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Zum 1. Juli treten Änderungen im Pflegegesetz in Kraft Die wichtigsten Neuerungen im Überblick

Von Wolfgang Schulz 24.06.2008, 05:00

Magdeburg. Ab 1. Juli gelten neue gesetzliche Regelungen in der Pflegeversicherung. Die Sach- und Geldleistungen für die Pflege werden angehoben. "Ambulant vor stationär" und "mehr Durchblick für die Bürger" sind die Leitlinien der Pflegereform. Hier die wichtigsten Veränderungen.

Erstmals seit Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995 werden die Leistungen für die ambulante und stationäre Pflege angehoben. Pflegebedürftige erhalten je nach Pflegestufe in diesem Jahr 36 Euro (Stufe I) bis 62 Euro (Härtefälle im Heim) mehr. Das Pflegegeld steigt um zehn Euro. Weitere Anhebungen folgen 2010 und 2012. Ab 2015 werden die Leistungen dann alle drei Jahre an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst. Aus der Tabelle sind die Erhöhungen in den jeweiligen Pflegestufen ersichtlich.

Höhere Beiträge für Pflegeversicherung

Neben der Anhebung von Leistungen werden mit der Pflegereform ein Anspruch auf Pflegezeit geschaffen und die Betreuung von Demenzkranken deutlich verbessert. Zur Finanzierung wird der Beitragssatz der Pflegeversicherung zum 1. Juli um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95 Prozent und bei Kinderlosen auf dann 2,2 Prozent erhöht.

Dieser Beitrag soll aus heutiger Sicht, so die Politiker, zur Finanzierung der Pflegeversicherung bis Mitte 2015 ausreichen. Kritiker der Pflegereform bedauern, dass es nicht gelungen sei, durch eine grundlegende Änderung die Pflege auf finanziell sichere Füße zu stellen.

Der ambulante Pflegedienst

Mit 1,5 Millionen von 2,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden nach wie vor die meisten Menschen zu Hause gepflegt. Der ambulante Pflegedienst unterstützt Pflegebedürftige und ihre Angehörige bei der Pflege zu Hause. Er bietet Familien Unterstützung und Hilfe im Alltag. Pflegende Angehörige können Beruf und Betreuung besser organisieren.

Das Leistungsangebot der häuslichen Pflege erstreckt sich über verschiedene Bereiche: pflegerische Tätigkeiten (Körperpflege, Ernährung, Mobilisation und Lagerung), häusliche Krankenpflege (Medika-mentengabe, Verbandswechsel, Injektionen), Beratung der Pflegebedürftigen, Unterstützung bei der Vermittlung von Hilfsdiensten (Essensbelieferung oder der Organisation von Fahrdiensten und Krankentransporten) sowie hauswirtschaftliche Versorgung (Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung). Die ambulante Pflege ermöglicht Betroffenen, trotz Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung zu bleiben.

Kombination ist jetzt möglich

Das Pflegegeld und die Leistungen des Pflegedienstes können auch kombiniert werden. Beispiel: Ein Pflegebedürftiger nimmt statt dreimal täglich nur morgens und mittags einen Pflegedienst in Anspruch. Abends lässt er sich von Angehörigen versorgen. Schöpft er dadurch den Höchstsatz für die Pflegesachleistungen des ambulanten Dienstes beispielsweise nur zu 60 Prozent aus, kann er von der Pflegeversicherung zusätzlich 40 Prozent seines Pflegegeldsatzes für die häusliche Pflege beziehen.

Bessere Betreuung für Demenzkranke...

Menschen mit Demenz, mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen haben häufig einen Betreuungsbedarf der über den Hilfebedarf hinausgeht. Da es demenzkranken Menschen körperlich meist vergleichsweise gut geht, sind sie bisher oft durch das Raster der Pflegeversicherung gefallen. Dabei brauchen Alzheimerpatienten meist größte Hilfe und Unterstützung im Alltag.

... zu Hause

Mit der Pflegereform erhöht sich die Leistung für Demenzkranke von bisher 460 Euro auf bis zu 2400 Euro jährlich. Ab 1. Juli werden je nach Betreuungsbedarf ein Grundbetrag und ein erhöhter Betrag eingeführt. Der Betreuungsbetrag steigt von bisher 460 Euro jährlich auf bis zu 100 Euro monatlich (Grundbetrag) bzw. 200 Euro monatlich (erhöhter Betrag), also auf 1200 Euro bzw. 2400 Euro jährlich. Personen mit einem vergleichsweise geringerem allgemeinem Betreuungsaufwand erhalten den Grundbetrag. Personen mit einem im Verhältnis dazu höheren allgemeinem Betreuungsbedarf bekommen den erhöhten Betrag.

... und im Heim

Auch in den Pflegeheimen wird die Betreuung von Demenzkranken deutlich verbessert. Eingeführt wird erstmals ein Anspruch der vollstationären Dauer- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen auf zusätzliches Betreuungspersonal für Heimbewohner mit erheblichem Betreuungsbedarf, das von den gesetzlichen und – im Rahmen des vereinbareten Versicherungsschutzes – auch von den privaten Pflegekassen finanziert werden muss. Für je rund 25 Demenzkranke im Heim wird eine Betreuungskraft vorgesehen.

