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Kultusminister Dorgerloh zu Soldaten an Schulen "In der Schule müssen verschiedene Positionen zu Wort kommen"

03.03.2015, 01:23

Darf Deutschland Waffen an die bedrohten Kurden liefern? Dazu kann es nicht nur eine Meinung geben, sagt Kultusminister Stephan Dorgerloh.

Volksstimme: Herr Dorgerloh, seit Dezember gibt es für Schulen eine "Handreichung" zum Umgang mit der Bundeswehr. Was ist da in den Schulen schiefgelaufen, dass Sie eingreifen mussten?
Stephan Dorgerloh: Wir haben hier nicht auf einen konkreten Missstand reagiert, sondern auf eine bestehende Unsicherheit. Die Schulen sind frei, wen sie in den Unterricht einladen. Wir wollten jetzt nur klarstellen: Wenn eine Schule die Bundeswehr einlädt, muss sie das Kontroversitätsgebot beachten. Es müssen dann verschiedene Positionen zu Wort kommen. Das Gleiche gilt im Übrigen auch bei Besuchen von Politikern.

Was sollen die Schüler aus dem Besuch eines Soldaten und eines Pazifisten lernen?
Wir möchten, dass sich die Schüler mit unterschiedlichen Positionen auseinandersetzen. Es gibt beim Blick auf Konflikte und beim Einsatz von Militär ganz unterschiedliche Sichtweisen, die jede für sich ihre innere Logik haben. Erst in der Gesamtschau wird deutlich, wie schwierig sich konkrete Konflikte darstellen. Ich denke etwa an die Frage, ob Deutschland Waffen an die Kurden liefern soll. Das sind offensichtliche Dilemma-Situationen der sicherheitspolitischen wie friedensethischen Debatte.

Da vertritt aber nicht die Bundeswehr die eine Meinung und die Friedensbewegung das Gegenteil.
Nein. Aber es ist wichtig, dass in der Schule unterschiedliche Positionen zum Zuge kommen. Auch in der öffentlichen Diskussion gibt es hier ja ganz verschiedene Sichtweisen. Ich fände es übrigens auch nicht richtig, wenn ausschließlich pazifistische Positionen widerspruchslos dargestellt werden. Genau das klärt die Handreichung. Und sie trennt noch einmal ganz deutlich zwischen einer inhaltlichen Diskussion mit der Bundeswehr und der Berufswerbung.

Die Friedensgruppen im Land bekommen künftig wohl deutlich mehr Einladungen in Schulen. Können die das personell überhaupt bewältigen?
Ob sie das schaffen, ist in der Tat eine offene Frage. Deshalb haben wir in die neue Fassung der Handreichung aufgenommen, dass der Besuch der Bundeswehr nicht ausfallen muss, wenn es nicht gelingt, eine Friedensgruppe einzuladen. Dann kann auch der Lehrer in der Vor- oder Nachbereitung andere Positionen zur Debatte stellen.

Bei Truppenbesuchen gilt das "Überwältigungsverbot". Darf die Bundeswehr eine Schulklasse in Panzer einladen und mit Vollgas durch die Heide rasen?
Ich glaube, dass die Bundeswehr da sehr verantwortlich handelt. Sie sollte selbst kein Interesse daran haben, dass ein falscher Eindruck davon entsteht, was die Wirklichkeit einer Berufsarmee ist. Wir tun alle gut daran, mit dem nötigen Ernst zu vermitteln: Soldaten müssen im Zweifelsfall auch gefährliche Aufträge übernehmen und ihr Leben riskieren. Das ist alles andere als Abenteuerfeeling mit moderner Technik.