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Bergmuseumschef Gerd Borchert feierlich verabschiedet, aber : Einmal Brocken, immer Brocken

Von Burkhard Falkner 23.07.2009, 07:02

Seit Juli hat das Brockenhaus einen neuen Chef. Der bisherige, Gerd Borchert, wurde nach 18 Jahren mit vielen Dankesworten feierlich verabschiedet. Harzer Volksstimme besuchte den Neuruheständler vier Wochen danach zu Hause – um mal zu fragen, wie es sich fern vom Berg lebt. Doch so fern ist Gerd Borchert auch künftig gar nicht.

Elbingerode. Gartenarbeit, Reisen, Klönen – das hat sich Gerd Borchert ( 64 ) schon immer für seinen Ruhestand gewünscht. Dafür hat er nun nach seinem Abschied als Leiter des Brockenhauses auch viel mehr Zeit. Doch der Berg, der lässt ihn nicht los.

18 Jahre lang hatte Borchert fast täglich dienstlich mit dem Brocken zu tun, war aber auch vorher schon ein Freund des Harzgipfels, wie er beteuert. Als Kind sei er vor dem Mauerbau öfter mal " oben " gewesen, schöne Schlittenpartien sind ihm noch in Erinnerung. Später habe er nochmal, so 1965, mit einer handverlesenen Gruppe die Sowjetsoldaten auf dem Horchposten zur 1. Mai-Feier besuchen dürfen. Ansonsten aber war auch für ihn der Brocken unerreichbar, kam jedoch nie aus dem Blickfeld. Wie auch ? Thront er doch mit der markanten Silhouette über dem dunklen hohen Harzhorizont. Aber erst mit der Öffnung des ummauerten Gipfelplateaus vor knapp 20 Jahren, am 3. Dezember 1989, war seiner Bergverliebtheit keine Grenze mehr gesetzt.

" Was haben wir damals gefroren "

Es dauerte anderthalb Jahre, und der Mitarbeiter der Station Junger Naturforscher und des Harzmuseum in Wernigerode eröffnete im Juli 1991 eine erste Art Brockenmuseum. Als Außenstelle des Harzmuseums direkt in einer sowjetischen Horchkuppel, Radom genannt. Die war bis auf etliche Exponate aus den Kasernen nackt und ungeheizt. " Was haben Ingrid Hintze aus Schierke und ich da trotz dicker Kleidung damals gefroren ", blickt der Harzfreund zurück. Besucher, die reinkamen, hätten erst beim Blick auf das Innenthermometer geglaubt, wie kalt es wirklich ist. " Minus 24 Grad war die tiefste Temperatur ", erinnert sich der Ruheständler. Lange sei das niemandem zuzumuten gewesen, auch nicht den Besuchern. So zog das Museum im Sommer ‘ 93 um in die nahe Moschee. Auch eine Kuppel, aber – und deshalb der Name im Volksmund – mit einem Haus drumherum. Die Gesellschaft zur Förderung des Nationalparks ( GFN ) mit Sitz in Goslar half damals, seinem Traum von einem Brockenmuseum auf die Sprünge. Material war da, wurde gesammelt, ergänzt, zum Beispiel durch ein Modell der Brockenbahn. Es steht heute im Eisenbahnmuseum Benneckenstein. 1994 stieg dann auch das Land Sachsen-Anhalt ein, kaufte das Moscheehaus und gab Ende der 90-er Jahre viel Geld aus für ein echtes " Brockenhaus ".

" Alle Facetten des Berges präsentiert "

Die Einweihung mit Ministerpräsident Reinhard Höppner im Sommer 2000 war für den Brockenfreund ein ganz persönlicher Markstein. " Alle Facetten des Berges wurden präsentiert, ein Qualitätssprung ", so Gerd Borchert, noch heute begeistert. Hexenberg, einmalige Natur, Grenzberg, Horchposten, 1945 Kampfgebiet, Fernsehberg, der Brocken in der Literatur - all diese und mehr Thermen wurden aufgearbeitet. Vom Hexenbesenflug per Video bis zum Klimawandel aus Brocken-Sicht findet der Besucher nun quasi alles. Manches war selbst für Borchert neu. Etwa der erste Augenzeugenbericht über die letzten Kriegstage. Ein Senior aus Düsseldorf war 1945 in Goslar im letzen Moment noch zur Wehrmacht eingezogen und auf dem Berg geschickt worden, um ihn mit ein paar Mann zu " verteidigen ".

" Er habe großes Glück gehabt, sagte er mir, kam in amerikanische Gefangenschaft und überlebte, das war sehr bewegend ", weiß Borchert heute noch. Völlig neu war später für ihn die Erkenntnis, dass amerikanische Soldaten noch bis 1947 auf dem Brocken blieben, als die Zonengrenzen längst festlagen, und beim Abzug dann noch große Schäden anrichteten. Besonders stolz ist Gerd Borchert auf die Architektur des Hauses - die moderne Glasfassade wandele den militärischen Charakter des Urbaus um, erklärt er, sorge für Licht und sei ein Hingucker - mit viel Platz für die Ausstellungen. " Es ist eben weit mehr als eine Nationalpark-Information, so, wie ich es mir immer gewünscht habe ", freut sich der Museumsleiter a. D.

" Besucherzahl nicht mehr so groß ... "

Die Zahl der Brockenhausbesucher sei heute nicht mehr so groß wie in den " Jahren der großen Neugier " nach 1989, räumt Borchert ein. Aber mit seinem Charakter und an die 70 000 Besuchern im Jahr rangiere das Brockenhaus deutschlandweit sehr weit vorn. Das werde auch beim neuen Leiter, Christoph Lampert. so sein. " Er kennt sich aus, ist unter drei Bewerbern vom Aufsichtsrat und von der Gesellschafterversammlung der eigenständigen Brockenhaus GmbH bestimmt worden und hat das Zeug dazu ", so der Ruheständler über seinen Nachfolger. Außerdem : Elbingerode sei nicht so weit weg vom Brocken. Er werde deshalb nicht nur Blickkontakt halten, versichert Gerd Borchert. Für die Beantwortung von Fragen und zu Sonderführungen hat er sich eh schon bereit erklärt. Auch wenn er als Harzklub-Zweigvereinschef in Elbingerode und zu Hause im Garten jetzt mehr zu tun habe. Der Berg lasse ihn nunmal nicht los – und er will den Berg nicht missen : Einmal Brocken, immer Brocken.