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Innenminister Stahlknecht kritisiert Knick im alten Damm / Hochwasserexperte bevorzugt geraden Verlauf Die Flut weicht, ein neuer Deich soll her

18.06.2013, 01:24

Jerichow. Die künstliche Barriere aus Beton, Stahl, Steinen und Sand entfaltet ihre Wirkung: Deutlich weniger Wasser strömt nach Fischbeck. Wenn sich die Elbe-Flut bald zurückgezogen hat, soll ein neuer Deich her.

Noch immer bietet sich aus der Luft ein dramatischer Blick auf die Deichbruchstelle und die Überflutungen in der Region um Fischbeck. Dort, wo das Wasser weiterhin durch die künstliche Barriere aus Schiffen, Panzersperren und Bigbags fließt, schäumt es auf wie an einem reißenden Bergfluss. Die gute Nachricht hierbei: Den Einsatzkräften ist es gelungen, die strömende Wassermenge um mehr als 90 Prozent zu reduzieren.

"Vorher schoss das Wasser auf breiter Front ins Land hinein, jetzt staut es sich langsam auf", erklärt Frank Friedrich vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW). Er begleitet am Montagmorgen die Abschlussarbeiten der Bundeswehr, lobt vor allem die Leistung der Hubschrauber-Piloten: "Je länger die fliegen, desto punktgenauer setzen sie die Bigbags ab", so Friedrich, "jetzt landen die dort, wo sie auch hingehören."

Doch nicht nur die tonnenschweren Säcke müssen sie an diesem Tag transportieren. "Unter dem längsten Schiff ist ein Hohlraum, durch den Wasser fließt. Der wird heute mit Betonröhren verbaut", erläutert Friedrich. Außerdem müssen die Hubschrauber bis zum Abend weitere Sandsäcke abwerfen, damit das Wasser über die Barriere nicht mehr hinwegströmen kann. "Die Grundlage ist überall geschaffen, wir müssen nur noch nach oben bauen", verdeutlicht der LHW-Experte.

Da sich die Lücke bei Fischbeck Stück für Stück schließt, die Elbe-Pegel aber nur langsam fallen, fragt sich so mancher, ob aufgeweichte Deiche weiter nördlich noch brechen könnten. Friedrich winkt jedoch ab: "Es besteht keine Gefahr mehr für die Deiche. Wenn wir aber die Lücke in Fischbeck nicht geschlossen hätten, wären Dämme in anderen Bereichen wohl gebrochen." Bleibt die Frage, wie es in Fischbeck weitergeht. "Noch ist es zu früh, das Wasser im Ort abzupumpen, das steht dort ja noch meterhoch", meint Friedrich.

Mit einem Polizei-Hubschrauber inspizieren am Mittag Innenminister Holger Stahlknecht und Bundeswehr-Oberst Claus Körbi die Bruchstelle bei Fischbeck. Gegen 14 Uhr landen sie dann noch einmal vor dem Kloster in Jerichow, um ihre Eindrücke zu schildern. "Der Lückenschluss ist geglückt", sagt Stahlknecht. Ganz aufhalten lasse sich das Wasser natürlich nicht. Denn: "50 Tonnen drücken auf jeden Quadratmeter." So wird auch klar, warum es dieser außergewöhnlichen Materialschlacht bedurfte, wie Körbi im Anschluss bilanziert: "Wir haben 2000 Bigbags mit Sand, Steinen und Geröll gefüllt und 1400 haben wir an der Bruchstelle abgeworfen."

Bei der Frage, wann die Einwohner Fischbecks wohl wieder in ihre Häuser dürfen, will sich Innenminister Stahlknecht nicht festlegen. "Das wird noch ein paar Tage dauern, aber es wird mit der geschaffenen Barriere schneller gehen. Wichtig ist, dass das Wasser jetzt nach Niedersachsen abfließt." Noch könne auch der Schaden in den überfluteten Ortschaften nicht abgeschätzt werden. Immerhin versucht Brigadegeneral Andreas Marlow, Zuversicht zu verbreiten: "Ich habe heute schon trockene Straßen in Fischbeck gesehen."

Klar ist aber bereits, dass sich am Hochwasserschutz etwas ändern muss. Stahlknecht kritisiert, zu dem Bruch bei Fischbeck sei es gekommen, weil es dort einen Knick im Deichverlauf gibt, gegen den die Elbeflut besonders stark drücken konnte. "Die Nummer hier war vorprogrammiert", ärgert sich der Innenminister. "Wir müssen hier einen neuen Deich bauen, möglichst mit einer klaren Linie." Den Verlauf des neuen Bauwerks wolle er aber den Experten überlassen.

Ein neuer Auftrag also für Frank Friedrich. Denn beim LHW ist er unter anderem für die Deichplanung zuständig. Und so steht auch für ihn fest: "Wir müssen eine neue Dammlinie finden." Friedrich bevorzugt wie der Innenminister eine gerade Konstruktion vor dem alten Deich. Platz dafür wäre vorhanden, die Elbe fließt gewöhnlich Dutzende Meter vom Damm entfernt vorbei.

Die spektakulär errichtete Barriere soll jedenfalls nach der Flut abgebaut werden. Was mit den Schiffen dann passiert, lässt Stahlknecht offen. Er stellt lediglich fest: "Die haben immerhin noch einen Schrottwert."