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Kleine Bäckereibetriebe in Magdeburg "Wir machen noch alles selbst"

Mindestlohn, steigende Kosten, Discount-Brötchen - das Bäckereihandwerk
steckt in der Krise. Heißt es zumindest oft. Es gibt aber auch kleine
Betriebe, die nach wie vor erfolgreich Backwaren verkaufen.

15.04.2015, 01:28

Magdeburg l Wer bei Jörg Braune durch die Ladentür tritt, kann gleich weiter in die Backstube schauen, die sich im Nachbarraum befindet. "Wir stellen alles noch selber her", erzählt Braune, "das schätzen unsere Kunden." Die Bäckerei im Magdeburger Stadtteil Stadtfeld gibt es bereits seit 1909, Braune führt sie in fünfter Generation. Und die Geschäfte laufen besser denn je, trotz Mindestlohn, Kostensteigerungen und Billig-Konkurrenten.

"Die Kunden müssen am Wochenende schon mal eine Dreiviertelstunde warten, bis sie bedient werden", erzählt der Bäckermeister, die Schlange ziehe sich oft bis auf die Straße. Braunes Erfolgsrezept heißt Qualität. "Bei uns schmeckt es eben wie bei Muttern zu Hause", sagt er. Sein Rezeptbuch habe er vom Vater geerbt, es ist aus dem Jahr 1972. "Unsere Brötchen backen wir noch immer nach den alten DDR-Rezepten, wobei Zutaten wie Mehl und Butter heute von besserer Qualität sind als damals."

"Die höheren Kosten kann ich über den Umsatz ausgleichen." - Bäckermeister Jörg Braune

Die Kunden bemerken den Unterschied, sagt Braune: "Brötchen vom Fließband schmecken schon nach wenigen Stunden so, als wären sie vom Vortag. Mein Backwerk hat dagegen mehr Konsistenz, ist knackiger und hält sich länger frisch." Um Qualität zu gewährleisten, achtet der Bäckermeister beim Einkauf bewusst nicht auf jeden Cent. Statt günstigem Jodsalz verwendet er lieber Meersalz. "Die höheren Kosten kann ich über den Umsatz ausgleichen." Derzeit liege dieser bei 260000 Euro.

Die Einführung des Mindestlohns hat Braune nach eigenem Bekunden keine schlaflosen Nächte bereitet. "Ich zahle schon seit einem Jahr Mindestlohn", betont er. Um die höheren Arbeitskosten auszugleichen, habe er frühzeitig die Preise erhöht. "Sonst hat sich nichts geändert, wir arbeiten hier weiter zu sechst." Braune betont, dass ein gutes Betriebsklima auch wichtig für den Erfolg sei: "Die Mitarbeiter müssen mit Herz hinter der Bäckerei stehen."

Große Filialbetriebe sind hingegen in Schwierigkeiten geraten. Die Stendaler Landbäckerei entließ zu Jahresbeginn 100 Aushilfen, rund 200 Verkäufer müssen ihre Arbeitszeiten reduzieren. Es sei nicht gelungen, die höheren Lohnkosten über Preissteigerungen auszugleichen, hieß es.

Die Bäckerei-Kette Steinecke, die in Sachsen-Anhalt 1700 Beschäftigte zählt, verzichtet auf Entlassungen. Der Frankfurter Rundschau zufolge müsse das Unternehmen allerdings auch sparen. "Wir verschieben Umbauten und Renovierungen", zitiert die Zeitung Inhaberin Katrin Steinecke. Bäckermeister Braune berichtet hingegen: "Meine Kunden akzeptieren die Preissteigerungen, für Qualität kann man eben mehr verlangen als für Massenware." Mit großen Bäckereiketten wolle er sich grundsätzlich auch nicht vergleichen: "Das sind Mitbewerber, aber keine Wettbewerber."

Braune profitiert allerdings auch davon, dass seine kleine Bäckerei einen günstigen Standort hat, sie liegt in einem Stadtteil mit kaufkräftigen Einwohnern, die wie der Bäckermeister selbst nicht stets auf jeden Cent schauen müssen. Zu denen, die sich nicht unterkriegen lassen wollen, gehört auch Daniela Lüder. Sie ist Inhaberin der gleichnamigen Bäckerei mit drei Filialen, sie führt den Familienbetrieb mit 20 Beschäftigten und einem Umsatz von 800000 Euro bereits in fünfter Generation.

"Wir machen das meiste immer noch von Hand, nicht mit Maschinen." - Bäckermeister Oliver Lüder

"Wir kleinen Bäcker können nur über Qualität, Auswahl und Frische beim Kunden punkten", erklärt sie. Sowohl Brot als auch Kuchen werde nach alten Familienrezepten gebacken. Der Mindestlohn sei eine Herausforderung, aber auch ihre Kunden hätten Verständnis für nötige Preiserhöhungen gehabt.

Um ausreichend Umsatz in den Filialen zu erwirtschaften, hat Senior-Chef Paul Lüder schon in den 90er Jahren damit begonnen, nicht nur Brötchen zu verkaufen. "Wir haben unsere Geschäfte frühzeitig zu Bäckerei-Cafés umgebaut", erklärt der 76-Jährige. "Wir bieten Frühstück, Kaffee und Kuchen - zusammen rechnet sich das mehr als der reine Verkauf von Backwaren." Im Magdeburger Stadtteil Prester hat er den Bäckerei-Betrieb außerdem um eine Pension erweitert.

Die Hauptsorge, die vor allem die kleinen Bäckereien haben, ist der Fachkräftemangel. "Wir machen das meiste immer noch von Hand, nicht mit Maschinen. Da brauchen wir fähige Leute", erklärt Oliver Lüder. Der 43-Jährige ist der Meisterbäcker im Familienunternehmen, er steht früh morgens in der Backstube. "Im vergangenen Jahr habe ich keinen Auszubildenden bekommen, in diesem Jahr liegt bislang eine Bewerbung vor."

Bäckermeister Braune beschäftigt zumindest im Verkauf eine Auszubildende, in der Backstube sorgt er familiär vor: Sowohl seine Frau als auch sein Sohn packen mit an. "Außerdem kommt am Wochenende meine Mutter noch vorbei und hilft uns beim Saubermachen."