Landwirtschaftsminister Aikens in Wernigerode Künftig ohne Gießkanne

Viele reden über den demografischen Wandel. Was er wirklich bedeutet, welche Auswirkungen er hat, das will das Land mit der "Woche der Demografie" verdeutlichen. Am Mittwoch machte das Infomobil Station in Wernigerode, samt Schulbesuch und Regionaldialog.

17.04.2015, 01:19

Wernigerode (afi/wb) l So genau wusste Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aikens (CDU) offenbar auch nicht, warum ausgerechnet er über Auswirkungen und Herausforderungen des demografischen Wandels referieren sollte. Wirkliche Probleme durch den demografischen Wandel sah er in den ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts, für die er zuständig ist, nämlich nicht. Und da das ganze Bundesland mit Ausnahme von Magdeburg, Halle und Dessau ländliche Region sei, hat auch Sachsen-Anhalt kein Demografieproblem, so das Fazit seines Vortrags. Den hat Aikens am Mittwochnachmittag beim Regionaldialog in der Diesterweg-Schule gehalten, quasi als Höhepunkt des Wernigeröder Parts der landesweiten Demografiewoche.

Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) hatte da zuvor schon deutlich mehr Schwierigkeiten ausgemacht, die durch sinkende Geburtenrate und Überalterung der Bevölkerung entstehen. Das sei eine der "größten Herausforderungen", vor denen Sachsen-Anhalt stehe. Wichtig sei, dass Dörfer und Städte lebenswert bleiben, um nicht noch mehr Bevölkerung zu verlieren. Deshalb Gafferts Forderung ans Land: "Wir dürfen die ländlichen Regionen nicht kaputtsparen."

Gleichwohl werde es das Land auf Dauer nicht hinbekommen, dass "an jeder Ecke gleiche Verhältnisse herrschen". Gaffert forderte deshalb eine Abkehr vom Gießkannenprinzip. Wichtiger sei es, Regionen mit Wachstumspotenzial zu stärken in der Hoffnung, dass diese dann ihre Nachbarn mitziehen.

Dass der demografische Wandel aber noch ganz andere Herausforderungen mit sich bringt, machte Gaffert am Beispiel des Arbeitsmarktes deutlich. Angesichts sinkender Bevölkerungszahlen werde Zuwanderung aus anderen Ländern unumgänglich sein. "Dann bekommen wir wieder eine Debatte."

Vor der Diskussionsrunde hatte die Besatzung des Demografiemobils des Landes das Stadtfeld-Gymnasium besucht und anschließend auf dem Nicolaiplatz Station gemacht. Dort informierte sich auch die gebürtige Wernigeröderin Daniela Parete (31). Das Infomobil fand sie gut, aber praktische Hilfe wäre wichtiger. Sie würde gerne für ihre Familie ein Haus kaufen oder bauen. " Aber leider sind hier die Angebote viel zu teuer. Die Stadt könnte helfen und Familien preisgünstiges Bauland zur Verfügung stellen." Wenn sich hier nichts ergeben sollte, überlegen sie und ihr Partner schon, sich mit dem gemeinsamen Kind auch in einem der benachbarten Orte ein Zuhause zu schaffen.

Ein Problem, das wenig später auch den Oberbürgermeister in der Diskussionsrunde beschäftigte. Der Wohnungsmarkt in der Stadt sei angespannt, weil die Wohnfläche pro Person immer größer werde. Zudem sei Zuzug vom Land in die Städte zu verzeichnen. Aber die Entscheidung, zusätzliches Bauland zu erschließen, falle schwer angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung langfristig schrumpft. "Das ist ein riesiges Problem, vor dem die Planer stehen."

Auf dem Nicolaiplatz ist auch Andreas Kegler mit den Wernigerödern ins Gespräch gekommen. Der Student freute sich, dass die drei Geschwister Meike, Mila und Maja Poser schon konkrete Vorstellungen von ihrer beruflichen Perspektive haben. Mila (16) möchte gern Maschinenbau studieren und danach nach Wernigerode zurückkommen. Maja Poser (14) schwebt ein Medizin- oder Pharmaziestudium vor, danach ebenfalls möglichst Rückkehr nach Wernigerode. Die 13-jährige Meike Poser hingegen ist noch unsicher, wie ihre berufliche Perspektive einmal aussehen wird.

Maike Isberner, Coach und Infomobil-Betreuerin, hatte vor der Präsentation auf dem Nicolaiplatz schon am Workshop in zwei neunten Klassen teilgenommen. "Wir wurden herzlich aufgenommen, führten interessante Gespräche und waren sehr von der offenen Aussprache angetan", bilanzierte sie. Die Jugendlichen schilderten ihre Probleme. So vermissen sie Freizeitaktivitäten wie eine Discothek, aber auch Angebote junger Mode.