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Pflanzenschutzmittel belasten das Grundwasser in Sachsen-Anhalt / Geld und Messgeräte fehlen DDR-Chemie bis heute im Wasser messbar

14.08.2013, 01:10

Magdeburg l Um ertragreiche Ernten einzufahren, nutzen Bauern seit vielen Jahren Pflanzenschutzmittel. Die giftigen Substanzen sickern aber auch ins Grundwasser. Die Grünen fordern nun schärfere Kontrollen.

In Sachsen-Anhalt weist das Grundwasser vielerorts erhöhte Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln auf. Vor allem das gesundheitsschädliche Unkrautbekämpfungsmittel Bentazon lässt sich häufig nachweisen, aber auch chemische Keulen aus DDR-Zeiten. Das berichtet der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) auf Volksstimme-Anfrage.

Im Jahr 2012 wurden demnach bei 27 von 158 Grundwassermessstellen die Grenzwerte überschritten. Problematisch an Pflanzenschutzmitteln sei, dass sie teilweise erst Jahre nach ihrer Ausbringung gemessen werden können und sich dann lange im Grundwasser halten. "Wir haben Altwirkstoffe nachgewiesen, die bereits seit 20 Jahren in Deutschland verboten sind", erklärt LHW-Experte Thomas Bach. Zu den am häufigsten gemessenen Altwirkstoffen zählen Unkrautvernichter wie Simazin und Propazin. Im Gegensatz zu erhöhten Düngerkonzentrationen würden Belastungen durch Pflanzenschutzmittel nur sehr begrenzt lokal auftreten, betont das Umweltministerium auf Anfrage. Grundwassermessstellen mit besonders hohen Befunden liegen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld (81 Mikrogramm pro Liter), im Landkreis Börde (19 µg/l) und im Saalekreis (4,7 µg/l). Zum Vergleich: Der Schwellenwert liegt bei 0,5 Mikrogramm pro Liter.

Als "riesiges Problem" bezeichnet Dietmar Weihrich, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, die Grundwasserbelastungen. "Niemand kann genau sagen, ob die Mittel nicht ins Trinkwasser gelangen", sagt er. Sachsen-Anhalts Trinkwasserversorger betonen jedoch, dass in ihren Brunnen bislang keine Belastungen bei den regelmäßigen Kontrollen festgestellt wurden. Die Brunnen lägen auch in Wasserschutzgebieten, für die es strengere Umweltschutzbestimmungen gibt, Pflanzenschutzmittel etwa nur begrenzt zum Einsatz kommen dürfen.

Weihrich bezweifelt allerdings, dass die Kontrollen von Behörden und Unternehmen ausreichen. Kritik übt er vor allem an der Trinkwasserverordnung des Bundes, in der vorgeschrieben wird, was gemessen werden muss. "In der Verordnung werden nicht alle Stoffe aufgeführt, die kontrolliert werden sollten", moniert er. "Die Messungen müssten deutlich ausgeweitet und schärfere Grenzwerte festgelegt werden."

Tatsächlich steht in der Verordnung: "Es brauchen nur solche Pflanzenschutzmittel (...) überwacht zu werden, deren Vorhandensein im betreffenden Wassereinzugsgebiet wahrscheinlich ist." So werden auch in Sachsen-Anhalt offenbar nicht alle Mittel überwacht. Laut Umweltministerium wurden 76 Wirkstoffe untersucht. Dem LHW zufolge kommen in Sachsen-Anhalt aber 200 Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Regelmäßig kontrolliert werden außerdem nur die Grundwassermessstellen, in denen bereits Chemie nachgewiesen werden konnte.

Kontrollen sind allerdings auch aufwändig und kosten Geld. Rund zwei Millionen Euro gibt das LHW derzeit für Beprobungen von Grund- und Oberflächenwasser aus. Entsprechend sparsam müssen die Experten arbeiten, und das mit Folgen: Das giftige Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat taucht in der LHW-Statistik nicht auf - obwohl es von vielen Landwirten eingesetzt wird.

Der Grund: Das Mittel lässt sich nur mit einem speziellen Analysegerät nachweisen. Und das konnte sich das LHW bislang nicht leisten. "So ein Gerät kostet gut eine halbe Million Euro", erläutert Bach. Deshalb habe das LHW Tests bislang nur in Einzelfällen in Auftrag gegeben. Für Annette Leipelt vom Naturschutzbund (Nabu) ist das ein Skandal. "Glyphosat ist eines der problematischsten Mittel", warnt sie. Von der Landesregierung fordert sie, dem LHW das nötige labortechnische Rüstzeug zu beschaffen.