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Lehrerin Sylvia Fülle lobt Engagement der Initiatoren des Popchors am Hildebrand-Gymnasium "Ich muss die beiden manchmal bremsen"

Von Fabian Böker 20.04.2012, 03:17

Musik steht im Leben von Marcel Storjohann und Catharina Schatter im Mittelpunkt. Die beiden haben im Oktober den "Popchor" am Hildebrand-Gymnasium initiiert und nehmen nun mit diesem Projekt bei "Ideen machen Schule" teil.

Stendal l Es war ein Spaziergang, bei dem alles anfing. Marcel und Catharina gingen von der Schule nach Hause, sprachen über dies und das und natürlich über Musik. Catharina meinte, es sei doch schade, dass es am Gymnasium keinen Chor mit Instrumenten gebe, keinen, der Eigenintiative verlangt. Wie es der Zufall so wollte, hatte Marcel schon seit längerem ähnliche Gedanken.

Gesagt, getan. Catharina und Marcel sprachen mit ihrer Idee bei Musiklehrerin Sylvia Fülle vor - und fanden mehr als nur ein offenes Ohr. "Im ersten Moment musste ich zwar etwas überlegen, da ich bereits zwei Schulchöre betreue", erinnert sich Fülle. "Aber die Begeisterung der beiden hat mich schnell überzeugt." Das war im Oktober, seither kommen etwa zehn bis 16 Schüler regelmäßig zusammen, um gemeinsam Musik zu machen.

Die Treffen finden jeden Donnerstag in der 7. und 8. Stunde statt, und sie sind jedes Mal aufs Neue abwechslungsreich und spannend. Der Popchor lebt von der Selbständigkeit seiner Mitglieder, Sylvia Fülle greift nur selten ein. "Ich gehe manchmal auch während der Proben nach nebenan und lasse die Jungs und Mädchen einfach mal machen." Jeder Schüler kann eigene Ideen einbringen, in lebhaften Diskussionen werden dann die Stücke ausgesucht.

Dabei kommen sowohl Coversongs als auch selbst geschriebene Lieder vor. Catharina erläutert die Heransgehenweise: "Jeder Chorteilnehmer kann mit Vorschlägen, welches Lied wir nachspielen sollen, zu uns kommen. Marcel und ich überlegen dann, welche Lieder in welcher Form umsetzbar sind." Marcel ergänzt: "Anschließend beginnt die Arbeit an den Liedern. Wir schauen, wer welche Stimmen übernimmt, wer welches Instrument. Nach spätestens zwei Wochen sollte ein Lied dann einstudiert sein."

Die Freiheit, die ihnen Sylvia Fülle bei der Umsetzung lässt, genießen die Jungs und Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren. So können sie ungebremst ihre Ideen und Anregungen einbringen und den Chor ganz aktiv mitgestalten. "Aber manchmal muss ich Marcel und Catharina dann doch etwas bremsen", wie Fülle augenzwinkernd verrät.

Denn die beiden kümmern sich nicht nur um die Eingaben ihrer Mitstreiter, sie schreiben auch ganz eifrig eigene Lieder, die dann zusammen mit dem Chor oder als Solo-Stück zur Bühnenreife gebracht werden. Dabei gehen Catharina und Marcel ganz unterschiedlich vor. Marcel nutzt die Ruhe seines Zimmers, schreibt dort Texte und sucht anschließend die Melodie dazu. In Ausnahmefällen kommt ihm auch erst eine Akkordfolge in den Sinn, die er dann mit Text unterlegt. Catharina dagegen braucht Gesellschaft, um kreativ zu sein. "Ich bin gerne unter Leuten, beobachte sie und lasse mich dadurch inspirieren." Beiden ist es wichtig, dass ihre Texte nicht zu persönlich sind, sondern für möglichst viele Zuhörer gelten. Dabei betrachten sie ihre Umgebung durchaus kritisch, schrecken aber auch vor Liebesliedern nicht zurück.

Wer mit den beiden 16-Jährigen spricht, merkt schnell, dass Musik ihr Leben bestimmt. Sie singen im Kirchenchor, sind seit Beginn des Schuljahres im Gospelchor aktiv, Marcel spielt in einer Band, Catharina hat schon bei "Jugend musiziert" teilgenommen. Marcel spielt seit acht Jahren Gitarre, mittlerweile auch Klavier und seit Kurzem Bass, Catharina spielt ebenfalls Gitarre und singt gerne. Mit dem Popchor haben die beiden seit Oktober bereits mehrere Veranstaltungen im Gymnasium begleitet. Treppenhaussingen zur Adventszeit, Weihnachts- und Valentinstagskonzert, Tag der offenen Tür - das Engagement aller Chormitglieder geht weit über die zwei Wochenstunden im Proberaum hinaus.

Am Dienstag steht nun das große Ereignis an, das traditionelle Frühlingskonzert in der Aula. "Wir gehen davon aus, dass der Saal wieder ausverkauft sein wird", blickt Sylvia Fülle mit einer Mischung aus Aufregung und Stolz nach vorne. Neben dem Popchor werden auch der Gospelchor und die Klassen 5 bis 7 das Programm gestalten. Marcel, Catharina und ihre Popchor-Mitschüler setzen dabei auf die gewohnte Mischung aus eigenen Liedern und gecoverten Stücken.

Das Konzert wird wie alle anderen Auftritte auch gefilmt, um die Aufnahmen anschließend auf DVD den Protagonisten zur Verfügung zu stellen. Und genau da setzt Sylvia Fülle mit der Einreichung des Projektes bei "Ideen machen Schule" an. "Für solche Aufnahmen benötigen wir besseres Equipment. Ein guter Laptop und vernünftige Lautsprecher sollen in Zukunft für eine professionelle Nachbereitung unserer Auftritte sorgen." Darüber hinaus denken Fülle und der Chor auch an Projekte wie eine eigene CD. Zudem sollen neue Instrumente von einem möglichen Preisgeld angeschafft werden, denn noch spielt der Chor größtenteils auf privaten Instrumenten der Mitglieder.

Doch so oder so: Das Credo von Sylvia Fülle ist beim Popchor zweifelsfrei angekommen. "Ich kann mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen. Das möchte ich auf die Kinder übertragen." Es ist ihr offenbar geglückt.