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Zum internationalen Tag der gewaltfreien Kindererziehung diskutieren Barleber Gymnasiasten "Schläge erzeugen Angst"

Von Andreas Satzke 30.04.2015, 01:20

Anlässlich des Tages der gewaltfreien Kindererziehung am 30. April haben zehn Schüler des Barleber Ecole-Gymnasiums in einer Gesprächsrunde diskutiert. Sie lehnen Gewalt ab und fanden verschiedene Alternativen.

Barleben l "Schläge erzeugen einen Zustand der Angst", fasste Neuntklässlerin Wera den Kern der Diskussion der zehn Schüler bereits zu Beginn zusammen. Zum internationalen Tag der gewaltfreien Kinderziehung, dem "No Hitting Day" am 30. April haben zehn Schüler des Barleber Pierre Trudeau Gymnasiums über Gewalt in der Kindererziehung diskutiert. Bei dem Gespräch zeigte sich das große Interesse der Acht- und Neuntklässler an der Thematik und dass es dazu durchaus Kontroversen gibt.

"Wichtig ist, dass die Eltern die Kontrolle behalten. Schläge gehen gar nicht."

Paul, Schüler der 9. Klasse des Ecole-Gymnasiums in Barleben

Konfrontiert mit dem Satz "Eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet" begannen die Schüler die Diskussion. Der Spruch komme eher von der älteren Generation, waren sich die Schüler einig. Auch davon, dass die Großeltern meist noch strenger seien als die Eltern, berichteten sie. Einig waren sie sich darin, dass Schläge und Gewalt in der Kindererziehung nicht vorkommen sollten. "Ein kleiner Klaps ist in extremen Fällen, also wenn das Kind wirklich etwas Schlimmes gemacht hat, vielleicht verständlich", ergänzte Paul, fügte aber sofort an: "Wichtig ist, dass die Eltern die Kontrolle behalten. Schläge gehen gar nicht."

"Wenn Schläge oder überhaupt Gewalt aufkommen, ist bereits früher in der Erziehung etwas schief gelaufen", war sich Wera sicher. Die Gruppe stimmte ihr zu. "Wenn man ein mal geschlagen wurde, verliert man das Vertrauen zu der Person", fügte Amanda an.

"Schlagen macht Angst", bestätigt auch der Psychologe Dr. Christoph Schneidergruber aus Moosburg. "Ein Kind, das von seinen Eltern geschlagen wird, vertraut ihnen nicht mehr." Schneidergruber arbeitet für die SOS-Kinderdörfer.

Verständnis dafür, dass Eltern bei der Erziehung Gewalt anwenden, fand die Gruppe nicht. Doch Erklärungen hatten sie. Gründe dafür seien zum Beispiel, dass die Eltern selbst noch mit Schlägen erzogen wurden. "Vieles, das man aus der eigenen Kindheit kennt, überträgt man in die Erziehung", sagte Amanda. Wichtig seien vor allem die positiven Aspekte der Erziehung. Die Schülergruppe war sich einig, dass durch Lob wesentlich besser erzogen werden kann als durch Strafe.

Angesprochen darauf, welches für sie die schlimmstmögliche Strafe wäre, herrschte erneut weitestgehend Einigkeit. "Das Schlimmste wäre wohl, wenn die Eltern einen wegschicken", vermutete Agnes. "Nichtbeachtung durch die Eltern wäre einfach schlimm", ergänzte Dustin. Wenn Eltern ihre Kinder zu stark ignorieren, könne das auch ein Grund für diese sein zu rebellieren, führte er weiter aus. Auch Enttäuschung und Traurigkeit bei den Eltern sei eine Strafe, so die Schüler. "Natürlich können auch Worte verletzend sein", warf Agnes ein.

"Auch wenn Gewalt keine Lösung ist, müssen Elternteile Grenzen setzen", meinte Paul und stieß damit auf Zustimmung. Strenge wurde von den Schülern nicht grundsätzlich schlecht bewertet, sie sei sogar wichtig, damit Kinder sich an gewisse Regeln halten.

"Wenn man nichts gemacht hat, muss man auch nicht alles hinnehmen."

Lisa, Schülerin der 8. Klasse des Ecole-Gymnasium Barleben

Wichtig sei den Schülern auch, dass sie mit ihren Eltern diskutieren können. "Gegenseitiger Respekt ist entscheidend", meinte Amanda. "Man möchte diskutieren können", stimmte Jan zu, "wenn man allerdings Mist gebaut hat, muss man es auch ausbaden." "Wenn man nicht nichts gemacht hat, muss man auch nicht alles hinnehmen", beleuchtete Lisa die Gegenseite. "Ich finde es sinnvoller, wenn man nicht bestraft wird und einem stattdessen die Konsequenzen des eigenen Handelns aufgezeigt werden", meinte Wera.

"Durch den Fokus auf die Menschenrechte werden auch die Rechte der Kinder besser geschützt."

Amanda, Schülerin der 9. Klasse des Ecole-Gymnasium Barleben

Den Tag der gewaltfreien Kinderziehung halten die Schüler zwar für sinnvoll, doch er ist ihnen zu wenig präsent. "Man könnte eine Art Feiertag dafür veranstalten, so dass die Leute zum Nachdenken gebracht werden", schlug Dustin vor. Wera bezweifelte den Nutzen: "Es ist die Frage, ob die Leute, die davon betroffen sind, sich von dem Tag wirklich beeinflussen lassen oder überhaupt etwas davon mitbekommen."

Ein Vorschlag war auch, das Thema im Unterricht einzubauen. "Dazu müsste allerdings vorher mehr über den Tag bekannt sein", sagte Paul. So könne man das Thema beispielsweise unterbringen, wenn es ohnehin um die Menschenrechte gehe. "Öffentliche Diskussionen würden sicher auch helfen", merkte Lisa an.

Auch über das früher übliche Schlagen als Strafe durch Lehrer diskutierte die Gruppe. "Die Lehrer sind für die Kinder im Vergleich zu den Eltern fremd, sie sollten noch weniger ein Recht dazu haben", meinte Jan. "Wir würden das Schlagen als Strafe heute bestimmt nicht komisch finden, wenn es nie verboten worden wäre", meinte Paul. "Dadurch, dass es abgeschafft ist, hat das natürlich einen anderen Stellenwert." Amanda ergänzte: "Durch den stärkeren Fokus auf die Menschenrechte heutzutage werden zum Glück auch die Rechte der Kinder besser geschützt."

Abschließend waren sich die Barleber Gymnasiasten trotz reger Diskussion einig: Gewalt sollte in keiner Erziehungsform vorkommen und der Tag der gewaltfreien Kinderziehung könnte, mit einer höheren (Medien-)Präsenz, dazu beitragen.

Der "No Hitting Day" wurde in den USA 1998 ins Leben gerufen. Der Deutsche Kinderschutzbund ruft seit dem Jahr 2004 zum Tag der gewaltfreien Erziehung auf. "Der internationale Tag der gewaltfreien Kindererziehung" soll daran erinnern, dass die gesamte Gesellschaft die Verantwortung für ein gewaltfreies Aufwachsen der Kinder trägt.