zwei Stellen geöffnet werden, sodass Bäume von der Parkebene hinaus an die Erdoberfläche wachsen können. Eine weitere Straße zur Erschließung des Wohngebietes führt am Planetarium entlang. Am Planetarium sind 24Parkplätze vorgesehen.

Das Gebiet soll aus der Altstadtsatzung herausgelöst werden. Eine eigene Satzung soll aber vorgeben, dass bei der Gestaltung der Häuser nur natürliche, nichtglänzende Materialien verwendet werden. Zudem dürfen nur rote, nichtglänzende Tonziegel die Dächer schmücken, die vornehmlich geneigt sein sollen.

Besonders die großen Stadthäuser stießen im Bauausschuss auf Kritik. "Die Stadtvillen am Stadtgarten und am Großen Bleek stören keinen - denn da muss auch niemand ständig hinsehen", sagte Sabine Wetzel (Bündnis 90/Grüne). An der Lindenallee sei das jedoch anders. Die Lehrerin bemängelte, dass in der Tiefgarage zu wenig Parkplätze geplant seien. "Otto Normalverbraucher wird sich diese Wohngegend nicht leisten können. Familien, die das Geld haben, besitzen zwei oder drei Autos."

"Wohneigentum wird immer teurer. Wir müssen auch an die Wernigeröder denken, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen."

Siegfried Siegel (SPD)

Wernigerode gehöre nicht gerade zu den günstigen Wohnlagen, sagte Siegfried Siegel (SPD). Er befürchte, dass die aufwändige Bebauung mit Terrassierung und Tiefgarage dazu führt, dass auch hier nur sehr teures Wohneigentum angeboten wird. "Wir müssen auch an die Wernigeröder denken, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen", so Siegel. "Wir dürfen diesen Trend, dass Wernigerode immer teurer wird, nicht noch fördern."

Dass Ärzte und andere besser verdienende Berufsgruppen sich im Küchengarten ihren Traum vom Wohnen in Wernigerode erfüllen, befürwortet dagegen Frank Diesener (Haus Grund). "Diese Bebauung ist quadratisch, praktisch, gut", so der Schulleiter. "Rote Dächer? Wo ist da der Mut zu Neuem? Das entspricht nicht dem Wettbewerbscharakter. Wernigerode braucht ein hochwertiges Wohngebiet - gern auch mit luxuriösen Villen." Der Stadtrat müsse eine zentrale Frage beantworten, so Diesener: "Wollen wir eine investorenorientierte Bebauung? Oder wollen wir die Grundstücke einzeln vermarkten und Menschen, die aus Wernigerode weggezogen sind, eine Chance geben, zurückzukehren?"

Dass die Rathenau-Straße ein Villenviertel ist, betonte Matthias Winkelmann (CDU). "Auf mich wirkt diese Bebauung klotzig. Ich hätte mir gewünscht, dass die Möglichkeit genutzt wird, Anwesen mit architektonisch anspruchsvollen Villen zu bauen." Das Areal werde mit sechs "Betonklötzen" an Charme verlieren. "Jetzt ist es alles schön gerade und langweilig", zeigte sich Uwe-Friedrich Albrecht (CDU) wenig begeistert von dem Bebauungsplan. Die Entscheidung über den Entwurf wurde im Bauausschuss vertagt.

Der Küchengarten hat eine kontroverse Vorgeschichte: Die Stadtverwaltung hatte sich 2013 an der dritten Staffel der Initiative "Mut zur Lücke - Mut zu Neuem" beteiligt und für den Küchengarten einen Wettbewerb ausgelobt. Er sollte die Grundlage für eine Bebauung mit zeitgenössischer Architektur schaffen. Als Siegerin war die Wernigeröder Architektin Skadi Giertz hervorgegangen, die 89 Wohnungen auf dem Areal geplant hatte.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich die Planerin gestalterisch bei einem fremden Entwurf bedient hatte, wurde ihr der Preis aberkannt (Volksstimme berichtete). Das Wernigeröder Büro Planungsring und das Bernbürger Büro Baumeister waren mit ihrem gemeinsamen Entwurf als Zweitplatzierter aus dem Wettbewerb hervorgegangen. Ihren ersten Entwurf hatten sie überarbeitet. Ihre ursprüngliche Fassung sah statt der beiden Reihenhausblocks mehrere Hofhäuser vor.