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" Rückenwind e. V. " möchte Kinderbetreuung im Frauenhaus Zitternde Kinderseelen sollen sich im Frauenhaus beruhigen

Von Gudrun Billowie 12.06.2009, 07:02

In Sachsen-Anhalt gibt es 20 Frauenhäuser mit 123 Plätzen. Die meisten Frauen kommen nicht allein. Sie bringen ihre Kinder mit, und sowohl die Mütter als auch die Kinder haben zu diesem Zeitpunkt oft ein Martyrium hinter sich. Darum sind sich alle Frauenhausbetreiber einig : Nicht nur die Frauen, auch die Kinder brauchen eine professionelle Betreuung.

Wolmirstedt. Wenn in einem Frauenhaus über Kinderbetreuung gesprochen wird, meint damit niemand gemeinsames Halma-Spielen. Kinderbetreuung im Frauenhaus heißt, verwundete Kinderseelen zu beruhigen, die Heilung zu fördern. " Kinder, die zu uns kommen, sind meist traumatisiert ", sagt Wladilena Engelbrecht, Leiterin des Wolmirstedter Frauenhauses. Sie und ihre Mitarbeiterinnen sehen die Zeichen deutlich. " Die Kinder nässen ein, zerstören Einrichtungsgegenstände oder schließen sich in ihr Zimmer ein, so wie sie es von zu Hause kennen. " Die Mitarbeiterinnen können dieses Verhalten einordnen. Helfen können sie kaum. " Wir fangen die Frauen auf ", sagt Wladilena Engelbrecht, " wir helfen ihnen, wieder ein eigenes, unabhängiges Leben zu führen. Aber die Kinder brauchen eine spezielle Betreuung, mit der wir überfordert sind. " Darum suchen Vertreter der Frauenhäuser den Kontakt zu Politikern. Das Wolmirstedter Frauenhaus besuchten die Bundestagsabgeordnete Waltraud Wolff sowie die Kreistagsabgeordnete und Wanzleber Bürgermeisterin Petra Hort.

" Kinder, die zu uns kommen, haben Gewalt erfahren. Sie erlebten, wie ihre Mütter geschlagen wurden, schauten bei Vergewaltigungen zu, kennen betrunkene Väter oder Vernachlässigung ", sagt Hans Strecker, Geschäftsführer des Vereins " Rückenwind ", Träger des Wolmirstedter Frauenhauses. " Es ist wichtig, diese Erlebnisse mit den Kindern während ihres Aufenthaltes im Frauenhaus aufzuarbeiten. Hier können sie darüber reden, schon allein deshalb, weil die Mitbewohner ähnliche Erfahrungen gemacht haben. " Erzieherinnen in Kindertagesstätten oder Lehrerinnen hingegen bleiben oft ahnungslos, denn die Kleinen haben längst gelernt, ihre tragische Situation zu verbergen.

Im Wolmirstedter Frauenhaus leben derzeit vier Frauen, drei davon haben Kinder. " Der Vater meiner Kinder hat stark getrunken ", erzählt eine hübsche dunkelhaarige Mutter, " irgendwann habe ich die Hoffnung verloren, dass es besser wird. " Wenn sie sich an den Schulstart ihres neunjährigen Sohnes erinnert, wird ihr schwummerig. " Das war einfach katastrophal, so was möchte ich nie wieder erleben. " Im Sommer kommt ihr zweiter Sohn in die Schule, und sie hat den Absprung aus der giftigen Beziehung geschafft. " Mein kleiner Sohn soll einen guten Schulstart haben. Ich möchte mit meinen Kindern wieder ein geregeltes Leben führen. "

Der Weg aus dem Nichts führt über viele Ämter. Die Mutti braucht eine Wohnung, eine Arbeit, Einrichtungsgegenstände. Weil sie bedürftig ist, braucht sie für jeden Einzelposten einen Stempel vom Amt. Und das dauert. Wochen. " Erst muss ich nachweisen, dass ich keine Tapeten besitze. Nur wenn jemand vom Amt die nackten Wände der Wohnung gesehen hat, kann ich Tapeten beantragen. " Es ist aber noch keine der ausgesuchten Wohnungen bewilligt, also kann auch noch niemand nackte Wände beschauen, und die junge Frau kann auch noch keine Tapeten auf Vorrat kaufen. " Die Bearbeitungszeit bei den Ämtern dauert viele Anträge und Wochen ", wissen auch die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses und sie wissen, die Behördenwege bestimmen den Alltag der Frauen, die eigentlich schnell wieder selbständig leben wollen. " Es wäre schön, wenn es in der ARGE eine spezielle Mitarbeiterin für die besonderen Probleme der Frauenhaus-Bewohnerinnen gäbe ", sagt Wladilena Engelbrecht. Waltraud Wolff versprach : " Darum kümmere ich mich. "

Während die Frauen auf dem Weg in ihr neues Leben mit den Amtsschimmeln um die Wette laufen, sind die Kinder hin- und hergerissen mit ihren Gefühlen um den Verlust des Vaters, meist auch der Heimatstadt, der Freunde. Sie sind nicht freiwillig in ein Frauenhaus gekommen. Und nicht immer können sie sofort wieder in den Kindergarten gebracht werden. " Manche Kinder müssen wir hier im Frauenhaus vor den Vätern schützen ", sagt Hans Strecker.

Soviel Neuland erfordert die Unterstützung von Kinderexperten. Auf eine Vollzeitstelle hofft niemand, aber : " Wir könnten uns vorstellen, dass uns eine Pauschale zur Verfügung gestellt wird, mit der wir bei Bedarf eine Erzieherin mit heilpädagogischer Ausbildung oder ähnlicher Qualif kation f - nanzieren können ", sagt Hans Strecker. " Viele Erzieherinnen arbeiten Teilzeit und könnten im Frauenhaus eingesetzt werden, sobald ein Kind Hilfe benötigt. "

" Ich werde das Thema in die Kreishaushaltsdiskussion einbringen ", sagt Waltraud Wolff, " und die Tür zu Gerlinde Kuppe öffnen. "