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Das Universitätsklinikum Magdeburg und das Johanniter-Krankenhaus Genthin-Stendal beteiligen sich an der bundesweiten IQM-Initiative / Wie hoch ist das Sterberisiko? Zwei Krankenhäuser im Qualitätsvergleich

Von Oliver Schlicht 19.05.2011, 06:28

Ist es möglich, die Qualität der medizinischen Versorgung in Krankenhäusern zu vergleichen? 132 deutsche Kliniken stellen sich freiwillig dieser Herausforderung und nehmen an der "Initiative Qualitätsmanagement" teil – darunter auch zwei Kliniken aus dem nördlichen Sachsen-Anhalt. Jetzt wurden Vergleichsdaten veröffentlicht.

Magdeburg. Die "Initiative Qualitätsmanagement" (IQM) gibt es seit 2008. Den Anfang machten einige kommunale, freigemeinnützig-kirchliche, private und universitäre Krankenhausträger. Ziel war eine "trägerübergreifende Qualitätsinitiative von Krankenhäusern und gemeinsame Plattform zum Austausch und zum Vorteil des Patienten", so die Initiative auf ihrer Internetseite. Mittlerweile beteiligen sich bundesweit 132 Kliniken an der Erstellung einer jährlich aktualisierten Datenbank, die Rückschlüsse auf die medizinische Arbeit an den Kliniken unter gewissen Vorbehalten ermöglicht.

"Ist das vielleicht nur eine Werbekampagne, die sich Kliniken ausgedacht haben, um dem grassierenden Kliniksterben zu begegnen?", wollte die Volksstimme vom AOK-Bundesverband in Berlin wissen. Claus Fahlenbrach, zuständig für den Bereich Stationäre Versorgung, verneint: "Diese Initiative auf eine PR-Maßnahme zu begrenzen, wäre ungerecht. Wir begrüßen solche Initiativen zur Qualitätssicherung." Schön wäre, wenn sich von den etwa 2000 Krankenhäusern in Deutschland noch mehr solchen Maßnahmen zur Selbstkontrolle stellen würden, so der AOK-Experte.

Im Norden Sachsen-Anhalts beteiligen sich das Johanniter-Krankenhaus Genthin-Stendal seit 2009 und das Magdeburger Universitätsklinikum seit 2010 an IQM. In dieser Woche haben die teilnehmenden Kliniken ihre für das Jahr 2010 zusammengetragenen Informationen auf einer Internetseite veröffentlicht. Das waren im vergangenen Jahr 110 Krankenhäuser. Dazu wurden Routinedaten von insgesamt 2,16 Millionen Behandlungsfällen berücksichtigt.

Daten beziehen sich auf Todesraten

Diese Daten beziehen sich allesamt – und dies scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich – auf Todesraten in den Kliniken bei insgesamt 48 Krankheitsbildern. Drei Kategorien der Einordnung werden im Wesentlichen dargestellt: Es gibt zunächst einen statistischen Erwartungswert, der auf die konkrete Klinik bezogen ist, aber auch bundesstatistische Informationen mit einbezieht. Dieser Erwartungswert berücksichtigt nicht nur die bundesweite Todesrate an Kliniken bei der konkreten Erkrankung, sondern auch die übrige Krankengeschichte der Patienten. Der Erwartungswert wird verglichen mit dem Ist-Wert der Klinik – also wieviel Menschen sind tatsächlich in der Klinik gestorben. Und er wird verglichen mit dem jeweiligen Durchschnittswert aller Kliniken, die an dem IQM-Projekt teilnehmen.

Warum wird aber bei der Beurteilung der Qualität eines Krankenhauses ausgerechnet die Sterberate als Indiz herangezogen? "Der in der Klinik eingetretene Tod ist der einzige Indikator, der sich frei von Interpretationen und Bewertungen miteinander vergleichen lässt", sagt Dr. Björn Tönneßen, medizinischer Risikomanager des Universitätsklinikums Magdeburg. Zwar sei es glücklicherweise die Ausnahme, dass ein Patient in der Klinik versterbe, aber ein Risiko besteht für jeden Menschen, der sich mit einer schweren Erkrankung in die Obhut eines Krankenhauses begibt. IQM versucht nun, den Krankenhäusern bei bestimmten Krankheiten gegliedert nach Altersgruppen einen Sterberisikowert zuzuordnen.

