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Antizipationsforschung Der Karate-Avatar aus Magdeburg

Bei einem digitalen Projekt lässt das Institut für Sportwissenschaft
einen Karate-Avatar entstehen. In Zusammenarbeit mit der Technischen
Universität (TU) Chemnitz und dem Fraunhofer-Institut sollen menschliche
Reaktionen nachempfunden werden.

Von Marco Papritz 09.02.2015, 02:29

Magdeburg l Entwicklung eines autonom interagierenden Gegners in einer Virtual-Reality-Umgebung zur Untersuchung der Antizipationsfähigkeit in den Kampfsportarten. Etwas sperrig ist das Projekt überschrieben, dem sich das Institut für Sportwissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Informatik der Technischen Universität (TU) Chemnitz in diesen Tagen widmet. "Wir möchten herausfinden, worauf die guten Karatesportler reagieren und die Antizipationsforschung vorantreiben", bringt es Projektleiterin Prof. Dr. Kerstin Witte auf den Punkt.

Dazu soll ein virtueller Sportler entstehen, der mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen Daten wie Bewegungen seines Gegenüber verarbeitet und darauf sein eigenes Handeln abstimmt. Bislang ist dieses Vorhaben einmalig. Wird videobasiertes Wahrnehmungstraining bereits professionell bei Sportarten wie Fußball und Handball eingesetzt, sucht man diese Möglichkeiten im Kampfsport bislang vergeblich. Antizipation, die Vorwegnahme einer Handlung, ist in Spielsportarten und im Kampfsport eine Voraussetzung, um unter Zeitdruck reagieren zu können. "Darauf könnte das Training abgestimmt und die Leistung der Sportler verbessert werden", so Bianca Walsleben vom Hatsuun-Jindo-Karateklub (HKC) Magdeburg-Barleben. Mit zwei weiteren Mitgliedern des HKC steht die Karatesportlerin im Elbe-Dom, einem Mixed-Reality-Labor des Fraunhofer-Instituts im Wissenschaftshafen, für den Avatar Modell, wenn man so will.

An ihrem Körper sind sogenannte Targets (Fixpunkte) angebracht, die vom Computer einzelnen Körperteilen zugeordnet werden. Diese reflektierenden Kugeln werden vom Computersystem bestehend aus Infrarotkameras und Rechner erkannt, so Ricardo Schrumpf von der Abteilung Virtual Development and Training Centre des Fraunhofer-Instituts. Man spricht hierbei vom Motion Capturing, dem Bewegungserfassen mittels Computer.

Die Sportler folgen bei den Aufzeichnungen der karatetypischen Angriffstechniken einem Bewegungsablauf, der im Vorfeld erarbeitet wurde und genau festgelegt ist. "Jeder Proband folgt der gleichen Übung, um möglichst genaue Daten erfassen zu können", so Diplom-Sportwissenschaftlerin Nicole Bandow.

Trainer und Sportwissenschaftler korrigieren und werten die Bewegungen, so dass nur jene in die Datenbank für das 3-D-Modell aufgenommen werden, die am besten gelungen sind.

Virtuelle treten gegen reale Sportler an

Diese Datensätze werden zur Auswertung an den Lehrstuhl für Graphische Datenverarbeitung und Visualisierung der TU Chemnitz übermittelt. Die Informatiker erstellen die Avatare und arbeiten die Definitionen mittels Algorithmen ein, etwa wo sie im Raum zu stehen haben und wann sie reagieren. Sie erhalten Informationen, um möglichst die Bewegungen ihres Gegenüber "erahnen" zu können. Nach Fertigstellung der virtuellen Sportler werden diese gegen die realen im sogenannten Cave (englisch: Käfig) antreten. Die Uni Magdeburg wird in einer virtuellen Umgebung die Evaluation zusammen mit der Karanostik GbR vornehmen.

Weiterführendes Ziel des auf zwei Jahre angelegten Projektes, das Unterstützung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erfährt, sei die Nutzung für die Antizipationsforschung, so Nicole Bandow: "Wir versprechen uns Erkenntnisse, warum die Spitzen-Karatesportler so gut sind."