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Tropensturm "Washi", Dauerregen, Erdrutsche - viele Orte von der Außenwelt abgeschnitten Verheerende Sturzfluten reißen Hunderte Menschen auf den Philippinen in den Tod

Von Girlie Linao und Christiane Oelrich 19.12.2011, 04:29

Das Grauen kam über Nacht: Wassermassen walzen durch die Straßen der Küstenstädte auf Mindanao und reißen alles mit. Tropensturm "Washi" war Auslöser.

Manila/Bangkok (dpa) l Bei verheerenden Sturzfluten sind im Süden der Philippinen am Sonnabend mindestens 653 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Toten könne auf mehr als 1000 steigen, warnte das Rote Kreuz. Helfer hätten viele Ortschaften noch gar nicht erreicht. Viele Straßen waren von Erdrutschen verschüttet.

Auslöser war Tropensturm "Washi", der in der Nacht zum Sonnabend über die Insel Mindanao 800 Kilometer südlich von Manila hereinbrach. Zwölf Stunden Dauerregen ließen die Flüsse anschwellen. In der Nacht trat das Wasser über die Ufer und rauschte teils meterhoch durch die Straßen und Ortschaften.

Wer Glück hatte, wurde von dem Rauschen geweckt, mit dem die Wassermassen hereinbrachen. Aus dem Bett und rauf aufs Dach - nur, wer diesem Impuls folgte, hatte eine Chance bei den Sturzfluten, die in der Nacht zum Sonnabend durch die Küstenstädte Cagayan de Oro and Iligan auf den Philippinen donnerten.

Die verheerende Bilanz: Hunderte Tote, Schneisen der Verwüstung, die Millionenbevölkerung von Mindanao im Schock. Mit ihren toten Kindern ist Gemylyn Lopez in ein Auffanglager in einer Kirche in Iligan gekommen. Ihr Mann habe die Sechsjährige und ihren vierjährigen Bruder nicht halten können, als das Wasser ihn bei der Flucht aus dem Haus plötzlich von den Beinen riss, erzählt die 26-Jährige der Deutschen Presse-Agentur mit erstickter Stimme am Telefon. Wensito Pulusan (49) schaffte es mit seiner Frau und Tochter auf ein Dach. Die grausame Wucht des Wassers machte zwar auch dort nicht halt und riss den ganzen Dachstuhl ab, doch die Familie fand sich ein paar Kilometer weiter am Strand wieder - heil. "Der Herrgott hat uns überleben lassen", sagt Pulusan.

Mehr als 30000 Menschen sind in Stadien und Schulen geflüchtet, die nun als Notaufnahmelager dienen. Kinder starren stumm ins Nichts. Wer kann, geht zurück und schaut nach seinem Hab und Gut. Für viele ist das ein Horrortrip. "Es ist Brachland", sagt Pulusan. "Hier steht nichts mehr. Die Fluten haben alles fortgerissen."

Die Verwüstung in den beiden dicht besiedelten Städten mit mindestens 900000 Einwohnern ist immens. Wie ein Tsunami müssen die Wellen in der "Stadt der goldenen Freundschaft" (Cagayan de Oro) und der "Stadt der majestätischen Wasserfälle" (Iligan) gewütet haben. Auch Dörfer in der Umgebung sind betroffen. In vielen Regionen steht kaum noch ein Stein auf dem anderen. Große Muldenkipper sind wie Spielzeugautos durcheinandergewürfelt. Auf einer Luftaufnahme ragt die Kuppel einer Moschee aus verwüstetem Gelände. Das Wasser hat in den Säulengängen dicken Schlamm hinterlassen.

Das Wasser hat mehr als 100 Meter breite Schneisen durch das Stadtgebiet geschlagen und alles umgerissen, was im Wege stand. Überall liegen Haufen von Geröll, Dächer, Wände, entwurzelte Palmen, Lastwagen, Schränke.

Der Schock bei den Betroffenen sitzt tief. Mindanao, 800 Kilometer südlich der Hauptstadt Manila, ist die zweitgrößte der gut 7000 Inseln und wegen des muslimischen Separatistenkampfs und der dort wütenden Terrorgruppen und Kommunistenrebellen in den Schlagzeilen. Solche Naturkatastrophen indes sind unbekannt. Tropenstürme treffen die Philippinen jedes Jahr, aber viel weiter nördlich.

Unmut wird laut. Die Behörden hätten nicht richtig gewarnt, sagt Cagayan de Oros Bürgermeister Vincente Emano. "Wir wussten von dem Sturm, aber nicht, dass solche Überschwemmungen zu befürchten waren." Warnungen gab es, sagt der Zivilschutzdirektor Benito Ramos. "Wir haben es aber wohl versäumt klarzumachen, dass die Menschen sich in Sicherheit bringen müssen", räumt er ein.