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Absolventen gehen noch vor Abschluss in Arbeit / Stadt hat ständig Bedarf an Nachwuchs Erzieher sind gefragt wie nie

Von Katrin Schröder 16.03.2015, 02:30

Wer einen Abschluss als Erzieher in der Tasche hat, muss sich um seine berufliche Zukunft nicht sorgen. Die Absolventen sind gefragt, der Arbeitsmarkt wie leer gefegt. Das hat Konsequenzen für die Personalpolitik der Stadtverwaltung, des größten Trägers von Kindereinrichtungen in der Stadt.

Wernigerode l Wer einen Abschluss als staatlich anerkannter Erzieher vorweisen kann, braucht sich um seine berufliche Zukunft nicht zu sorgen. "Wir stellen nur noch unbefristet ein", sagt Wernigerodes Hauptamtsleiter Rüdiger Dorff. Die Stadtverwaltung betreibt 13Kindertagesstätten sowie drei Grundschulhorte. Damit ist sie der größte Träger von Kindereinrichtungen in der Stadt - und braucht ständig Nachwuchs. Der ist aber gar nicht so einfach zu bekommen, wie Dorff vor kurzem am Rande der Haushaltsberatungen im Finanzausschuss berichtete.

Das liegt zum einen an den Bestimmungen des Kinderförderungsgesetzes (Kifög). Weil der Betreuungsschlüssel sinkt, muss mehr Personal beschäftigt werden. Zum anderen sind viele Erzieherinnen - der Beruf ist weiterhin eine Frauendomäne - im fortgeschrittenen Alter. Etwa ein Drittel ist 55Jahre oder älter. Daher ist absehbar, dass in wenigen Jahren viele Mitarbeiterinnen in Rente gehen werden. "Das ist schon ein Generationswechsel", so Dorff.

Um diesen auszugleichen, müssten pro Jahr zehn neue Kräfte eingestellt werden, schätzt Sozialamtsleiterin Petra Fietz. Dennoch werde die Kommune dem Versorgungsauftrag gerecht, betont sie. Im Schnitt kümmern sich in den städtischen Einrichtungen gut 200 Mitarbeiter um rund 1600Kinder - die genauen Zahlen schwanken von Monat zu Monat, so Petra Fietz.

"Es fehlt keiner. Die Betreuung der Kinder ist gesichert", sagt auch Hauptamtsleiter Dorff. Doch wenn Kollegen wegen Krankheit oder Elternzeit fehlen, sei es über das Jahr schwer, Ersatz zu finden. "Einstellen können wir oft nur zum August, weil dann die Absolventen ihre Ausbildung beendet haben", berichtet Dorff. Dann müssten im Zweifel die anderen Beschäftigten, die überwiegend Teilzeit arbeiten, die Mehrarbeit auffangen. Per Arbeitszeitkonto würden die Zeiten dann ausgeglichen.

Wie leer gefegt sei der Arbeitsmarkt, auch weil in Niedersachsen um Erzieher geworben werde, sagt Dorff. Doch wer in Wernigerode eine Ausbildung absolviert, ist in der Regel heimatverbunden. "80bis 85 Prozent unserer Absolventen bleiben in der Region", sagt Susanne Jäschke. Sie leitet die berufsbildenden Schulen der Oskar Kämmer Schule (OKS) in Sachsen-Anhalt. Seit 2006 bildet die OKS in Wernigerode Erzieher aus. Das Interesse ist "ungebrochen", sagt Susanne Jäschke. In der Regel seien es immer noch vor allem junge Frauen, die sich für den Beruf interessieren. "Es gibt zum Glück auch einige Männer, aber ihr Anteil ist gering", sagt die Schulleiterin.

Wegen der großen Nachfrage werden im aktuellen Schuljahr erstmals zwei Klassen parallel ausgebildet. Die Schüler absolvieren innerhalb von drei Jahren insgesamt sechs Praktika. "Das hat den Vorteil, dass die Schüler die Möglichkeit haben, verschiedene Einrichtungen kennenzulernen", erklärt Susanne Jäschke. Möglich sei das nur in enger Zusammenarbeit mit großen Trägern wie der Stadt Wernigerode - die den Nachwuchs wiederum gern übernimmt.

Dass der Bedarf an qualifiziertem Betreuungspersonal steigt, spürt man an der Oskar Kämmer Schule deutlich. "Alle unsere Absolventen sind in Arbeit", sagt Susanne Jäschke. Diejenigen, die ihre Ausbildung abschließen, haben danach praktisch eine Jobgarantie. Es komme häufiger vor, dass den Schülern bereits vor dem Ende ihrer Ausbildung Arbeitsverträge angeboten werden und sie nach der Prüfung nahtlos ins Berufsleben wechseln, berichtet die Schulleiterin.

Fest steht, dass Erzieher auf Jahre hinaus gebraucht werden - denn Wernigerode erfreut sich einer relativ hohen Kinderzahl. 244 Babys wurden 2014 geboren. "Unsere Geburtenstatistik ist sehr beständig", sagt Petra Fietz. Laut Hochrechnungen der Verwaltung sei erst gegen Ende des Jahrzehnts mit einem Rückgang der Geburtenzahlen zu rechen, ergänzt Rüdiger Dorff. Dann aber schlage der Generationswechsel in der Mitarbeiterschaft voll durch. Da sei es besser, eher eine Kraft zu viel als eine zu wenig zu beschäftigen. "Das Wichtigste ist, dass die Kinder vernünftig betreut werden."