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Experte Hotopp-Riecke zur Krim-Krise "Krimtataren werden keine Provokationen zulassen"

Die rund 300000 Tataren auf der Krim wehren sich gegen die Abspaltungsversuche von der Ukraine. Steffen Honig sprach dazu mit Dr. Mieste Hotopp-Riecke, Direktor des Magdeburger Instituts für Caucasica-, Tatarica- und Turkestan-Studien.

01.03.2014, 01:27

Volksstimme: Wie groß ist die Gefahr, dass die separatistischen Bestrebungen der russischen Bevölkerungsmehrheit zu einer Abspaltung der Krim von der Ukraine führen?

Mieste Hotopp-Riecke: Die Gefahr ist real und auf der Krim zum Greifen nahe. Dabei gibt es eine russische Mehrheit nur der Sprache nach, jedoch auf keinen Fall ist sie ein monolithischer Block, der die Sezession befürwortet. Es ist eben nicht schwarz und weiß. Der ukrainisch-orthodoxe Bischof der Krim steht hier neben dem Mufti der Krimmuslime gegen eine Abspaltung.

Volksstimme: Was setzen die Krimtataren dagegen und wie wollen sie ihre Ziele durchsetzen?

Hotopp-Riecke: Die Krimtataren haben zusammen mit Ukrainern und Russen, die für den Verbleib der Krim bei der Ukraine sind, sowie mit Vertretern des Bündnisses "Krimskiy EuroMaidan", der Staatsanwaltschaft der Polizei und internationalen Vertretern einen Krisenstab gegründet; gestern Abend gab es eine Fernsehdiskussion und Vertreter der neuen Kiewer Zen-tralregierung als auch OSZE-Diplomaten sind nun auf der Krim. Generell gilt als Strategie: Keine Provokationen zulassen, sich jedoch nicht einschüchtern lassen, Kontakt halten zu allen gewaltlosen Kräften und die Gewissheit, dass die gewaltlose Demokratiebewegung, die die Krimtataren aus den Deportationsgebieten der UdSSR wieder auf die Krim getragen hat, auch dieses mal erfolgreich sein wird.

Volksstimme: Was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?

Hotopp-Riecke: Die internationale Gemeinschaft muss nun erstens die heiße Phase auf der Krim kühlen und dann mit Argusaugen einen ukrainischen Kurs der gewaltfreien Konsolidierung begleiten.

Volksstimme: Was ist von dem geplanten Unabhängigkeits-Referendum am 25. Mai zu halten?

Hotopp-Riecke: Die neue Regierung und die alten Verträge sagen dazu nur eines: Solch ein Referendum entbehrt jeder Grundlage, völkerrechtlich ist die Krim ein unveräußerlicher Teil der Ukraine. Die Behauptung, die Krim sei schon immer Bestandteil russischer Erde gewesen oder sei zumindest mental der Seele nach sozusagen ein Teil Russlands und die Schenkung an die Ukraine durch Chrustschow vor 60 Jahren sei illegal gewesen, ist abwegig. Abwegig ist diese Argumentation deshalb, weil die Krim erst 1783 per Annexion durch Katharina II. dem Zarenimperium einverleibt wurde. Davor war sie krimtatarisch - noch weiter zurück natürlich griechisch, hunnisch, venizianisch, chasarisch und so weiter - aber eben vor der russischen Eroberung über 350 Jahre tatarisch!

Volksstimme: Wie bewerten Sie die Rolle Russlands in dem Konflikt - schließlich stehen russische Truppen auf der Krim?

Hotopp-Riecke: Niemand bezweifelt ernsthaft, dass die maskierten und bewaffneten Besatzer des Parlaments und des Flughafens von gestern und heute irreguläre Spezialkräfte der Russen sind. Es ist also eine infame dreiste Politik der Stärke von russischer Seite aus, die nur mit allergrößter Zurückhaltung und friedlichernVermittlungsversuchen seitens der Krimtataren bisher nicht weiter eskaliert ist.