"Ist das Risiko hoch, spricht das jedoch nicht zwangsläufig für eine schlechte medizinische Versorgung in diesem Bereich", so Dr. Tönneßen: "Unsere Erfahrung ist, dass auch Unzulänglichkeiten bei der Datenerfassung die Ergebnisse verfälschen können."

Formular falsch ausgefüllt?

Dr. Ulrich Nellessen, ärztlicher Direktor des Johanniter-Krankenhauses Genthin-Stendal, hat dafür ein praktisches Beispiel: "Im Spätdienst verstirbt ein Patient. Der diensthabende Arzt schreibt auf das Formular Herzversagen, weil ihm die entsprechende Kennziffer für das Formular schnell einfällt." Zwar habe bei dem Patienten tatsächlich das Herz aufgehört zu schlagen. "Aber verstorben im Sinne der IQM-Datenerfassung ist er zum Beispiel an einer Krebserkrankung", so Dr. Nellessen. Da nun aber Herzversagen auf dem Formular steht, wird die "Todesrate" der Kardiologen an dieser Klinik zwangsläufig verfälscht.

Die Klinik in Stendal und Genthin nimmt nach 2009 bereits zum zweiten Mal an dem IQM-Vergleich teil. Im vergangenen Jahr lag die Sterberate in der Klinik – zum Beispiel bei Schlaganfall-Patienten (Grafik) – zum Teil deutlich über dem statistischen Erwartungswert. Dr. Ulrich Nellessen: "Wir waren da sofort auf der Fehlersuche. Eigentlich heißt es, dass eine Klinik mindestens zwei Jahre Zeit benötigt, um diese Werte deutlich zu verbessern. Wir freuen uns sehr, dass dies vielfach bereits 2010 gelungen ist." So konnte die Klinik im Bereich Herzinfarkt den statistischen Erwartungswert, den sie 2009 überschritten hatte, 2010 deutlich unterschreiten (Grafik).

Dr. Nellessen hat die Teilnahme der Stendal-Genthiner Klinik an dem IQM-Projekt von Beginn an angestrebt. "Das bedeutet zwar sehr viel zusätzliche Arbeit und stellt eine große Herausforderung an ein faires Miteinander der Ärzte dar. Aber es kann für die Klinik auch Vorteile bringen." So machen die Ergebnisse auch deutlich, dass die Klinik bestimmte Geräte anschaffen muss, um eine moderne medizinische Versorgung sicherstellen zu können.

Dass das Johanniter-Krankenhaus "am Ball geblieben" ist, nötigt auch aus einem anderen Grund Respekt ab. Dr. Jan Hülsemann, ärztlicher Direktor des Magdeburger Uniklinikums: "Den an IQM teilnehmenden Kliniken ist es freigestellt, nach dem ersten Jahr die Teilnahme zu beenden und eine Veröffentlichung der Daten zu verweigern. Einige Krankenhäuser haben von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht." Das Magdeburger Uni-Klinikum darf sich schon im erster Jahr seiner Teilnahme über sehr gute Ergebnisse freuen. Viele Daten ensprechen den Erwartungswerten oder unterbieten sie. "Wir werten das als Zeichen, dass wir in der ersten Kategorie der deutschen Universitätskliniken vertreten sind. Das freut uns natürlich", so Dr. Hülsemann.

Keine Sieger, keine Verlierer

Auf Sieger und Verlierer verzichtet IQM. Ein Ranking gibt es nicht. Qualitätsverbesserungen in den teilnehmenden Kliniken sollen auch durch den Austausch von Delegationen vorangetrieben werden. Sogenannte Peer Review werden trägerübergreifend in den Klinikalltag hineinschauen und Verbesserungsvorschläge machen. Der Magdeburger Arzt am Uni-Klinikum, Prof. Wolfgang Lippert, wurde in die zentrale Peer-Review-Kommission aller 132 IQM-Kliniken berufen. Auch der Stendaler Kardiologe Dr. Ulrich Nellessen soll als Peer Review zukünftig andere Kliniken beraten.

Die Daten von IQM sind im Internet abrufbar unter der Adresse:

www.initiative-qualitaetsmedizin.de