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Magdeburger gedenken der Opfer des Nationalsozialismus "Warum haben sie das zugelassen?" Die Häftlinge von "Magda" mahnen

Von Birgit Ahlert 28.01.2013, 01:30

Der Opfer des Nationalsozialismus wurde an diesem Wochenende weltweit gedacht. In Magdeburg gab es Mahnen und Gedenken an beiden Tagen.

Magdeburg l Das haben wir nicht gewusst, sagt die Frau. "Du lügst!", möchte der Kleine sie anschreien. Der "Kleine", das ist ein 16-jähriger Junge, der als KZ-Häftling nach Magdeburg gebracht wird. Ein Stück Lebensgeschichte von Ivan Ivanji, festgehalten in seinem Buch "Schattenspringen". Jürgen Martini zitierte Zeilen daraus am Sonnabend am Denkmal der jüdischen Synagoge in der Julius-Bremer-Straße. Ein Stück Stadtgeschichte, die in all ihrem Elend, all ihrer Abscheulichkeit nicht vergessen werden darf. Auch und gerade in Magdeburg, wo es in Rothensee die KZ-Außenstelle "Magda" gab.

Die Stadt erinnerte am Sonntag am historischen Ort, lud zum gemeinsamen Gedenken, Blumenniederlegen. Als Vertreter der Stadt (und des erkrankten Oberbürgermeisters) übernahm das Sozialbeigeordneter Hans-Werner Brüning, für die Landesregierung Staatssekretär Ulf Gundlach. Erschienen waren zahlreiche Vertreter aus Politik und Wirtschaft von Stadt und Land.

Erinnert wurde an das Schicksal der 2170 zumeist ungarischen Juden, die 1944/45 vom Konzentrationslager Buchenwald nach Magdeburg gebracht und zu Schwerstarbeit gezwungen wurden. Wer nicht mehr arbeiten konnte, wurde nach Buchenwald zurückgeschickt oder starb. Bis zur Auflösung des Lagers im Februar 1945 kamen hier 550 Häftlinge ums Leben.

Nach der Gedenkstunde wurde das Erinnern fortgesetzt bei einer besonderen Straßenbahnfahrt mit der Linie 10. Waltraut Zachhuber, Pfarrerin i.R., und Pascal Begrich vom Bündnis gegen Rechts lasen auf der Fahrt von der Gedenkstätte in der Havelstraße bis zum Breiten Weg aus den Büchern "Ein KZ in der Nachbarschaft" von Tobias Bütow und Franka Bindernagel sowie aus dem Buch "Churbn Lettland" von Max Kaufmann.

Persönliche Erinnerungen, die bewegen, die - wenigstens in Ansätzen - das deutlich machen, was die Menschen damals erlebt, was sie durchlitten haben. Erinnerungen, die mahnen und die Fragen aufwerfen. Wie konnte es dazu kommen und wie können wir verhindern, dass so etwas wieder geschieht? Angesichts der marschierenden Neonazis in der Stadt an den vergangenen Wochenenden mehr als berechtigt.

"Sie hätten es wissen müssen", schreibt Ivan Ivanji, der 16-jährige KZ-Häftling von damals, in seinen Erinnerungen. "Warum haben sie nichts dagegen getan?" Nicht nur in Magdeburg, aber auch hier. Deshalb las Jürgen Martini Auszüge aus dem bewegenden Buch von Ivanji, dem späteren Diplomaten, Schriftsteller, Journalisten. Als Teil der Gedenkveranstaltung, die bereits am Sonnabend am Synagogendenkmal in der Julius-Bremer-Straße stattfand. Rund 100 Teilnehmer kamen, u.a. hatte die FDP dafür ihren Parteitag unterbrochen. Es war der Auftakt einer Mahnwache, vom Bündnis gegen Rechts initiiert, nachdem die sogenannten Kameradschaften einen Demonstrationszug durch die Stadt angemeldet hatten.