Kurzfristig können Arbeitnehmer künftig eine Freistellung von bis zu zehn Tagen nehmen, um für die akut aufgetretene Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren und die Pflege in dieser Zeit sicherzustellen.

Verbindung von Job und Pflege Angehöriger

Außerdem haben Arbeitnehmer bei der häuslichen Pflege von Angehörigen einen Anspruch auf unbezahlte, aber sozialversicherte Freistellung von bis zu sechs Monaten gegenüber dem Arbeitgeber, sofern der Betrieb mehr als 15 Beschäftigte hat.

Die Tagespflege wird in der Regel von Pflegebedürftigen in Anspruch genommen, deren Angehörige tagsüber beruftätig sind. Die Pflegebedürftigen werden meist morgens abgeholt und nachmittags zurück nach Hause gebracht. Die Tagespflege findet in Pflegeheimen oder in einer Tagesstätte statt. Pflegebedürftige erhalten dort ihre Mahlzeiten, befinden sich in Gesellschaft und werden körperlich und geistig aktiviert. Mit der Pflegereform werden die Leistungen der Tages- und Nachtpflege erhöht.

Im Rahmen der sogenannten Verhinderungspflege kann die Pflegekasse eine notwendige Ersatzpflege bezahlen, wenn pflegende Angehörige wegen Urlaubs oder wegen Krankheit die Pflege nicht weiterführen können. Dieser Anspruch besteht für längstens vier Wochen im Jahr. Voraussetzung für die Inanspruchnahme dieser Leistung ist bislang, dass die Pflegeperson mindestens seit zwölf Monaten die Pflege übernommen hat. Diese Wartezeit, die sogenannte Vorpflegezeit, wird von bisher zwölf auf sechs Monate verkürzt. Das stärkt die häusliche Pflege und entlastet die pflegenden Angehörigen. Diese können schneller durch die Möglichkeit einer Auszeit profitieren. Zudem werden künftig für die Dauer des Erholungsurlaubs der Pflegeperson von der Pflegekasse die Rentenversicherungsbeiträge für die Pflegeperson weitergezahlt. Dadurch bleibt der Rentenanspruch für die Zeit des Urlaubs ungeschmälert bestehen.

Rat zu allen Fragen im Pflegestützpunkt

Auskunft, Beratung, individuelles Fallmanagement und möglichst großer Service unter einem Dach stehen im Mittelpunkt des Konzepts der Pflegestützpunkte. Auf der Suche nach einem Pflegeheim, einer Tagesbetreuung, einem Anbieter für Essen auf Rädern oder Angebote der Altenhilfe finden Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in den Pflegestützpunkten Unterstützung und Hilfestellung – ähnlich wie in einem Bürgerbüro. Künftig werden von den Pflege- und Krankenkassen wohnortnahe Pflegestützpunkte eingerichtet, wenn ein Land dies entscheidet. Für Sachsen-Anhalt steht die Entscheidung noch aus.
Neu ist, dass die Pflegeberatung auch ein sogenanntes Fallmanagement zum Inhalt hat. Das bedeutet, dass ein Pflegeberater im Pflegestützpunkt speziell für jeden Pflegefall einen individuellen Versorgungsplan aufstellt. Dabei soll ein Pflegeberater ungefähr 100 Fälle betreuen.

"Poolen" in neuen Wohnformen

Immer mehr Menschen haben den Wunsch, im Alter in anderen Wohnformen zum Beispiel in Senioren-WG und möglichst selbstbestimmt zu leben. Das sogenannte Poolen von Leistungsansprüchen soll u. a. die Nutzung neuer Wohnformen oder Wohn- oder Hausgemeinschaften verbessern. Zur flexibleren Nutzung solcher Wohnformen können Sachleistungsansprüche von mehreren Versicherten gemeinsam in Anspruch genommen werden ("Poolen"). Die Ansprüche mehrerer Pflegebedürftiger auf grundpflegerische Leistungen und hauswirtschaftliche Versorgung werden so gebündelt, eine Pflegekraft kann sich um mehrere Pflegebedürftige kümmern.
Einmal im Jahr werden Heime überprüft

Mit der Pflegereform sollen die Qualitätssicherung ausgebaut und mehr Transparenz geschaffen werden. Bisher wurden Pflegeeinrichtungen im Schnitt alle fünf Jahre überprüft. Ab 2011 werden Heime und ambulante Einrichtungen regelmäßig im Abstand von höchstens einem Jahr geprüft. Bis 31. Dezember 2010 müssen die Pflegekassen jedes Heim oder ambulante Einrichtung mindestens einmal prüfen. Alle Prüfungen sind unangemeldet durchzuführen. Ihre Ergebnisse müssen in verständlicher Form veröffentlicht werden. Es wird außerdem ein Bewertungssystem entwickelt, zum Beispiel ein Ampelschema oder ein Sternesystem, an dem Außenstehende erkennen können, ob ein Heim gute Pflege bietet.