1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Rotes Sandstein-Haus mit langer Apotheker-Tradition

"Neue Fassaden - Alte Geschichten" (Teil 5) Rotes Sandstein-Haus mit langer Apotheker-Tradition

Von Andreas Fischer 05.05.2010, 05:17

In der Serie "Neue Fassaden - Alte Geschichten" stellt die Harzer Volksstimme die Historie interessanter Häuser in Wernigerode vor. Mit diesem Thema haben sich auch Heimatforscher wie Dr. Uwe Lagatz und Mitarbeiter der Oskar Kämmer Schule, unterstützt von der Kommunalen Beschäftigungsagentur, befasst. Ihre Erforschung der Stadtgeschichte fließt in die Beschreibungen mit ein. Der historische Rundgang wird auf der Breiten Straße fortgesetzt.

Wernigerode. Bis in das Jahr 1575 lässt sich die Historie von Wernigerodes Raths-Apotheke, Breite Straße 22, zurückverfolgen. Sie besteht somit seit 435 Jahren.

Aus jenem Jahr der nachweisbaren Ersterwähnung stammt der älteste Beleg für eine Apotheke in Wernigerode, wie der verstorbene Heimatforscher Dr. Georg von Gynz-Rekowski nachgewiesen hat. Demnach gibt es von 1575 eine Rechnung des "Materialisten" Joachim Finolt aus Leipzig über Apothekerwaren. Allerdings war die Apotheke nicht in dem heutigen Gebäude untergebracht.

Das massive Steinhaus am Nicolaiplatz wurde 1894 aus vorwiegend rotem Buntsandstein errichtet. Dafür wurde der Vorgängerbau, ein zweigeschossiges Fachwerkhaus, abgerissen. Das Haus davor war am 30. Juni 1751 während eines Großbrandes vernichtet worden. Damals fielen über 300 Gebäude von der Breiten Straße bis ins Burgstraßenviertel einem verheerenden Feuer zum Opfer.

Der imposante Erker mit darüber liegendem Balkon wird von zwei Konsolen getragen, die jeweils mit eindrucksvollen Löwenköpfen verziert sind. Zwei Männerköpfe befinden sich in den Schlusssteinen über den kleinen Fenstern, unterhalb des Balkons.

Im Erdgeschoss sind großformatige Blocksteine verwendet worden. Helle Ziegelmauersteine hingegen darüber im Obergeschoss, wo zum Dachbereich hin noch ornamentale Brüstungsplatten eingebaut wurden. Der Erker wird durch einen Balkon mit kunstschmiedeeiserner Umrandung abgeschlossen. Das mit Schiefer bedeckte Mansardendach weist vier kleine Gauben auf, die mit Dachhauben samt je einer Spitze bekrönt wurden. Auffallend auch der repräsentative Ziergiebel.

Was das Denkmal so lebendig macht, ist die aus der Erbauungszeit erhaltene Original-Ladeneinrichtung. Sie dokumentiert auch die lange Geschichte der Raths-Apotheke. Diese ist besonders mit dem segensreichen Wirken der Apotheker Forcke über mehrere Generationen verknüpft. Begonnen hat sie mit der Übernahme der Apotheke durch Dr. Dietrich Forcke 1811.

Im jetzigen Bau war zunächst der Apotheker und Ratsherr Dr. Hermann Forcke tätig, der sich um die Stadt sehr verdient gemacht hat. So übereignete er ein Gartengrundstück als Stiftung seiner Heimatstadt. Als Dank für vielerlei Wohltaten bekam Johann Arnold Forcke, Inhaber von 1820 bis 1859, eine Ehrenplakette am Marktbrunnen. Hermann Forcke, Inhaber von 1859 bis 1875, wurde als anerkannter Kommunalpolitiker zum Ehrenbürger ernannt.

Ladeneinrichtung von 1894 original erhalten

Dr. Albert Forcke firmierte von 1888 bis 1915 als Inhaber. Von 1915 bis 1949 leitete Hans Eckerlin diese Apotheke, die durch Heirat in die Hände der Familie Eckerlin übergegangen war. Von 1949 bis zur Verstaatlichung im Jahr 1975 war Dr. Hans-Otto Eckerlin Chef. Anschließend wurde Fritz Eckerlin als staatlicher Leiter eingesetzt. Wegen seines Ausreise- antrages aus der DDR wurde ihm 1984 die Leitung entzogen. 1991 übernahm Fritz Eckerlin wieder die Raths-Apotheke, die seit dem 1. Juli 2009 seine Tochter Paula Eckerlin-Sohl weiterführt.