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Altes Familiengut wird Zentrum für Kultur und Bildung Gut Zichtau: Altmark-Adel verpflichtet

Die Wiedergeburt eines Adelsgutes in der Altmark als Kultur- und Bildungszentrum schaffte es auf den zweiten Platz des diesjährigen Tourismuspreises von Sachsen-Anhalt. Das Projekt ist so ungewöhnlich wie sein Förderer Hasso von Blücher.

Von Oliver Schlicht 13.11.2014, 02:20

Zichtau l Der Weg nach Zichtau ist lang - egal woher man kommt. Knapp zehn Kilometer hinter Gardelegen liegt das Dörfchen westlich der B 71. Seine leicht hügelige Abgeschiedenheit in der altmärkischen Schweiz wurde schon zu DDR-Zeiten geschätzt. Die 30 Bungalows eines ehemaliges Kinderferienlagers werden dort noch heute privat als Ferienpark betrieben. Es gibt ein Waldbad. Und es gibt Hasso von Blücher.

Der Sproß des mecklenburger Adelsgeschlechtes aus der Nähe von Düsseldorf verriet der Westdeutschen Zeitung schon vor fünf Jahren seinen liebsten Urlaubsort: Zichtau in der Altmark. Das hat Gründe. Damals begann die Wiedergeburt eines Gutes, das eigentlich gar nicht mehr vorhanden war. Ruinöse Scheunen und Ställe, das Gutshaus einsturzgefährdet, ein verwilderter Park.

Hasso von Blücher hatte den alten Familienbesitz Mitte der 1990er Jahre zurückerworben und die dazugehörigen Äcker verpachtet. Vor fünf Jahren begann der heute 72-Jährige damit, gemeinsam mit dem Projektentwickler Magnus Staehler das Gut Zichtau sprichwörtlich wachzuküssen - als Heimstätte des Gartenbaus, der Kultur und Bildung. "Erst einmal selber machen und dann den Staat fragen" sei sein Credo erzählt Staehler. Eine Aussage, die sich mit barer Münze belegen lässt.

Etwa sechs Millionen Euro ausschließlich privates Kapital hat die Familie von Blücher bislang in die Gebäudesanierung und Landschaftsgestaltung in der Altmark investiert. Das Gutshaus musste abgerissen werden. Aber der Rinderstall (400 Quadratmeter), die Orangerie (160 Quadratmeter) und der dreigeschossige Kornspeicher (360 Quadratmeter) wurden zu modernen Veranstaltungshallen umgebaut, die ihre bauliche Herkunft nicht verleugnen. So entstanden große helle Räume, die sich trotz moderner Ausstattung dank vieler Holzbalken und Dielenböden ihren bäuerlichen Ursprung bewahrt haben.

Skulpturen zwischen alten Parkbäumen

Draußen im zwölf Hektar großen Park überraschen Skulpturen zwischen knorrig alten Parkbäumen. Eine Quelle speist den Wasserfall neben dem alten Wagenrad. Es gibt eine Streuobstwiese, ein Rittergrab, Gatter für Rotwild und schottische Hochlandrinder. Und Konzeptgärten. Denn dem Gartenbau fühlt sich das Gut besonders verpflichtet. Um nur einige Beispiele zu nennen: Es gibt Rosenterrassen, einen Garten "Pfefferminzprinz" mit 41 verschiedenen Minzsorten und auch eine Musterfläche für die ökologische Friedhofsgestaltung. Insgesamt acht Modellgärten wurden angelegt, die zum Nachbau inspirieren sollen - von Toskana-Garten über einen japanischen Garten bis zum deutschen Familiengarten.

2011 wurde auf Gut Zichtau die "Gartenakademie Sachsen-Anhalt" gegründet, die sich der Entwicklung von Gärten als Begegnungsräume für die junge Generation verpflichtet fühlt. Die von Hasso von Blücher ins Leben gerufene Stiftung "Zukunft Altmark" will verschiedene private Initiativen der Region besser vernetzen helfen. Der Besucher reibt sich angesichts dieser vielen unterhaltungsintensiven Angebote - das Gut ist frei und ohne Eintrittsgeld begehbar - verwundert die Augen: Wie refinanziert sich diese kleine Oase in Zichtau?

Küchenseminare, Schreibwerkstätten

Madeleine Jung und Heike Rindt - zwei von sechs Vollbeschäftigten des Gutes - sprudeln förmlich über bei der Aufzählung von Veranstaltungen. Märkte, Küchenseminare, Schreibwerkstätten, Malkurse und natürlich viele Seminare von Unternehmen und Verwaltungen. "Also 2015 sind wir in Bezug auf Hochzeiten und Familienfeiern im Grunde ausgebucht", erzählt Gutsleiterin Madeleine Jung. Das Theater der Altmark ist schon mehrfach aufgetreten, ebenso die Europa-Philharmonie aus Magdeburg. Dreimal war 2014 Markttag auf Gut Zichtau.

Und trotzdem: Das Gut verfügt bislang weder über eine eigene Gastronomie noch über ein Hotel. "Es ging zunächst darum, den Ort als Veranstaltungsraum zu entwickeln", erzählt Projektentwickler Magnus Staehler. Hotel und Gastronomie sollen nun als Hauptstandbein für den wirtschaftlichen Betrieb des Gutes folgen.

"Wir planen zwei Ausbaustufen. 2015 zunächst ein Vier-Sterne-Hotel mit 35 Doppelzimmern. Und dann noch einmal 50 Betten." Noch sei nicht entschieden, ob diese 50 Betten in Bungalows verteilt über das Gelände oder als Anbau an das Hotel umgesetzt werden sollen.

Für den Hotelbau greift Hasso von Blücher nun aber doch auf die Unterstützung des Landes zurück. Staehler: "Der Fördermittelbescheid in Höhe von vier Millionen Euro wurde bereits beschieden. Insgesamt werden in den Hotelbau um zehn Millionen Euro investiert."

So wird langsam ein Schuh draus aus Gut Zichtau, wie man so schön sagt. Und übrigens: Hasso von Blücher spielt nicht nur Kontrabass in einer Jazzband und isst gern Karotten-Orangen-Suppe, er hat auch noch ein "richtiges" Unternehmen. Die Blücher GmbH ist Weltmarktführer für C-Schutzanzüge und Hochleistungsfilter. 160 Beschäftigte, davon 120 in Premnitz, Brandenburg. Jahresumsatz bis zu 250 Millionen Euro. Er stattet das Militär aus - die Russen und die US-Streitkräfte.