1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. "Das kommt einer Schließung gleich"

Förderschulen Parchen und Burg "Das kommt einer Schließung gleich"

Zum neuen Schuljahr wird in der Parchener Schule alles anders, dann
sollen hier neben den L-Schülern auch die V-Schüler unterrichtet werden.
Dieses Experiment ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung.

Von Kristin Schulze 14.06.2014, 01:11

Parchen l Umstrittene Schulfusion: Die Förderschule für Lernbehinderte in Parchen soll zusammengelegt werden mit der Förderschule mit Ausgleichsklassen in Burg. Nicht irgendwann, sondern sofort. Das heißt, ab dem 4. September werden die Kinder aus beiden Schulen gemeinsam in Parchen unterrichtet. So will es das Magdeburger Schulamt.

Doch es hagelt Kritik aus mehreren Richtungen. "Ding der Unmöglichkeit", sagt Elternvertreter Karsten Radzium. "Kalte Schulschließung", meint Kreistagsmitglied und Pädagoge Lutz Nitz. Schulleiterin Bianka Richter hält sich mit Wertungen naturgemäß zurück, spricht auf Volksstimme-Anfrage aber auch von einer "riesigen Herausforderung".

Warum die Aufregung?

In Parchen werden bisher lernbehinderte Schüler unterrichtet. Schulleiterin Bianka Richter erklärt, was diese Kinder ausmacht: "Sie haben eine intensiv ausgeprägte Lernbeeinträchtigung. Wichtig sind für sie Struktur und ein ruhiges Umfeld, damit sie Lernen lernen." In Burg gehen dagegen verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche zur Schule. Lutz Nitz, der selbst V-Schüler unterrichtet, erklärt: "Sie sind in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung gestört. Das äußert sich oft in aggressivem Verhalten."

In Parchen sollen nun beide Schulformen zusammengeführt werden. "Irrsinn", sagt Lutz Nitz. "Beide Gruppen benötigen jeweils einen geschützten Raum." Das sieht auch Elternvertreter Karsten Radzium so. Er hat Bedenken, dass die optimale Förderung der Schüler nicht wie bisher durchgeführt werden kann oder gar Ängste bei den Schülern entstehen.

Dass die Fusion kommt, steht nicht zur Debatte. Das hat das Landesschulamt beschlossen. Strittig war bisher noch der Zeitpunkt. Das Schulamt will die Fusion jetzt im Sommer, der Landkreis beantragte eine Verschiebung um ein Schuljahr. Weil die Schule vor der Fusion noch umgebaut werden muss, hatte der Landkreis beim Schulamt Widerspruch eingelegt. Am 9. April sagte der seinerzeit amtierende Landrat Bernhard Braun innerhalb einer Sitzung des Bildungsausschusses: "Wir müssen den Speiseraum umbauen, Schäden beseitigen, den Parkplatz neu anlegen, einen Fußweg errichten, die Wärmedämmung im zweiten Gebäude modernisieren und vollständige Barrierefreiheit herstellen."

Für das inhaltliche Konzept der Schule ist das Land zuständig, der Landkreis als Besitzer des Gebäudes für die baulichen Voraussetzungen. Braun damals weiter: "Inhaltlich wissen wir nicht, wohin die Reise geht, weil noch kein Konzept vom Land vorliegt. Erst aus dem Konzept leiten sich bauliche Voraussetzungen ab. Wir brauchen das Jahr Aufschub." Deshalb wollte der Landkreis gegen den Plan des Landesschulamtes Widerspruch einlegen, "wenn nötig auch klagen", wie Braun am 9. April betonte.

Warum nun die Wende? Im Kreistag am 4. Juni verkündete Landrat Lothar Finzelberg: "Fachleute haben bestätigt, dass die Änderungen an der Schule bis zum Anfang des neuen Schuljahres machbar seien. Deshalb werde ich nicht gegen die Entscheidung des Landes vorgehen. Sondern ich habe unverzüglich die Baumaßnahmen in Auftrag gegeben."

Eltern sind enttäuscht

Kein Widerspruch kam von Seiten der Kreistagsmitglieder, einzig Lutz Nitz merkte an: "Bedauerlich, dass sich der Landrat nicht für die Förderschule Parchen eingesetzt hat. Zwar ist das Land für Schulinhalte zuständig, jedoch hätte der Landkreis ein Zeichen setzen müssen, dass diese Fusion nicht funktioniert."

Dieser Meinung ist auch Karsten Radzium. Er kritisiert vor allem die mangelnde Kommunikation. "Wir Eltern haben erst am 19. Mai erfahren, was unseren Kindern bevorsteht." Ihnen stehen vor allem Veränderungen bevor. Zum Beispiel wird die Schule nun grundsätzlich verschlossen. Die Kinder müssen klingeln, wenn sie rein wollen. Gleiches geschieht mit Klassenräumen, Fenstern und Toiletten Die Parchener Schüler durften bisher selbständig an Fenster und Türen, in einer gemeinsamen Einrichtung mit V-Schülern ist das nicht mehr möglich. Radzium: "Die machen aus der Wohlfühloase, die diese Schule jetzt ist, einen Hochsicherungstrakt." Seine Sorge: "Die L-Schüler werden einen Großteil ihrer Gewohnheiten einbüßen." Auch wie es mit der Nachmittagsbetreuung weitergeht, steht noch nicht fest. Von Landesschulamt, Landkreis und Finzelberg sind die Eltern enttäuscht. "Aber wen interessiert das schon", sagt Radzium bitter. "Es geht ja nur um Kinder, und dann auch noch um dumme."