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Jubiläum 20 Jahre „Durch den Monsun“: Der Hype um Tokio Hotel

2005 geht es für vier Schüler aus Magdeburg „hinter die Welt“ und „ans Ende der Zeit, bis kein Regen mehr fällt“. Ein Hit, der ihr Leben verändert. Die Entdecker von Tokio Hotel erinnern sich.

Von Thomas Bremser, dpa Aktualisiert: 14.08.2025, 11:24
„Durch den Monsun“ macht aus vier Schülern deutsche Superstars. (Archivbild von 2005)
„Durch den Monsun“ macht aus vier Schülern deutsche Superstars. (Archivbild von 2005) Patrick Lux/dpa

Köln - „Die neue Superband“: So überschreibt das Jugendmagazin „Bravo“ im Juli 2005 eine Doppelseite über vier Schulfreunde aus Magdeburg. Im Fokus: ein 15-Jähriger mit schwarzer Emo-Frisur. Damals kennt fast niemand den Bandnamen Tokio Hotel. Denn die erste Single „Durch den Monsun“ sollte erst am 15. August erscheinen - und einen regelrechten Hype auslösen.

„Wenn man sich die deutsche Popgeschichte seit den 60ern anschaut, dann gehört "Durch den Monsun" definitiv in den Kanon der größten deutschen Pophits“, findet Musikexperte Alex Gernandt (59). Er ist damals der stellvertretende Chefredakteur und Talentscout der „Bravo“ und wird schon sehr früh auf die Band aufmerksam. Er trifft Sänger Bill, Zwillingsbruder und Gitarrist Tom, Bassist Georg und Schlagzeuger Gustav erstmals in einem Münchner Studio.

„Die Band hat einen klasse Eindruck auf mich gemacht. Die waren erst 14 oder 15, aber hatten vorher schon mehrere Jahre zusammengespielt. Das war eine eingespielte Band.“ Natürlich sei ihm auch der ungewöhnliche Look von Frontmann Bill sofort ins Auge gefallen. „Da dachte ich schon: "Das ist hochinteressant. So jemanden hat niemand in seiner Klasse. Der hat Star-Potenzial".“

Eine Doppelseite für Newcomer

In der Redaktionskonferenz setzt sich Gernandt dafür ein, den Newcomern eine Doppelseite zu widmen, noch bevor die Single veröffentlicht war. „Das ist für "Bravo" damals total unüblich gewesen. Aber ich habe gesagt: "Hier müssen wir Vollgas geben, die Jungs sind super".“ Kurz nach Veröffentlichung der Ausgabe sei man mit Briefen und Anrufen geflutet worden.

Kein Wunder, dass die ungewöhnliche Band schnell eine große Fangemeinde bekommt, vor allem junge Mädchen. Der Hype ist schon kurz nach der ersten „Bravo“-Story so groß, dass sich die Debüt-Single „Durch den Monsun“ ab Ende August fünf Wochen lang auf Platz eins hält. Auch in Österreich, Frankreich, der Schweiz, Teilen Belgiens und den Niederlanden wird sie zum Top-10-Hit. Das Album „Schrei“ verkauft sich rund 1,5 Millionen Mal.

Und das hat vor allem mit dem Musikmanager Peter Hoffmann (71) zu tun. Der wird schon 2003 durch die Sat.1-Castingshow „Star Search“ auf den jungen Bill aufmerksam. Nach dem Erfolg von Echt („Alles wird sich ändern, wenn wir groß sind“) ist Hoffmann auf der Suche nach einer weiteren Schülerband und fährt nach Magdeburg, um den Rest von „Devilish“ (auf Deutsch: „Teuflisch“) - wie sich die Freunde damals nannten - zu treffen.

„Ohne zu übertreiben: Von der ersten Sekunde an wusste ich genau, dass sie komplett durch die Decke gehen werden. So etwas gab es damals noch nicht.“ Mit seinen Firmenpartnern nimmt er die vier Jungs unter seine Fittiche, coacht sie und schreibt mit ihnen 2005 den Rocksong, der ihr Leben verändern sollte.

„Die Idee dahinter ist, dass die meisten Dinge endlich sind und wir uns durch die Naturgewalten durchhangeln müssen. Dann hat ein Wort das andere ergeben, das ging wirklich sehr schnell.“ Er erinnere sich an einen sehr intensiven Nachmittag in seinem Studio in Vögelsen bei Lüneburg.

„Der Song und seine Stilrichtung passten genau in diesen Emo-Zeitgeist damals. Das war ein Zusammentreffen von glücklichen Momenten“, erzählt Hoffmann heute. Außerdem habe deutscher Pop-Rock damals einen Höhenflug erlebt durch Silbermond, Revolverheld oder Juli.

Nach dem Monsun kommt der Orkan

Über die vier Schüler aus Magdeburg fegt nach dem „Monsun“ ein Orkan: Keinen Schritt können sie mehr ohne Leibwächter machen, sie jetten von TV-Auftritten bei VIVA zu „Bravo“-Supershows und spielen auch Konzerte im europäischen Ausland. Irgendwann wird es den beiden Kaulitz-Brüdern zu viel und sie fliehen nach Hollywood - wo sie bis heute leben.

„Wenn du so ein Überflieger bist, auf allen Plattformen stattfindest und so jung bist wie Tokio Hotel damals, dann kannst du darauf nicht vorbereitet werden. Das ist schwer zu verkraften“, sagt Musikjournalist Gernandt. „Ich würde sagen, Tokio Hotel ist der letzte deutsche Act, den "Bravo" groß gemacht hat.“

20 Jahre und sechs Studioalben später hat die Band nach wie vor eine beachtliche und internationale Fanbase, der ganz große Rummel hat aber nachgelassen. Laut Hoffmann auch, weil sich die Musiker irgendwann entschieden, auf Englisch zu singen. 

Seit ein paar Jahren sind zumindest die markanten Zwillinge - inzwischen 35 Jahre alt - wieder in aller Munde. Durch ihren gemeinsamen Podcast „Kaulitz Hills“ und die Netflix-Doku „Kaulitz & Kaulitz“ haben sie sich als Unterhaltungsmarke etabliert. Zudem landet das Eheleben von Tom und Heidi Klum regelmäßig in der Klatschpresse.

Heute feiert selbst der Ballermann „Durch den Monsun“

Ihr Debüt-Hit, den es seit 2007 auch auf Englisch gibt, lebt ebenfalls weiter. „Jeder kennt diesen Song. Er war für lange Zeit tief im Herzen der Fans und das Emotionale bleibt dann einfach“, sagt Mit-Autor Hoffmann. Noch heute feiern Jung und Alt „Durch den Monsun“ - selbst am Ballermann auf Mallorca. „Dieses Lied geht immer, jeden Tag, zu jeder Uhrzeit. Es kennt einfach jeder den Text und die Leute grölen den kompletten Refrain mit“, erklärt Bierkönig-DJ Domy Berger.

Genau 20 Jahre nach der Veröffentlichung geben Tokio Hotel am Freitag ein großes Jubiläumskonzert in der Berliner Parkbühne Wuhlheide. Ihren ersten und größten Hit spielen sie noch immer sehr gerne, sagte Bill im vergangenen Jahr der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt ja ganz viele Künstler, die ihren größten Hit nicht mögen oder das Gefühl haben, sie werden nur darauf reduziert. Also ich bin froh, dass wir den Song haben.“