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Landkreis Anhalt-Bitterfeld Die einstige Dreckecke glänzt mit moderner Chemie und neuen Seen

14.08.2007, 13:41

Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld bildete sich aus den Alt-Kreisen Bitterfeld und Köthen sowie einigen Gemeinden des zertrümmerten Anhalt-Zerbst. Kreisstadt wurde Köthen.

Die Entstehungsgeschichte des neuen Kreises unterschiedet sich von allen anderen: Während die Fusion Bitterfelds und Köthens schon 2005 vom Landtag beschlossen worden war, kam der nördliche Zipfel mit Zerbst und seinen Umlanddörfern erst nachträglich 2006 durch Bürgerentscheid hinzu. Der Landtag wollte Zerbst eigentlich dem Jerichower Land zuschlagen.

Die eigenwillige Entstehung Anhalt-Bitterfelds spiegelt sich auch im etwas eigenartigen, sichelartigen Zuschnitt des Kreises wider. Doch das anhaltische Zerbst, traditionsbeladener Geburtsort (2) der russischen Zarin Katharina der Großen, wollte sich lieber vom anhaltischen Köthen aus regieren lassen als vom preußischen Burg im Jerichower Land.
Doch landsmannschaftlich ganz sortenrein ist auch Anhalt-Bitterfeld nicht. Bitterfeld und Wolfen ist von kursächsischer und ab 1816 preußischer Herkunft. Zerbst und Köthen waren anhaltische Hauptstädte.

Obgleich nicht größte Stadt erhielt Köthen das Landratsamt. Die Stadt liegt zentral und ist ähnlich wie Zerbst von hoher kulturhistorischer Bedeutung. Köthen war über Jahrhunderte Sitz des Fürstentums, ab 1806 Herzogtums Anhalt-Köthen. Fürst Ludwig I. reformierte 1617 das Schulwesen und gründete einen der ersten deutschen Schulbuchverlage. Sein Nachfahre Fürst Leopold holte 1716 den berühmten Johann Sebastian Bach als Hofkapellmeister in die Stadt. Aber nicht nur die hohen Künste haben hier eine Heimat: Köthen ist auch Sachsen-Anhalts Karnevalshochburg.

Das wirtschaftliche Herz schlägt im Westen des Kreises. Dort fusionierten Bitterfeld und Wolfen in diesem Jahr zu einer Doppelstadt mit fast 50 000 Einwohnern. Moderne Chemiebetriebe machen inzwischen wieder ordentlich Dampf, nachdem 1990 Kombinate und Tausende Arbeitsplätze untergegangen waren. In der einst dreckigsten Region Europas glänzen nun hochmoderne Anlagen von Bayer bis Orwo-Net.

Diese Region kündet auch vom Wandel. Wo einst Braunkohlebagger sich durchs Erdreich fraßen, baden Erholungssuchende in neu entstandenen Tagebauseen. Und in Thalheim wächst Mitteldeutschlands Zentrum der Solarzellenproduktion heran.
Besonders beeindruckend gelang der Umbau westlich Bitterfeld-Wolfens. Die ehemalige Braunkohle-Mondlandschaft Goitzsche verwandelte sich zu einem Seen- und Naherholungsgebiet. Was eigentlich Jahre dauern sollte, musste während der Jahrhundertflut 2002 quasi über Nacht passieren: Um die übervolle Mulde zu entlasten, wurden die Tagebaulöcher innerhalb zweier Tage zwangsgeflutet. Heute verfügt der Kreis über eine 23 Quadratkilometer große Seenplatte mit Stränden, Marina, Sportbootrennen und Fahrgastschiffen. Ein Teil des Areals kauften Naturschützer auf, in dem sich nun Flora und Fauna nahezu ungestört entwickeln können.

Die Elbe teilt den Landkreis. Der Süden, von Köthen bis Brehna, ist dicht besiedelt und über die Autobahn A 9 (Berlin-Nürnberg) bestens angebunden. Bitterfeld und Köthen liegen an wichtigen Eisenbahnknoten. Im Norden hingegen werden die Dörfer immer kleiner, die Entfernungen zwischen den Gemeinden größer. Hier wirkt das Land weit und unberührt. Die Elbe fließt hier durchs Biosphärenreservat Mittlerer Elbe, in Steutz (4) werden in der "Biberburg" die großen Nager gehegt – und unter anderem in die Niederlande exportiert. Einzig Zerbst hebt sich im dörflich geprägten Norden etwas ab.

Der Weg von Nord nach Süd führt zumeist über "fremdes Revier", nämlich über Dessau. Innerhalb des Kreises kann man die Elbe bei Aken lediglich mit einer Fähre passieren: romantisch ist das aber eben nicht schnell.

Zum Landrat gewählt wurde der Bitterfelder Amtsinhaber Uwe Schulze (CDU). Der Zerbster (5) Landrat Holger Hövelmann (SPD) war 2006 Innenminister geworden.